ss -> ß:
heiss -> heiß
grossen -> großen
Fuss -> Fuß
Windstoss -> Windstoß
liessen -> ließen
spassen -> spaßen
Sonstiges:
Aegide -> Ägide
Melodieen -> Melodien
Stanisław WyspiańskiDie Novembernachttłum. nieznany
PERSONEN DER ERSTEN SZENE:
- Pallas Athene
- Nike der Napoleoniden
- Nike von Thermopylae
- Nike von Salamis
- Nike von Chaeronaea
- Nike von Marathon
- Peter Wysocki
- Fähnriche
Die Szenen spielen am 29. November 1830 in Warschau.
Ein Korridor in der Fähnrichsschule
führt von der Rampe nach dem Hintergrund.
Von links durch hohe Fenster scheint
Das Mondlicht bleich und fahl herein;
Im Hintergrund ein Tor, darüber
Vier Fahnen zum Bukett vereint;
Rechts an der Wand stehen Gewehre
Geordnet in zwei Reihn.
Nacht, — später Abend, — Stille, — Leere; —
Nur vom Łazienkiparke dringt
Ein Rauschen leis herüber.
Die Wache stampft, — man hört die Tritte,
Auf Böcken Trommeln und zwei Mörser;
Ein Häufchen Kugeln und ein Degen.
Ein unterirdisch Tor springt rasselnd
Auf und im Korridore steht
Ein Mädchen. Ihren Kopf umweht
Ein Helmbusch; ihre Rechte hält
Den Speer, die Linke einen Schild;
Sie tritt als Erste uns entgegen
Mit Rede und mit Spiel.
Ein kupferoter Helm verbirgt
Die Züge, ihre Augen brennen
Heiß unterm Erz. Im Mondlicht wirkt
Ihr hell Gewand wie erzgewebt.
Der mächtge Schild an goldner Kette
An ihrer Schulter leise bebt.
Der silbernen Ägide Schlangen
Rascheln mit furchtbar wildem Ton.
Die hohen, starken Schultern, von
Lebendgen Schlangen überlastet
Sind leicht gehoben und sie stösst
Den Speer fest in die Erde. Ruft, —
Als ob ein Donner sich gelöst
Aus Jovis Händen, tönt die Stimme;
Und eine Schar von Mädchen hastet
Beflügelt auf sie zu.
PALLAS
1Zu mir! Zu mir! Zu mir!
Siegreiche Geister, eilt herbei
Im Adlerfluge, windgehaucht,
In Sturmestoben und Brausen;
5Bei diesem Zeichen ruf ich euch!
Kampflustbeseelt,
Des kalten Stahles, männermordender
Wehr Priesterinnen,
Ihr stolzen Ruhmes Dienerinnen;
10Auf des Hymetos, Ossa Gipfel
Dem Sonnengotte anvermählt!
Nun von des Pelion Gipfel eilt
Herbei in Scharen und euch treibe
Die Gier nach blutigem Erliegen
15Der Sterblichen. — Es starrt der Speer!
Zu mir denn, her zu mir!!
Donner
Du, Siegerin von Marathon,
Die du Athen den Freudenrausch gesandt;
Und du, Bezwingerin vor Salamis,
20Die du den Perser peitschen ließt das Meer,
Bis ächzend er im Staub sich wand;
Du, die du vor den Thermopylen
Gestanden; die du Alexander
Zum Tyrus führtest, ihm verliehen
25Achilleus Kraft; du, die da lebt
In Liedern, die von Hektors Taten
Vor Troja singen; du, die Roms
Cäsaren durch die Welt geführt
Von Ost nach West, von Pol zu Pol;
30Du, die den Ruhm aufs neu belebt,
Als eines Nordens Sterne sanken;
Du, die des Tuisco Söhne überwand,
Als Witold, aresgleich und kampfdurchglüht,
Das große Blutbad schuf;
35Und du, die du die Gottesgeissel
Durch Feuerscheine führtest zu
Dreimal verwünschtem Ruhme, dass
Das Kreuz erbebte in der Stadt
Der sieben Berge, als du in
40Das Licht die Löwenbrut geschleudert!
Zu mir! Im Donnerrollen her
Zu mir!
Donner
Bei diesem Zeichen ruf ich euch;
Bei der Ägide Gold und Erz
45Und Elfenbein;
Beschwöre euch bei ewger Nacht,
In die mein Wink allein
Euch, wenn ich will, gebracht;
Beschwör euch bei der ewgen Glut
50Der Sonne und bei Vater Zeus’
Furchtbaren Locken, bei der Gorgo
Schrecklicher Schlangenbrut,
Auf!!!
Ihr, denen ich Unsterblichkeit
55Verleihe, kommt und steht bereit
Allgegenwärtig, allbewusst!
Im Fluge naht, in luftger Bahn!
Zu mir! Zu mir! Zu mir!!
Es nahen nun im Flug des Sieges
Göttinnen, eine Mädchenschar.
Und rauschend kreisen sie mit weiten
Flügeln durch die Luft und gleiten
Langsam eine nach der andern
Nieder.
PALLAS
Der von den schwindelnd steilen Höhen
60Einst die Giganten niederstieß
Zum Tartarus, der in dem Reich
Der Wolken, der im ewgen Blau
Regiert, von dort den Donner und
Den Blitz herniederschleudert, Zeus,
65Befiehlt durch meinen Mund.
Donner und Blitze, zeuget nun lodernde
Gluten auf schwelenden ewgen Altären!
Rasende raset in aresgeborenem
Gierigem Taumel! Niemand soll wehren!
70Atmet die Seele des furchtbaren Gottes:
Zeus beruft seine Diener!
CHOR
Ares!! Mein Herr und mein Gott!
PALLAS
Aus des Olympos erztönendem Tor
Stürmt jetzt Ares befreit hervor,
75Eilt wie ein Sturmwind, stürzt auf die Stadt
Und durcheilt sie auf wilden Rossen,
Schreit und stachelt und hetzt.
CHOR
Wehe den Männern! Wunden und Tod!!
PALLAS
CHOR
80
Ha! Mit grimmigem Flügelschlage
Überfliegen wir die Stadt,
Packen zu und schlagen zu,
Würgen, geben keine Ruh.
Und die Äcker werden Gräber
85Ganzer Völker; Sieg und Blut!!
PALLAS
Über den Völkern brechen die Donner,
Wolken brennen, in Gluten verloren
Bersten die Häuser und stürzen zur Erde,
Aus den Himmeln quillt lodernde Glut
90Und der Zorn wird geboren!
CHOR
PALLAS
Mit dem Zaren der Pole! — —
Treulich entsendet, heilig beschworen
Nahen die Keren, die bleichen Dämonen
95Aus des Tartaros grässlicher Nacht, —
Und die Harpyien, die der Gefallenen
Blut aussaugen…
Ihr kennt des Phidias Nike, wie
Sie eilig die Sandalen bindet.
Dabei den Kopf nach oben richtet
(Der zwar bei dem Fragmente fehlt),
Wie sie, im Flug gehemmt, geschmeidig
Den losen Riemen der Sandale
Aufs neu zu knüpfen sich bemüht.
Und ihr Gewand, das nicht gehalten
Durch einen Gürtel, fließt in Falten
Ihr über Brust und Hüften, über
Den leicht gebeugten Körper nieder.
Nun spricht sie also:
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Vor Moskau zu der Zaren Wiege
Führt ich der Franken Kaiser hin;
100Flog durch die Wolken, die aus Adlern
Geballt die Sonne bargen, über
Wälder von flatternden Standarten
Empor, empor!
Das Glück hob mich im Fluge:
105Ich führte in meinem Zuge
Gar vielgeliebte Ritter…
PALLAS
Findest sie wieder, wirst sie führen
Die Vielgeliebten: Eile…
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Mein sind die Seelen, die Herzen,
110Die Sieger führ ich im Fluge
Zur Walstatt.
PALLAS
NIKE DER NAPOLEONIDEN
So lass
Mich die Sandalen noch knüpfen;
115Kaum könnt dem Olymp ich entschlüpfen,
Da eilt ich in fliegender Hast
Erschrocken bei deinem Rufe
Hierher und stieß an dem Tor
Heftig mich, — strauchelte; — fast
120Stürzte ich hin —
Knüpft den Riemen
Sag, wen wirst
Du mir als Feind benennen?
PALLAS
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Und werden sie ihn ergreifen?!
PALLAS
NIKE DER NAPOLEONIDEN
PALLAS
Sie eilen in Scharen
Und greifen den Fürsten im Schlaf.
Du folgst ihnen nach!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
130Nein!! — —
Auge in Auge Kampf
Und Brust an Brust; in Dampf
Sollen sie der Geschütze
Zuckend dampfende Blitze
135Von Angesicht zu Angesicht
Mit offnem Auge schleudern;
Die Nacht verging noch nicht, —
Und ich will dir gebären
Den Kampf auf freiem Feld
140Schwert gegen Schwert!
PALLAS
Du willst dem Schicksal wehren?
Und doch geschieht, was soll.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
O du Gewaltige
Und doch Kleinmütige!
145Lass sie die Schwerter greifen,
Lass sie wie Götter kämpfen!
Kam ich doch vom Olymp!
PALLAS
In deiner eignen Wangen
Gluten verseng ich dich:
150Erkennst du Gorgos Schlangen?!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Doch flecht ich nicht den Kranz!
PALLAS
Gut denn! — Die Tat wird ganz
Getan auch ohne dich!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Niemals! — Denn nur wen wir
155Geleiten und begleiten
Wir mit den weichen, weiten
Flügeln, kann Sieger sein.
PALLAS
Stürzt ich durch diese Macht
Nicht Troja, hab ich nicht
160Odysseus groß gemacht?
Der Fürst wird zum Gefangenen.
DIE TROJANISCHE NIKE
Weh Ilions Überwindern!
Nie wirst du siegreich sein.
PALLAS
Ich werde siegen!! Denn
165Ich muss, das Schicksal wills.
Ich werde Ketten zwingen!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Du Adlermädchen, nie
Wirst du den Sieg erringen.
PALLAS
O Adlergleiche, wenn
170Ich den gewaltgen Schild
Zur Erde werfe, sieh,
Erzittert Jovis Thron,
Der goldene, adlerprächtige;
Bann ich vor eine Seele
175Gespenster übermächtige.
Sinkt auch der Stärkste nieder.
NIKE DER THERMOPYLEN
Ich siegte bei Thermopylae,
Da fielen wackre Krieger,
Die ich noch jetzt im Blute seh
180Sich winden, das Verrat
Gefärbt. Noch niemals hat
Verrat geschändet. Wen Verrat
Gefällt, dem reiche ich
Das Lorbeerreis. Ich habe sie
185ln ihrem übermütgen Stolz
Erdrosselt und erwürgt.
Sie sanken nieder, da der Pfeile
Dichtschwarze Wolken ihren Blick
Verhängt, der Speere wildes Sausen
190Sie hat betäubt, da das Geschick
In dem zerklüfteten Gestein
Der ungangbaren Felsenwände
Sie straucheln ließ. Auf denn zur Tat,
Ihr Schwestern, auf! Wenn durch Verrat
195Der Sieg uns näher ist, dann durch —
Verrat!
NIKE VON SALAMIS
Ein Geier umkrall ich die Völker;
Ich stand vor Salamis!
Wessen Schicksal erfüllt,
200Der mag zugrunde gehn.
Die da auf Raub auszogen.
Mag nun die Erde verschlingen,
So sie in ihrem Schoße
Flammende Lohe trägt.
205Pflügen auf fremdem Boden,
Fremde Saaten entwenden —?
Lieber aus Räubers Händen
Blutigen Tod erdulden,
Als die Bosheit ertragen! —
210Wonach denn dürsten wir?!
CHOR
NIKE VON SALAMIS
Doch wie werden wir
Uns den Lorbeer erringen?
CHOR
PALLAS
215
Denn Blut kennt nicht Schuld!
NIKE VON SALAMIS
CHOR
NIKE VON SALAMIS
Wer greift den Kranz aus Rosen —?
CHOR
NIKE VON SALAMIS
PALLAS
Wie die Nacht —
Dunkel und düster.
NIKE VON MARATHON
Gleicht er dem Meinen, einem,
Der auf Marathons Feldern
225Aufstand in Feuerscheinen,
Eisenbewehrt und in Blut,
Bevor noch Helios seinen
Ewigen Lauf in Glut
Halb erst vollendet —? Sein Name?
PALLAS
230
Man ruft ihn bei Donner und Blitz.
Ruft ihn im Sternennebel
Napoleonischer Adler.
Er ist der Erste, der Einige.
CHOR
NIKE DER NAPOLEONIDEN
235
Taten!!
Lass ihn zu meinem Dienste;
leb will in seinem Blute
Die Begierde erregen.
Wie erkenn ich ihn wieder?
PALLAS
240
Er leuchtet im Ruhmesglanz;
Und alle Menschen zittern
Ihm, dem Einen, entgegen.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
PALLAS
Die Satyren
245Ergötzen durch Spiel ihn und Tanz
Auf dem Theater.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
So will ich den Satyren
Die Leiern denn zerstücken.
Will ihm ins Auge blicken
250Und rufen: In der Stadt
Tobt Kampf!!!
PALLAS
So eile und entfalte
Die Schwingen über ihn,
Trag ihn hinfort und halte
255Ihn im Arsenal
Verborgen.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
PALLAS
NIKE VON CHAERONAEA
Ernst und düster tritt sie ein,
Grabesluft bringt sie herein;
In den weichen, bleichen Händen
Trägt sie Tannenzweigeenden,
Die zu Kränzen sind gebunden.
Sie umfasst sie bang umwunden,
Faltet ihre Hände, streckt
Sie mit schmerzlicher Bewegung
Vor sich, ihre Seele weckt
Einer Ahnung stille Regung
Und ihr stummer, bleicher Mund
Gibt des Unheils Botschaft kund.
Schwarze Schleier, schwarze Tücher,
Enggepresst die Lippen sind,
Und die Göttinnen erstaunen
Und sie lauschen, fragen, raunen.
Ich bring euch Kränze, frisch gewunden
260Aus Tannenzweigen; stand im Garten
Die Weile still und brach das Reis.
NIKE VON SALAMIS
Ich will aus Rosen duftge Kränze.
NIKE VON CHAERONAEA
Es gibt keine Rosen, alle Rosen
Sind tot, der Blumen trockne Stiele
265Hat flüchtger Wind verweht zu Staub;
Und auf den Wassern liegt ein Teppich
Aus bunten und aus goldnen Blättern.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Aus Lorbeer und aus Eichenlaub
Will ich die Kränze. Wie soll sich
270Der Sieg denn sonst erfüllen —?
NIKE VON CHAERONAEA
Am Eichbaum nicht ein Blatt ich fand.
Der Wind hat einen Eiseshauch
Über die Gärten hingesandt; —
Die Blätter fielen! Baum und Strauch
275Sind kahl; — die Zweige morsch, der Garten lag
Verödet; und kein Vogellaut
Tönt durch die Luft, kein einzger Ton
Aus Marsyas Flöte schwingt im Hag.
Des Äolus verirrte Kinder
280Blasen den überreifen Dung
Vom Acker, schlingen dürre Halme
Um die entblößten Kronen, und
Die Bäume singen, wenn die Äste
Vom Wind geschüttelt werden, leis
285Wie eine Harfe wehe Lieder;
Die Sträucher, die da kostbar sind,
Sind eingebettet in das Stroh,
Und Sträucher, die nur ärmlich sind,
Stehn in zerfetztem Kleide des
290Nur spärlich dunkelfalben Laubes
Und zittern.
CHOR
Wie soll der Sieg sich uns erfüllen —?
NIKE VON CHAERONAEA
Nicht duftet der Jasmin, nicht blühen
Mehr Blumen und nur Tränen fallen
295Auf Ebereschen, — blutig rote
Korallen — —
NIKE VON MARATHON
Wenn siegreich erst die Fahnen flattern,
Was brauchen die Helden Gestrüpp?
NIKE VON SALAMIS
Blüten in Elend gestorben,
300In Nacht und in Frost verdorben —
Mein Fuß soll ihr Blühen verheeren
Und Feuer ihr Leben versehren.
Sind uns denn Lautenspieler
Und blinde Sänger erstanden
305Oder fanden
Wir ein Geschlecht von Helden?!
NIKE VON CHAERONAEA
Ihnen frommt wohl jener Kranz
Statt der Rosen. —
NIKE VON SALAMIS
NIKE VON CHAERONAEA
310Spott!
Einen Augenblick wird Glanz
Sie umstrahlen.
NIKE VON SALAMIS
NIKE VON CHAERONAEA
Unter Qualen und in Not
315Wurden sie und lebten sie.
CHOR
PALLAS
NIKE VON CHAERONAEA
Auf einem Felseneiland bangt
Vom Wind geschüttelt Fichte und
320Wacholder…
NIKE VON MARATHON
NIKE VON CHAERONAEA
Schwestern!
Der rauhe Wind hat Baum und Strauch
Getötet und der weiße Reif
325Stirbt. Lorbeer ist nicht mehr, die Rosen
Sind tot.
CHOR
Wie soll der Sieg uns blühen?
NIKE VON CHAERONAEA
So mögen sie denn sterben, meine Söhne,
Genug der Schande, Schmach und Leid;
330Die Träne quillt nicht mehr, zum Fluge
Entfalten sich die Flügel breit…
CHOR
NIKE VON CHAERONAEA
Den Tod zu rufen.
Also soll in ihrem Blute
335Ich sie wieder zucken sehen,
Also darf ich neu erstehen,
Die Gefallenen zur Nacht
Betten; Pallas, Zeusgeborne,
Wie mich dieses glücklich macht.
340Ruhm, ich sehe Taten wieder
Meinen Weg mir leuchtend weisen.
Oh, ich sah Maciejowice
Und ich sah gefallne Brüder.
Auf zum Kampfe! Auf zur Schlacht!
345Reicht die Hände, teure Schwestern:
Diese Stunde knüpft von gestern
Bis auf heut ein heilig Band.
CHOR
reicht sich die Hände
Still! — Und steh!
Der rauhe Wind hat Baum und Strauch
350Getötet; in dem trocknen, dürren
Gezweig der Bäume schluchzt ein Hauch
Von Aeols Harfe weh und bang.
Der Lorbeer ist verblüht, die Hosen
Sind tot — —
NIKE VON CHAERONAEA
355
Ihr Schwestern! Es gelang
Dieser Stunde dieser Bund.
Auf nun, und dem wesenlosen
Tode nach: Ich führ ihn her.
Lass sie kämpfen erzbewehrt,
360Lass sie fallen ruhmbetört.
Tränen siebt der Tag nicht mehr.
Sie stehen Hand in Hand.
PALLAS
Helden, stolze Recken harren
Euer uod verbuhlte Narren,
Stolze, die der Hochmut schwellt,
365Göttlich Große, tierisch Kleine,
Ernste, Stille, drohend Grimme,
Und Geringe und Gemeine, —
Himmlisch, göttlich, heilig Reine.
Eilt! Eilt fort in dunkle Gassen,
370Rufet durch die leeren Straßen:
Ares naht!
Schleudert eure Blitze gegen
Alle Glocken, dass sie schallen,
Hallen und die ganze Stadt
375Soll der Schrecken nun befallen.
Auf und schreit und weckt die Schlaffen:
An die Waffen!!
CHOR
Der Chor enteilt, indessen Pallas
Nun aus dem Schein des Lichtes, das
Umflossen sie, ins Dunkel tritt.
Hier bleibt sie stehn, hemmt ihren Schritt
Und lauscht und weilt.
In diesem Augenblicke eilt
Peter Wysocki rechts hervor
Aus einer Tür zum Korridor.
Ein weiter Mantel deckt ihn zu,
Birgt sein Gesicht, in einem Nu
Ist er jetzt dicht vor dem Portal
Im Hintergrunde, das zum Saal
Hinführt, stößt es gewaltsam auf,
Fasst seines Degens Silberknauf
Zieht und beschreibt dann einen Kreis;
Wirft seinen Mantel ab; wie auf Geheiß
Stürzt an die Tür die junge Schar,
Die ihn erkennt, und drängt hervor,
Und da er spricht, ist alles Ohr:
WYSOCKI
Auf, meine Brüder, Kinder, Soldaten,
380An die Gewehre, auf, an die Waffen!
Jeder ergreife nun sein Gewehr,
Stelle in Reih und Glied sich daher
Unten im Hof.
Auf denn, ihr Brüder, Stürme erwachen,
385Auf, an die Waffen, auf, an die Waffen!
Sehet, die Stunde kam rauschend geflossen,
Da wir die stählernen Ketten brechen,
Die uns den Nacken, die Arme umschlossen,
Da wir die Tage der Knechtschaft rächen.
390Da wir die Schwerter und Dolche segnen!
Da wir sie schärfen!!
Tod den Tyrannen, Usurpatoren,
Die unsre Throne besudeln, begeifern,
Unsre Altäre mit Schmutz bewerfen.
395Gott gab das Zeichen,
Lasst uns nicht weichen,
Gott ist mit uns, er sendet den Strahl
Leuchtender Freiheit nach langer Qual.
Und aus den göttlichen Händen
400Kommt sie den Völkern und Ständen.
Stunde der Rache für Unrecht und Schmach,
Stunde der Rache, rächender Tag!
Schleudert auf Felder glimmende Funken
Nun von den Hütten, die lodernd versunken.
405Für all die Leiden, die Qualen, die Tränen
Auf, meine Brüder! Gewaltiges Sehnen
Schlingt eure Hände zu heiligem Bunde
Heute zusammen! Laut schlägt nun die Stunde,
Da sie die Sehnsucht in langen Jahren
410Endloser Mühen und in Gefahren
Zitternd und sehnend beflügelt.
Auf, an die Waffen, Jesus Maria!
Auf, an die Waffen, auf, und besiegelt
Blutigen Bund mit blutiger Tat.
415Auf nun für Polen, fürs Vaterland!
Stunde der Sühne, da unvergessen
Jahre der Knechtschaft, Tyrannenmacht,
Die mit hohler, gespenstisch verzerrter
lächelnder Fratze das Haus uns besessen,
420Die es geschändet, die es verlacht.
Nun soll das Kreuz die Gespenster bannen;
Euer die Stunde, der Zeiger rückt;
Seid nun Erfüller, zeigt euch als Mannen,
Greift nach dem Sieg, zu den Sternen blickt.
425Kinder, herrliche Beute winkt
Euch, denn die Zeit ist gekommen.
Und hemmen auch Berge von Leichen den Lauf,
Achtet nicht drauf!
Hütet euch nur, dass ihr nicht versinkt,
430Denkt, dass aus dunklem Schicksalsschoß
Nur eure eigne Faust euch bringt
An das Licht der grünenden Saat
Herrlich beglückendes Los.
Mutig voran, Männer der Tat!
Schon naht das Mädchen und mit Worten,
Die Gluten atmen, weist sie ihn
Und reißt ihn fort bis an die Pforten,
Draus Flammen ihm entgegenblühn.
PALLAS
435Lasst Städte brennen, Burgen lodern,
Auf zu den Waffen! Auf zu den Waffen!
WYSOCKI
So bist du neben mich getreten
Im lichten Glanze mädchenhafter Reine:
Du lohst in rotem Feuerscheine…
PALLAS
440Ich bin bei dir, bin deine Schwester;
Es flammen Blitze auf in meinen Händen,
In meinen Händen stirbt der Sterne Licht.
CHOR DER FÄHNRICHE
Seht doch, wie seine Wangen glühen.
WYSOCKI
Ha! Unsre Schmach muss einmal enden!
PALLAS
445
Auf denn, mein junger Held, zur Pflicht!
WYSOCKI
Dir weih ich meine Kraft, mein Schwert;
Ich kenne dich, du herrliche Gestalt,
Du nahmst mich bei der Hand und wiesest
Mir meinen Weg, Zeustochter, hochgeehrt,
450Und Tausende von Männern stießest
Du in den Staub und sie erbleichten bald
Vor dir und mussten sterben…
CHOR DER FÄHNRICHE
Unser der Ruhm, unser allein!
Tod dem Fürsten, Verderben!
PALLAS
455Sieh, wie die Muskeln ihnen schwellen,
Sieh, wie sie eilen, ich mit ihnen,
Das Adlerweib.
Will wie mit Fackeln sie erhellen,
Sie sollen zum Verbrechen ziehn.
460Mit Schlangen peitsch ich ihren Leib,
Ich hauche fürchterlichen Zorn
ln ihre Herzen, armes Schwelen
Entfache ich zur Lohe, von den Seelen,
Den unberührten, reiß ich alle Scham,
465Spreng ihre Brust mit fürchterlichem Schrei,
Und wie die Adler fliegen sie vorbei, —
Ein sterblich Lied aus Menschenkehlen.
WYSOCKI
Blut denn und Blut, sie sollen
Sich paaren zu schrecklicher Lust;
470Ritter des blutigen Bundes,
Hört, wie die Donner rollen
Über des Erdenrundes
Bahnen in eure Brust,
In das polnische Herz.
475Alles hat euch der Räuber entrissen.
Pallas, du Donnergeborne,
Schüttle den Donnerschild,
Lass deine Flammen wild
Vor ihren Augen lodern,
480Lass sie in Flammen stehn,
Feurige Stürme wehn!
Zerreiß mit dem Donner das Nebelfeld.
Donner.
CHOR DER FÄHNRICHE
Ein Feuerschein den Himmel hellt.
WYSOCKI
Gedenket des Jahres eintausend
485Achthundertunddreißig, des neun
Undzwanzigsten Novembers:
In dieser Nacht
Ward euch der Tag geboren!
Lichtschein.
PALLAS
Euer die Kraft und die Macht!
WYSOCKI
490
Des neuen Lebens herrliches Gut
Winkt euch, ihr Rächer, Mut und Blut!
PALLAS
Sieg!
Nieder mit den Zentauren!
WYSOCKI
Wort der Erlösung erdröhne und flieg:
495Auf an die Waffen!
PALLAS
CHOR DER FÄHNRICHE
Du lang Ersehnter heißt uns eilen,
Wahrlich dein Kommen ward uns prophezeit.
PALLAS
Das Wort erstand, es springen Gräber
500Auf und der Geist durch lange Zeit
Beschworen naht, und es erbebt
Das Herz in Banden. Wer da jetzt
Dein heilgen Willen widerstrebe,
Dess' Schild berühr ich mit der Axt,
505Verdamme ihn zu ewiger Qual.
An eurem Ohre tönt es: Ruhm!
Die Adler rauschen, ziehen durch die Luft,
Ein Feuerschein kost sie mit Flammenduft,
Und unter feurigen Wehen
510Flammende Geister erstehen.
Heilig das Schwert, denn sein ist die Tat,
Euer das Schicksal, das ihr bejaht.
CHOR DER FÄHNRICHE
WYSOCKI
An die Gewehre, die reihenweis dort
515Stehn an der Wand, ergreift sie und fort;
Es flieht die Zeit, drum schnell an das Tor,
Ehe der Russe euch kommt zuvor.
Sie dürfen euch nicht erkennen;
Dann heißts zu den Kasernen rennen.
520Dort draußen auf Solec, da brennt eine Miete
Unweit der Stadtgrenze, auf Vorstadtgebiete,
Es ist ein verabredet Zeichen.
Wie viele seid ihr? Hundertundsechzig?
CHOR DER FÄHNRICHE
WYSOCKI
CHOR DER FÄHNRICHE
Alle sind da.
Sieh, wie die Gänge sich füllen …
WYSOCKI
Euch fällt der Löwenanteil zu
Am heutgen Werk. Drei Regimenter
530Ulanen müssen wir entwaffnen,
Müssen die Brücke auch besetzen,
Die Wache täuschen. Ich verteile
Selbst die Patronen, instruiere
Euch selbst. Dann gehts hinein zur Stadt.
Zu einigen, die neu hinzugekommen sind.
CHOR DER FÄHNRICHE
WYSOCKI
Die Zeit entflieht, nur jetzt kein Säumen
Und Träumen. —
Am Belvedere vorüber eilen
540Wir hin zur Stadt, zum Arsenal.
Zaliwski stürmt es.
PALLAS
flüstert ihm zu
Fühlst du nicht die Qual
Der Eifersucht, dass du den Ruhm mit ihm
Musst teilen —?
WYSOCKI
545Im Parke, an der Denkmalsbrücke steht
Und wartet eine Schar von sechzehn Mann,
Studenten von der Universität
Und Literaten, denen man
Patronen geben muss und zum Palais
550Den Weg bezeichnen. Zwei von euch erseh
Ich zu dem Zwecke aus, — ich nenn sie später.
Sie haben auch den Fürsten wieder
Zu greifen, falls er durch den Park
Zu fliehen suchte.
CHOR DER FÄHNRICHE
555So ist es denn heute, —
Wir können es nicht fassen…
WYSOCKI
Brüder!
Heut ist der Tag der Freiheit.
CHOR DER FÄHNRICHE
Eile
560Mit uns, du Adler, adlerstolz und stark!
Schon drängen sie und eilen
Und nichts mehr hält sie auf.
Gewehre in den Händen,
So eilen sie und wenden
Den Blick von ihrem Führer
Nicht ab; das Klirren ihrer
Waffen, Lärm und Gesumm
Geht in der Halle um.
Sie eilen und sie stecken
In dunkelblauen Röcken,
Aufschläge gelb, — und weiß
Die Hosen und Gamaschen.
Auf den Gewehren starren
Die Bajonette, harren
Des blutgen Ziels. Sie schnallen
Die Säbel um und packen
Sich die Tornister auf.
Schon stehn sie in vier Reihen
Im Rechteck, dann zu zweien
In einer langen Reih.
Man sieht bei ihnen allen
Die Freude laut und frei.
WYSOCKI
An die Gewehre! Achtung! Denn heute
Gilt es. Pflanzt Bajonette auf!
Gehet hinunter, sammelt euch Leute,
Unten im Hof; fort in schnellem Lauf!
565Dass sie die Tore euch nicht verschließen!
Unten bekommt ihr Patronen zum Schießen.
Ich bin mit euch, — ich führe euch an.
An die Gewehre! Die Zeit rückt heran,
Unser die Macht und unser die Kraft.
570Für all die Schande, die Jahre der Knechtschaft,
Für Jahre der Tränen, die qualvolle Zeit
Heute den Räubern Henker seid!
Aus der Scholle, die aufgebrochen,
Rissen wir das Schwert. —
575All die Bosheit wird gerochen
Und wir graben stahlbewehrt
Gräber, weite Gräber.
Schleudern sie zu Boden, treten
Sie mit Füßen, stampfen, brechen
580Die Gebeine, denn wir rächen!
PALLAS
Wirst Unsterblichkeit erringen!
WYSOCKI
Ewiges Leben wird euch bringen
Dieser Tag. Es muss gelingen.
PALLAS
Lodert in Flammen alle zusammen,
585Leuchtende Fackeln, eilet dahin.
0 des Heiligtums Tore stehn weit
Auf und des wundersamen
Glanzes umstrahlendes Licht
Führt euch durch Blut und Tod und Gericht
590Hin zur ewigen Herrlichkeit!
WYSOCKI
Auf, meine Brüder, Kinder, Soldaten!
PALLAS
Auf ging der Stern, er leuchtet euch hell!
WYSOCKI
Götter schaffen die Saaten!
PALLAS
WYSOCKI
CHOR DER FÄHNRICHE
PERSONEN DER ZWEITEN SZENE:
- Grossfürst Konstantin
- Johanna
- seine Frau
- General Gendre
- Kuruta
- Makrot
- ein Spitzel
- Der Offizier vom Dienst
- Lakaien
SALON IM BELVEDERE
Zwei Türen rechts, zwei Türen links.
Im Hintergrund ein Fenster dreigeteilt,
Das bis zum Boden reicht. Dahinter
Der Garten von Łazienki. Fern
Sieht man ein weißes Reitermonument.
JOHANNA
tritt ein
Der Himmel glüht, — ein heller Feuerschein.
GROSSFÜRST KONSTANTIN
tritt ein
KURUTA
tritt ein
GENDRE
tritt ein
600Nein.
Die Stadt brennt nicht.
GROSSFÜRST
GENDRE
Dort ganz hinten weit.
Ich hab im Hof Signale schon gehört.
KURUTA
605
Es sitzen zwei Schwadronen schon zu Pferd
Und sprengen aus dem Hofe nach der Stadt.
JOHANNA
verlässt den Salon.
GENDRE
Ein Pferd für Seine Hoheit!
KURUTA
GROSSFÜRST
Wie? Nein, — ich bleibe. — Dorthin — und wozu?
610Mags brennen.
KURUTA
Was denn würden Hoheit sagen,
Wenn diesem einen, diesem ersten Brand
Der zweite folgte und der dritte, vierte,
Wenn aus dem unterirdschen, dunklen Land
615Ein Spiel der Flammen züngelnd sich entwirrte —?
GROSSFÜRST
KURUTA
Hm, — ja — ja — im ganzen
Ein Aufstand nur. — Was weiter? — Nun, es brennt. —
Ja, wenn dies Volk erst mal in Flammen steht,
620Wird jedes frische Grab zum Flammenquell.
Für uns wird es ein Totentanz.
GROSSFÜRST
Wir tanzen,
Das goldne Vlies um unsern Hals; wir schlagen
Den Alantei auf und auch sogleich erkennt
625Man uns als Diener Seiner Majestät
Des Kaiserlichen Herren. Kavaliere, —
Die sterben nicht, die fallen oder siegen.
Und wills der Zar, so werden wir berühmt.
GENDRE
Und wills der Zar nicht —?
KURUTA
630
Bleiben wir ihm treu.
GENDRE
verlässt den Salon.
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
635
Hm, — könnte Er wie ein gewisser Fürst
Zarudzki eine Dirne sich entführen
Und dann im Kreml nach der Krone greifen?
KURUTA
Hoheit sind Herr, — ich Diener.
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
KURUTA
Klug, wenn man mirs befiehlt.
GROSSFÜRST
Ah, schlauer Grieche; merkt doch gleich am Ton,
Woher der Wind weht, — und wohin man zielt.
645Ich plaudre gern …
KURUTA
Gewiss, so ganz sans gêne.
GROSSFÜRST
Halts Maul. Hinaus. — Und dienen … dienen, wie …
KURUTA
GROSSFÜRST
Ja. — Sag Er, hätte Er wohl die
650Courage, ins Feuer für den Zar zu gehn?
KURUTA
Auch für des Zaren Bruder, wenn ers soll.
GROSSFÜRST
Den Dolch ins Herz, in Blut getränkt, —
Und dann das Kreuz, das goldne Kreuz;
Hm, — Er wird bleich? Erst wird der Zar
655Ihn hängen lassen, doch dann schenkt
Das Kreuz er. — Ah, — Scher Er sich. Pascholt! — —
Adieu, — hier meine Hand, — Adieu, Kamerad.
KURUTA
GROSSFÜRST
Ich bin ein Philosoph, — es war
660Von jeher meine Art, im Finstern so
Mir meine Menschen auszusuchen, — Männer;
Die schöne Seele wittr' ich stets, — auch wo
Sie nur in lumpiger Umhüllung wandelt.
KURUTA
Hoheit waren stets ein Menschenkenner.
GROSSFÜRST
665
Ich will Ihm was erzählen, — ja — und zwar
Kameradschaftlich. — Er fürchtet sich doch nicht
Vor Strafe?
KURUTA
Hols der Satan! Um was handelt
Sichs denn?
GROSSFÜRST
KURUTA
lacht auf
GROSSFÜRST
Hinaus! — Was lacht
Der Satan?
KURUTA
schweigt.
GROSSFÜRST
673Weg! Kann Ihn nicht brauchen.
KURUTA
bleibt.
GROSSFÜRST
Weg!
675Hinaus! Fort zu den Karten.
Stößt Kuruta zur Tür hinaus; allein; klopft an die Tür links.
In der Türe erscheint
JOHANNA
geht bis zur Mitte des Salons.
GROSSFÜRST
schließt sämtliche Türen; geht zum Schreibtisch
Seit frühem Morgen schieb ich es hinaus
Und gestern schon den ganzen Tag und auch
Vorgestern bis zu diesem Augenblick,
Da der Begebenheiten Uhr die Stunde
680Für mich und jene kündet.
Schlägt mit der Hand an den Schreibtisch
Hier, — des Kaisers Brief.
JOHANNA
GROSSFÜRST
Seines Bruders. Die Ernennung.
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
Schweigen,
690Und ein Geheimnis, — unumschränkte Macht, —
Komödie, — Schmutz! Ich stehe heut …
JOHANNA
GROSSFÜRST
Ich packe zu, — und liefere die Schlacht,
In Blut getaucht erschein ich euch und hole
695Dem Polen seine Freiheit von den Sternen, —
Und werde selber was, kein Narr, kein Popanz,
Lakai des Zaren, werde selber Zar
Von Polen, — durch das Blut, —
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
Du winselst und du fluchst.
GROSSFÜRST
Hör zu, — und schweig, — ich scherze nicht; du suchst
705Vergebens dich zu täuschen, ich bin doch
So wach wie nie und werde löwenstark,
Ich dürste heut nach Blut, — nach Kampf, — ich roch
Blut in der Luft. — Ein Gott werd ich durch dich.
JOHANNA
GROSSFÜRST
710Du Schöne, — leise, — leiser sprich,
Denn jedes Wort von dir erdrückt, zermalmt.
Hör mich, — und schweig. — Wir sahen einen Krieg,
Und werden ihn jetzt abermals erleben.
Du Herrliche, Erhabene wirst Zarin; — —
715Ich sehe schon den Purpurbaldachin
Sich über deinem Haupte neigen
Und einer Krone selten kostbar Gut
Wird dir zu eigen.
Du bist mein Weib. — Krieg, Krieg und Blut.
720Die Polen gleichen Löwen, alles werden
Sie sich erstreiten und wie Eiskristalle
Durchdringen und durchbohren sie die Erden.
Wie denn? Des Kaisers Adler wären tot?!
Nun, Polin?!
JOHANNA
725
Oh, mein Herz sieht klar. Ein Traum, —
Du, — du — was spinnst du — —?
GROSSFÜRST
JOHANNA
Wider den Bruder — du, der Bruder — —
GROSSFÜRST
War
730Er Zaubrer dir?! Glaub mir, — ein solches Wort,
Wie ich es sprach, hört es der Zar, der Schaum
Von seinem Munde würde Tausende
Vergiften. Ah! Der eifersüchtige Zar, —
Ich werde mehr als er, ja, denn ich bin
735Von Polen König — und dein Glaube ist
Mit mir. Nun sprich! Begreifst du jetzt den Sinn —?
JOHANNA
GROSSFÜRST
Meine Stunde nahet nun!
Wie? — Nur dahin mich deine Stimme wies.
740Bin ich gegangen. Polin, du.
JOHANNA
Ah! Hysterie.
Du spielst Komödie und willst mich betrügen.
Gib mir den Brief, — ich will ihn lesen…
GROSSFÜRST
entnimmt den Brief dem Schreibtisch und gibt ihn ihr
Lies.
745Was weißt du nun? Plein pouvoir. — Wie?
Ah, du begreifst. — Nun sprich, so sags doch, — du,
Schrei es hinaus, dein Blut, es wallt. Du stehst
Vor mir, das Messer in der Hand. — Stoß zu!
Wie? — Was? —
JOHANNA
GROSSFÜRST
Aha! Du fürchtest dich. —
Wovor —? Wie leuchtet, Polin, deine Seele,
Du strahlst, in deinen Augen sprühen Funken,
Da brennts, da loderts, — purpurflammentrunken.
755Sag, — hättest du wohl Lust — von Meer zu Meer?
Nun breite deine Schwingen aus, — flieg her.
Verbirg dich nicht, ich weiß, du leidest Qualen
Und glühst in Schmerzen, — heilige, keusche Glut —
Vestalin du, — du Reine, — lausche gut
760Mir die Gedanken ab.
JOHANNA
Du Bankrottier.
Spielst mir Komödie vor, — geh weg von mir.
Du lachst des Herzens und der Seele.
GROSSFÜRST
Puppe, —
765Du Wunderbild, — geraubtes Kleinod Polens,
Wie stolz du bist, wie herrlich, und wie bleich.
Wer bist du? Meine Sklavin. — Nun, ganz gleich
Auch meine Gattin. Ja. — So liebe mich!
Der Genius ist erwacht in mir; — versprich
770Mir, dass du meiner denkst; denn sieh, der Geist
In mir erwachte, — und er weist
Heut zu den Höhen. Meine Seele irrte
Und taumelte in Elend, in dem Schmutz
Gemeiner Freuden, — ja —, ich war ein Lump;
775Doch du, — du heiligst mich, — du wunderbare Reine,
So jung und unberührt warst du die Meine. —
Bist meine Sklavin. — Gib mir deine Lippen,
Lass mich den heißen, süßen Atem trinken,
Mich dürstet nach der Reinheit deiner Seele
780Und nach dem roten Mund. — Du sollst versinken
In meinen Armen und die Lilien blühen
Als Hochzeitsfackeln in der Liebesnacht. —
Gib deine Lippen.
JOHANNA
GROSSFÜRST
785
Die Wangen glühen,
Dein Blut —
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
790Ah! Du wirst die Wollust preisen, Weib,
Mir danken, — bist ja Weib, du fällst …
JOHANNA
GROSSFÜRST
Du bist so schwach, — du Blume, — deinen Leib
Will ich erschließen, er soll duftend sein. —
795— Dirne! Scher dich hinaus.
JOHANNA
geht.
GROSSFÜRST
JOHANNA
steht.
Schweigen.
GROSSFÜRST
senkt den Blick; steht willenlos.
JOHANNA
wendet den Kopf nach dem Fenster
Stehn dort nicht Menschen —?
GROSSFÜRST
Unbeweglich
Wie es mich quält. Ich muss jetzt ernstlich an
800Das Werk; muss handeln, muss Befehle geben.
So vieles muss man können, wissen, man
Muss überwinden sich und muss daneben
Verdacht verscheuchen und die Schatten bannen. —
Wer ist mein Feind —?
JOHANNA
GROSSFÜRST
Scharf
Zärtlich
Komm. Verlangt es dich denn nicht
Nach meinem Kusse? Liebe, — Traum, — du jagst
810Gespenstern nach im Garten.
JOHANNA
Schwarz umrissen
Dort auf den Wassern Nebelstreifen, — dicht
Beim Monument ein Schatten.
GROSSFÜRST
Träumerin, —
815Du Süße, — jagst die Schatten, ah, ich bin
Verloren, wenn der Geist mir nicht erstarkt.
Sich ins Gewaltge weitet. Heut verspürte
Ich einen Hauch von Größe, — eingesargt
Lieg ich nun tief, — ich war zu schwach, zu klein, —
820Ich bin ein andrer heut als sonst, verstehe
Mich selber nicht. Erhabne Größe sehe
Ich und erzittere…
JOHANNA
Myriaden Sterne —
Sie funkeln…
GROSSFÜRST
825Nicht auf Erden weilst du, nein,
Jenseits der Grenzen, — dort — ganz weit, — ganz ferne.
JOHANNA
GROSSFÜRST
Die Schatten an den Fenstern dort —
JOHANNA
GROSSFÜRST
830Wachen sind am Eingang
Postiert. — Du liesest Lamartine —
JOHANNA
Ich fing
Heut morgen an. Erhabne Harmonien
Der Sphären schwingen in den Weltenraum
835Und Gott scheint grenzenlos. Die Seelen ziehen
Über den Wassern hin in heilig reiner
Erhabner Liebe, still und ohne Sünden;
Und denken morgens, denken abends seiner.
GROSSFÜRST
So träumst du und siehst Menschen, wo sie nicht zu finden;
840Die Lebenden gewahrst du nicht.
JOHANNA
Ein Traum; —
Mit Seelenaugen les ich im Gestirn, —
Und bin so dankbar…
GROSSFÜRST
Ja, dem französischen Grafen mit dem Hirn
845Der Eule und dem Weibsgefühl. — Umstellt
Von zwei Schwadronen ist der Park, hierher
Kommt niemand. — Oder doch? — Was meinst du wer —?
JOHANNA
Niemand. — Vielleicht sinds auch die Bäume nur
Die rauschen —? Immer dichtrer Nebel fällt, —
GROSSFÜRST
850
An deiner Wimper hängen Tränen.
JOHANNA
GROSSFÜRST
Ich bin dein Sklave, — ich bin schwach,
Bin wieder gut, — und bin gerührt, — ich küsse
855Dich wieder, komm, — vergib.
JOHANNA
Das Monument
Dort in der Ferne bannt den Blick und mit
Geheimem Zauber lockt das Bild.
GROSSFÜRST
JOHANNA
860
Ich gehe in den Garten, — —
GROSSFÜRST
stampft mit dem Fuße.
Keinen Schritt.
Du bleibst.
JOHANNA
Gut denn. Ich bleibe schon — und du,
Woran denkst du —?
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
Ein Zauber weht, — du weißer Zaubrer du, —
Du Heiliger und Krieger. — Hörst du …?
JOHANNA
GROSSFÜRST
870
Es raschelt in den Zweigen. Es ist der Wind. —
Wie alle Schatten dort lebendig sind
Im Garten.
JOHANNA
GROSSFÜRST
Du bist
875Verliebt in diesen kalten Stein …?
JOHANNA
GROSSFÜRST
Ich stürze ihn von seinem Pferd herab.
JOHANNA
Ich seh ja nicht mehr hin.
GROSSFÜRST
JOHANNA
verächtlich
GROSSFÜRST
Ich lasse ihn vergolden und
In purem Gold soll er dir leuchten, — dann
Will ich mich mit ihm messen — Aug in Auge,
Der Held —
JOHANNA
GROSSFÜRST
Packt ihr Handgelenk.
JOHANNA
GROSSFÜRST
Du stolzgenährte Seele du,
890Bist schwach —, schließ, Blume, deine Kelche zu.
Du glühst und diesen Purpur hat auf deine Wangen
Gezaubert heißer Wünsche heimliches Verlangen,
Die der Erfüllung harren; regenbogengleich
Malst du das Wolkenmeer mit bunten Lichtern
895Und jeder Windstoß scheucht den Glanz hinfort.
Du arme Blume, hauchverwirrt und schüchtern
Schwankst du entwurzelt heimatlicher Erde,
Und Polens Zauberduft umwebte dich,
Ließt dich berücken, glaubtest dich so reich, —
900Ich brech den Zauber. —
JOHANNA
GROSSFÜRST
Du Kurtisane, — deine Wangen brennen,
Du stehst in Flammen. — Komm nun —
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
Heilige Jungfrau! Nein —,
Erzwing es nicht.
GROSSFÜRST
910Den Zwang vergisst du bald. —
Wonach verlangst du denn? Dort —, in dem Zimmer
Seh ich dich schon in meinen Armen liegen,
Und dich in Ohnmacbt und in Wollust biegen.
Es ekelt dich? Ich kann nur lachen. Schlimmer
915Kann es nicht kommen, — du wirst trotzdem küssen,
Wirst schmeicheln, kosen, girren, und wirst schrein,
Haha! Was wirst du schreien.
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
920Du brichst sie mir entzwei.
O Schmach, o Qual!
GROSSFÜRST
Du sollst die Lust genießen,
Du Weib und schamhaft wie ein Mädchen, du, —
Du bist wohl eines Thrones wert, — wirst Zarin …
JOHANNA
sinkt zu Boden
GROSSFÜRST
Fluch nicht, — — wimmere nicht, —
Sei still —, ganz still —!
JOHANNA
GROSSFÜRST
Ah, wie schön du bist
930In deinem heilgen Zorn, in deinem Schmerz.
JOHANNA
GROSSFÜRST
Dummchen, — Tollkopf du,
Im Wahnsinn liegt ja meine Kraft, ich bin
Ein Löwe heut im Wahnsinn. — Könntest du glühen.
935O könnten Flammen lodernd dich umspielen,
Dir Hals und Nacken, deinen Leib umblühen,
Und könnten heiße Schauer deinen kühlen
Leib im Glutenrausch zerwühlen,
Dass du die weißen, weichen Arme mir
940Um meinen Nacken schlängst, mich trunken machtest
In nie verlöschender, glühender Gier,
Du, — könntest du —
JOHANNA
O diese Qual. Erbarmen!
Es schwinden mir die Sinne und mir graust. —
945Was schreist du so — gewaltig? — Es umbraust
Ein Sturmwind mich —
GROSSFÜRST
Ein Sturmwind — wie? — Ich wäre
Ein Sturmwind, — ein Orkan —
JOHANNA
Im Hof dort —? Höre —
950Ein Wimmern? — Rauschen so die Bäume —?
GROSSFÜRST
Es ist
Der Zauber. Träume nur, — in meinen Armen
Träum weiter, Seherin, verzaubert Weib.
Gib mir den Frieden meiner Seele wieder, —
955Gib deine Lippen —
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
Gib, — gib, — o küsse mich, — du mein Geliebter,
960Sei stark, o tu's — halt mich — vor meinem Blick,
In meiner Seele senkt die Nacht sich nieder;
Verwirrt die Sinne. Schwarze Nebel sanken
Vor Aug und Seele, — tot sind die Gedanken,
Tot, — nur ein Rauschen, — Sprühen — —
GROSSFÜRST
965Ah! du liebst,
Küss mich. —
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
JOHANNA
Was war das? — Ja. — Es pfeift der Wind, — es klirren
Die Fensterscheiben, — in der Luft ein Schwirren,
Ein Wispern und ein Schluchzen; — wer — wer — sinnt …?
GROSSFÜRST
JOHANNA
975
Ja, — es weht der Wind.
GROSSFÜRST
Du weinst. — Warum? — Weinst, weil du liebst. — Du Liebe,
Geliebte du, — du Priesterin der Liebe —
JOHANNA
Ich bin von Sinnen. Ja. — Du bist jetzt mein. —
Wer stöhnt dort drauß? Hascht des Windes Wehn?
980Wer flucht so böse, — flucht vielleicht dir — mir —?
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
Gib mir den Mund — er ist so heiß und rot, —
JOHANNA
Die Liebe zu mir ließ den Thron dich schmähn.
GROSSFÜRST
985
Ich werde dir erringen einen Thron
Und setze dir aufs Haupt das Diadem.
JOHANNA
Du mein — Geliebter — Herr —
GROSSFÜRST
Ich schenke dir
Ein Königreich —
JOHANNA
990
In St. Johannis Kirche.
GROSSFÜRST
JOHANNA
Die Krone ist erstanden.
Nicht erst seit heute fühl ich es und weiß
Und wünsche und verlange, —
995Und bebe und bange.
Du mein Geliebter, — Held, — du stießt ins Horn
Und riefst zum Kampf und alle fanden
Sich ein, — die Ritter all auf dein Geheiß.
Sie werden siegen! — Fürchterlicher Zorn
1000Packt mich, — Geliebter du, — erhebe
Dich und verdirb den Zaren,
Erwürge ihn, — zerschmettre ihn.
Entfache Stürme und belebe
Die Flammen. — Hab mich lieb,
1005Küss mich, — du — deine Lippen gib;
Sieh, wie die Flammen aufwärts glühen.
Denn alle sind bereit und harren! —
Empörung!!
GROSSFÜRST
JOHANNA
1010Ich weiß. — Dort in
Den Herzen lodert Glut. Dort draußen warten
Sie und vergehen fast. — —
GROSSFÜRST
Dort? — Wo? — Du rast, —
Du weißt nicht, was du sprichst. — Ein Aufstand, — wie?
1015Ein Aufstand, — wo? Du weißt? — Sprich nun —, du hast
Dich schon verraten.
JOHANNA
Sieh mir in die Augen.
Spion des Zaren. Oh, mein Traum —, gemein.
Du Lügner —, hast ja Angst, du Feigling, denn
1020Du stehst allein — —
GROSSFÜRST
Ich bin allein. — — So habe
Ich mich verraten. — Wie? — Womit? —
Was war ich denn? — Du sprachst:
Spion des Zaren. Du, mein Weib,
1025Mein Liebstes auf der Welt, du brachst
Mir meinen Willen und den Leib
Hast du vergiftet. Und hast mich
Gestürzt. Ich wollte hoch empor,
Ich hatt den Willen, wollte zu den Höhen
1030Empor mich schwingen mit dem Adlerchor; —
Du wolltest es nicht dulden, aus der Seele
Zerwühlten Tiefen brachtest du ans Liebt
Nur das Gemeine. So bist du mein Feind. —
Und sah ich nicht
1035In Ohnmacht dich zu meinen Füßen liegen, —
Um Liebe flehen?
Was weiß ich? Kann ich mich betrügen —?
Ein Zauber geht jetzt um, —
Du Göttliche, — du Heiligtum. —
Er läutet.
JOHANNA
ist ohnmächtig zusammengebrochen.
GROSSFÜRST
schließt alle Türen auf; führt sie in die anstoßenden Gemächer.
HOFDAMEN
eilen herein, bemühen sich eine kurze Weile um die Ohnmächtige,
entfernen sich dann wieder.
GROSSFÜRST
kehrt eilends in den Salon zurück; tritt an die Schwelle eines der
Seitengemächer, unterhält sich mit jemandem in der Tür, kehrt
nach einer Weile in den Salon zurück.
Mit dem Fürsten tritt ein
GENDRE
senkt den Kopf.
GROSSFÜRST
1040
Was sagt er? Tödlich? — Hm. — Der General?
GENDRE
Warum bin ich denn nicht gestorben?
Ich Feigling. — Ah —, und Eure Hoheit sind …
Wir sind ja alle feige, — alle sind
Wir so gemein, — verdorben.
1045Mag jeder, was er will, sich nehmen,
Jeder; — wer mag; — auch Gott.
Ich will mit vollen Händen verschwenden —
Und mich nicht schämen. —
Ein jeder werde satt, — wer nimmt, der hat. —
1050Greift zu, ihr Engel, Teufel, Gott und Zar.
Das Herz muss schweigen, — still, — mir war
Ein Herz zu eigen — und ich hab gefühlt.
Ha, ha, heut trag ich eine Uniform
Und Ordenssterne zieren mich; —
1055Auch Eure Hoheit schmücken sich
Mit einem Stern, — wie brennt die Stirn so heiß, — —
Lehnt seine Stirn an des Fürsten Brust
Ich will die Stirne kühlen, — o wie kühlt
Der Stein — und das Emaille — Beweis
Der Kaiserlichen Gnade, — o wie schön —
GROSSFÜRST
GENDRE
Wie doch von einer Krone,
Von einer Zarenkrone Zauber wehn.
GROSSFÜRST
Bist du sentimental oder betrunken?
GENDRE
GROSSFÜRST
1065
Beleidigt —? Nun, schon gut, ich sehe,
Es ist nur Rührung, — Sentiment, — gewiss;
Er hat vor mir sein Herz geöffnet, bis
Geheime Töne daraus sich entrangen.
Für wessen Ohr erklangen
1070Die schmerzlich wehen Töne —? General,
Ich sehe an seiner Seite harten Stahl,
Ein Degen — wie?
GENDRE
Wer hat aus meiner frommen
Brust mir das Herz gerissen?
1075Sind Mörder über mich gekommen,
Da schwach ich ward im Geist — —?
Der Zar hat alles mir genommen,
Sei's drum; — ich steh am Grabesrand, —
Wer reicht mir heute helfend seine Hand
1080Und führt mich zu der reinen Quelle,
Daraus die Seelen klare, helle
Fluten des Vergessens trinken —?
Da doch die Seele schmachtend kreist —
GROSSFÜRST
Wie? dir — dir, meinem Bruder, winken
1085Des Jenseits stille Lande?
Wer zwingt dich denn?
GENDRE
Der Geist. —
Ich sehe hier nur Schmach und Schande, —
Schamlosigkeit, — dort in der Ferne gleißt
1090Des neuen Lebens heller Morgenstrahl;
Hier atmet die Gemeinheit, Schmutz und Qual,
Jenseits des Grabes fließen keusche Tränen,
Und reine Trauer zeugt ein reines Sehnen …
GROSSFÜRST
So nehm Er Urlaub, — warte Er ein wenig, —
GENDRE
1095Urlaub der Seele. O entlasse sie
In Gnaden, Herr, und lass sie dorthin eilen, —
Dort weit hinaus — —
GROSSFÜRST
Du Tölpel —, wie
Wärs mit einem Teorban, du langweilst dich;
1100Wenn Glöckchen läuteten, — vielleicht behagte
Dir die Musik, — vielleicht könnt sie dich heilen.
Und wenn ich wie Mazeppa dich, — du weißt —
Auf einem Pferde durch die Steppe jagte,
Du wärest ein Zentaur, — und wie ein Geist
1105Flögst du dahin durchs Dickicht, — eine Laura,
So ein verliebtes Ding mit aufgelösten Haaren
Setzte dir nach, — trotz Stürmen und Gefahren —
Dir immer nach — dem Liebsten…
GENDRE
KURUTA
ist leise eingetreten und flüstert dem Fürsten ins Ohr
1110Votre Majesté, der Mann —
GROSSFÜRST
Zu Gendre
Zu Kuruta
Lösch Lichter aus. Auch ohnehin
Sieht mir der Kerl zu viel.
KURUTA
GROSSFÜRST
Was weißt du? Niemand ists.
GENDRE
Geht ab.
GROSSFÜRST
Ein Lump, ein Scheusal und ein Schuft, —
Doch wertvoll macht ihn eben sein Gemüt.
MAKROT
tritt ein
KURUTA
MAKROT
Ein Wörtchen für den Fürsten.
KURUTA
MAKROT
KURUTA
Du hör, ich hab die Stelle dir verschafft.
MAKROT
1125
Die füll ich redlich aus und bin diskret.
KURUTA
Flüstert mit dem Fürsten; zu Makrot
MAKROT
Hm, — Worte, — Gesten, — Schatten.
KURUTA
Wer wird denn daraus klug?
MAKROT
1130Das böse
Gewissen. Denn wer Angst hat, dem genügt
Auch eine Geste, eine einzge nur,
Wenn sie bedeutend ist. Denn wer zu raten
Versteht, der findet gleich die richtge Spur
1135Aus einem kleinen Wort, das halb gesprochen,
Aus einer Geste, die erst halb getan,
Und die noch beide tief im Geiste hämmern,
Noch unbefreit im Dunkel dämmern,
Das Blut vergiften und das Mark durchfressen,
1140Die üppig wuchern und den Blutlauf stören,
Gefühl und Denken, Sehen, Hören
Betäuben, wie ein Alp die Brust beschweren,
Zu Boden drücken und in nächtgen Bann
Die Seele schlagen. —
KUKUTA
1145
Ja —, die treuste Seele,
Die haben wir. — Gib deine Hand, —
Na, — auch den Mund, — so nun erzähle,
Was du entdeckt, erraten und erdacht.
MAKROT
Erst eine Bande. Möglich dass sichs macht. —
1150Man muss mal hin und muss sie hören sprechen.
KURUTA
MAKROT
GROSSFÜRST
MAKROT
GROSSFÜRST
MAKROT
Sie —? — Ein Verbrechen.
Begeben Hoheit selber sich dorthin,
So werden Hoheit mir dann glauben, sich
Auf mich verlassen …
GROSSFÜRST
1160Wie auf Sancho Pansa.
Sinds viele, die zusammenkommen?
MAKROT
Nun, —
So eine Handvoll, nicht grad viel, auch nicht
Grad wenig. — Es kommt drauf an.
GROSSFÜRST
1165
An welchem Orte
Versammeln sie sich?
MAKROT
Wer grad kommt, der spricht.
Was sie im Schilde führen, ist gar leicht
Aus ihren leisen Heden zu entnehmen,
1170Spitzt man die Ohren nur, gibt man gut acht.
Es sind zwar immer abgerissne Worte,
Die man vernimmt, jedoch der Sinn, der gleicht
Sich.
GROSSFÜRST
Ginge ich allein dorthin … ?
MAKROT
1175Es macht
Wohl schlechten Eindruck. — Gott, ich muss mich schämen,
Mein Anzug ist zerlumpt, dass nicht zu sagen,
Ich gleiche Bettlern, pfui —, ich darfs nicht wagen,
Bei Tage herzukommen, denn mit Hunden
1180Hetzten mich die Lakaien aus dem Haus.
Was hilfts —? Ich muss doch leben für die Kinder, —
Mein armes Herz, es lebt und weiß und fühlt —
GROSSFÜRST
MAKROT
Wichtig ist die Sache, spielt
1185Sich im Verborgnen ab und ist nicht minder
Ganz öffentlich.
GROSSFÜRST
Warst du denn selber dort?
MAKROT
KURUTA
GROSSFÜRST
MAKROT
Es ist die Kloake
Auf der Johannisstrasse.
KURUTA
lacht
MAKROT
Ein Komplott
Hab ich entdeckt. — Bald bring ich die Beweise.
GROSSFÜRST
1195Du Schuft, du willst, ich sollte in den Kot —?
MAKROT
Es fallen über Hoheit Worte, — leise
Doch schmutzge Worte.
GROSSFÜRST
Ist das, Lump, ein Grund,
Um mich mit diesem Unrat zu bewerfen?
MAKROT
1200
Bitterkalt wars, — mich hungerte, — ich stand
Auf meinem Platze, rührte mich nicht fort;
Mit Wollust hascht ich jedes ekle Wort,
Das seinen Weg zu meinem Ohre fand,
Und wiederholte mir im Geiste: Bleib,
1205Bleib noch ein bisschen, warte noch und lausche, —
Bedenk, du stehst ja nicht zum Zeitvertreib,
Empfängst Dukaten hinterher — zum Tausche
Für jede Botschaft, — goldene Dukaten.
GROSSFÜRST
Nun und? — Was denn? — Was bringst du also? — Was?
MAKROT
1210
Nur immer lauschen, — bis zum Halse waten
In Schmutz und Ekel; — was bedeutet das?
Ich leb davon und — Eure Hoheit zahlen.
GROSSFÜRST
wirft ihm Geld hin
MAKROT
„Er hat sich mit dem Bruder
1215Wieder versöhnt, — und spielt jetzt nur Komödie, —
Vom Zaren kam ein Brief, — noch heute gilt es”, —
Sehn Eure Hoheit hier auf meiner Stirn
Die Tropfen …
GROSSFÜRST
MAKROT
1220„Schlagt heute noch dem Luder
Den Schädel ein.”
GROSSFÜRST
MAKROT
GROSSFÜRST
MAKROT
Klar, — da ja noch anderer Beweis
Vorhanden ist, dass heute — noch so manches
Sich soll ereignen und — man ferner weiß,
Auch was und wo — und muss doch dran ersticken.
GROSSFÜRST
1230Was denn? — Was? — Scher dich weg! — Doch halt. — Nein, bleibe
Noch. Ich erteile dann Befehle. — Ach,
Wie angenehm ich mir die Zeit vertreibe, —
Und ihr, — ihr ängstigt mich. Soll ich denn nie,
Niemals zur Ruhe kommen, stets in Schach
1235Gehalten werden. — Wer hält mich in Schach?
Ihr. — So ein Wahnsinn. —
MAKROT
Zu den Gräbern wandern
ln Scharen sie und beten dort am Tag
Der nationalen Trauer, wie sie's nennen.
1240Da geh ich mit und singe mit den andern —
Und wein auch mit, — nun ja, man muss das können.
Und im Notizbuch schreib ich heimlich fromm
Die Namen derer auf, die auf den Knieen
Gebete murmeln, weinen — und so komm
1245Ich dem Komplott allmählich auf die Spur, —
Dort auf dem Friedhof ohne große Mühen,
Da kalter Wind durch schwanke Äste fuhr
Und Blätter fielen … — Die Notizen.
Holt Papiere hervor
Wie? —
1250Ein ganzer Stoß? — Wenn Hoheit der Erinnrung
Geruhen Raum zu gehen, — November ists …
GROSSFÜRST
Ja, der November ist gefährlich für
Den Polen.
MAKROT
GROSSFÜRST
1255
Du siehst
Gespenster.
MAKROT
Nun, da wir November zählen,
Hab ich ein scharfes Ohr. Ists doch die Zeit,
Da sich die Toten aus den Gräbern stehlen
1260Und mit den Lebenden wie Brüder — weit
Über die Felder wandeln.
KURUTA
lacht laut auf.
GROSSFÜRST
lacht
Du Poet.
Ein neuer Lamartine vielleicht. — Sieh an,
Ein Spitzel und Ästhet, — So? — Ein Komplott, —
1265Und täglich ein Komplott …
KURUTA
GROSSFÜRST
KURUTA
MAKROT
KURUTA
1270
Spinnt sich etwas an.
MAKROT
GROSSFÜRST
Alles ist verflogen
Am Morgen, denn der Nacht Gespensterbann
Zerbricht beim ersten Grauen, — Eulen ihr,
1275Ihr Spukgesindel, alles ist gelogen,
Ich glaub euch nicht ein Wort, — haha.
KURUTA
Ja, für
Hoheit gibt es keine Furcht, — ich weiß —
Der kriegerische Geist, nun ja, — nun gut. —
1280Es muss der Tagsbefehl erlassen werden,
Dass alles ruhig bleibe, auch das Blut
Und auch der Geist. — Les ich es schwarz auf weiß
Erst im Befehl, verfliegen die Gespenster.
GROSSFÜRST
KURUTA
1285Ich bin auf alles schon
Gefasst. — Doch wer ist morgen hier der Herr —?
GROSSFÜRST
Hier herrsche ich. In meiner Gegenwart
Von einem andern Herrn — keinen Ton.
KURUTA
Ich dachte ja nur an den Zaren.
GROSSFÜRST
KURUTA
Jenun, — ich dachte nur an einen Staatsstreich.
Ich hörte an der Tür, — ganz par hazard, —
Oh, ich verstehe, die Idee sie war
Genial.
GROSSFÜRST
1295
Du hast gehört? — Ich lass dich knebeln,
In Ketten legen, Schurke.
KURUTA
GROSSFÜRST
Erfährt nichts. — Du Spion,
1300Ich lass dich hängen. — Ihr Spione alle,
Weg, weg von mir — ihr saugt mein Blut, — ein Hund
Kommt ihr gekrochen, wedelt, wartet bloß,
Mein kaiserliches Blut zu lecken und
Ihr leckt und schlampft, ihr habt die Seele mir
1305Umkrallt und lasst sie nicht mehr los.
Ihr haltet mich und schleppt mich, — Teufel ihr,
In tiefste Nacht. —
Jagt sie beide hinaus
Ich bin allein, — entblößt —
Von wo kommt der Erlöser mir? Und wer
1310Wirds sein, der mich erlöst — —?
Feuerschein draußen
Was ist das? — — Eine Feuersbrunst, vorbei, —
Erloschen, — wieder sprüht die Garbe Funken. —
Kein Laut. — Und immer Nacht, so taub und leer.
Er klingelt.
DER OFFIZIER VOM DIENST
tritt ein, — salutiert.
GROSSFÜRST
DER OFFIZIER VOM DIENST
1315
Zum Rapport. — Der Brand gelöscht; —
Auf Solec brennt allein noch eine Miete, —
Nur etwas Stroh.
GROSSFÜRST
Strohfeuer, — und erloschen, —
DER OFFIZIER VOM DIENST
Zurück die vier Schwadronen.
GROSSFÜRST
DER OFFIZIER VOM DIENST
GROSSFÜRST
Wie —? — Nichts, — haha, — Gesichter — —
Ist unbekannt; gut, — ist ja alles nichts. — —
Wer so nach etwas lüstern ist, — — — Was? — — Wie?
Zum Offizier
1325
Einziehn die Wachen. Alles gehe schlafen.
DER OFFIZIER VOM DIENST
salutiert; — geht ab.
GROSSFÜRST
klatscht in die Hände.
LAKAIEN
erscheinen in der Tür.
GROSSFÜRST
PERSONEN DER DRITTEN SZENE:
- Sewerin Goszczynski
- Ludwik Nabielak
- Erster Fähnrich
- Zweiter Fähnrich
- Verschworene
- Demeter
- Kora
- Hekate
- Eumeniden
- Hochzeitsgäste
AM DENKMAL SOBIESKIS
GOSZCZYNSKI
Es rauscht der Wind, ein Schluchzen geht
Bei jedem Windstoß durch den Garten…
ERSTE STIMME
ZWEITE STIMME
1330Horch, sind das nicht Schritte…
DRITTE STIMME
Im Schloss verlöschen sie die Lichter.
GOSZCZYNSKI
Der Nebel fällt. — Bist du es, Bruder?
ERSTE STIMME
GOSZCZYNSKI
ERSTE STIMME
GOSZCZYNSKI
Die Bäume klagen, — Harfenklang —
Der Garten stöhnt — gespensterbang.
ERSTE STIMME
Wenn nun der Fürst erwacht…?
ZWEITE STIMME
Wenn sie nun gar nicht kämen —?
GOSZCZYNSKI
1340
Unruhe brennt mit Feuersmacht
Die Herzen; Wut
Entfacht das Blut.
Der Schwur, — ein billig Wort — erstirbt!
Die Saat verdirbt.
ERSTE STIMME
GOSZCZYNSKI
DRITTE STIMME
Es ist die alte Melodie, —
Die Bäume rauschen nur.
ERSTE STIMME
GOSZCZYNSKI
1350
Verzaubert spricht
Der Garten —, die Natur.
ERSTE STIMME
Wir schlagen zu und stechen rings
Und spalten rechts und brechen links.
GOSZCZYNSKI
Die Zweige deckt der weiße Reif,
1355Es breitet sich der Nebelstreif.
ERSTE STIMME
ZWEITE STIMME
ERSTE STIMME
Wie dunkel
Es ist. Kein Lichtstrahl von den Sternen…
GOSZCZYNSKI
1360
Erbarm dich meiner, du mein Gott. —
Glaubst du, sie haben die Kasernen
Erreicht?
ERSTE STIMME
GOSZCZYNSKl
Mein Tod
1365Ist diese Stille. — Niemand weit und breit.
ERSTE STIMME
GOSZCZYNSKI
ERSTE STIMME
Zwei Stunden schon vergangen sind,
Ich steh im Schnee, dem weißen …
GOSZCZYNSKI
1370Schweig. — Flammen schlagen an die Brust,
Die Hand zuckt kampfbereit.
ERSTE STIMME
In das Palais zu dringen, welche Lust,
Den Schuft aus seinem Bett zu reißen.
ZWEITE STIMME
Wenn wir ihn nun ergreifen —?
ERSTE STIMME
1375
Wenn er zu fliehn vermöchte —?
DRITTE STIMME
Ein dichter Nebelstreifen
Senkt sich hernieder.
GOSZCZYNSKI
Wie Adler schweben wir im Wolkenmeer.
Die Bäume flüstern, — Äste bloß und leer
1380Und Sträucher strohbedeckt.
Aus schwanken Träumen aufgeweckt,
Stehen gleich uns im Garten
Und warten
Voll banger Ungeduld.
DRITTE STIMME
GOSZCZYNSKI
Und der Wind rauscht fort …
ALLE
Es steht die junge Heldenschar
Im Garten und sie spinnt
Gedanken, die gar schmerzlich sind.
Die Bäume rauschen seltne Melodien,
Die durch den Garten, durch die Herzen ziehen.
Das Monument erglänzt in wunderbar
Geheimnisvollem Glühen.
GOSZCZYNSKI
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
1390
Als lenkt er unsern Sinn.
NABIELAK
Er denkt und fühlt wie wir.
GOSZCZYNSKI
Sieh, wie die Hand ihm bebt.
NABIELAK
Im Mondenlichte webt
Der Bäume Schatten um ihn her,
1395Huscht über seine Schulter bin.
GOSZCZYNSKI
Wie Schnee so leuchtend weiß steht er…
NABIELAK
Er weist dorthin, sein Auge lebt.
GOSZCZYNSKI
Sein Blick bannt mich am Boden fest.
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
1400Sieh, er erbebt,
Sein Pferd bäumt sich —!
NABIELAK
Ein Schatten trägt
Ihn auf und ab.
GOSZCZYNSKI
Zwei Frauen nahn sich sonderbar,
Sie gehen durch die Mitte, durch die Jünglingsschar,
Und gehen langsam, eng umschlungen…
Gar seltsam das Geheimnis war,
Das diese Nacht gesungen.
DEMETER ABSCHIED VON IHRER TOCHTER KORA
KORA
1405Weh! Orkus führt in dunkle Nacht,
In Stürme mich, in Schauer.
Erblick nicht mehr der Sonne Pracht,
Nicht deine Augen und nicht lacht
Dein Mund mir mehr, in Trauer
1410Verlass ich, Mutter, dich.
DEMETER
Leb wohl, o Tochter, teures Kind;
Es wartet Orkus, Orkus wacht,
Dass er sein Weib gewinnt.
Du trittst ins Reich der Toten ein,
1415Vermählt dem dunkeln Los,
Und unentrinnbar, mitleidslos
Umfängt dich ewige Nacht.
Gedenk der Tränen, die ich weinte,
Da noch das Licht mich dir vereinte,
1420Denk meines Kummers, meiner Pein.
KORA
Es ruft mich Orkus und ich kehre,
Die Gattin, heim und kannte nur
Ein Glück, da Blum und reife Ähre
ln Frühlicht tauchte die Natur,
1425Da ich bei dir, o Mutter, weilte.
Es ist vorbei, die Zeit enteilte,
Die Abschiedsstunde eint uns beide
Noch auf dem Weg zur Unterwelt;
Wir ziehen klagend; weh dem Leide, —
1430Ich bin der Unterwelt vermählt.
DEMETER
Küss mir die Lippen, küss die Augen;
Auf deinem Antlitz zuckt ein Bangen,
Bin fahles Bahrtuch hüllt dich ein,
Und doch blühn Rosen auf den Wangen.
KORA
1435
Wie kann das Brauthemd mir wohl taugen.
Das Tränen spannen, Leid gewebt,
Wie kann der Kranz mich glücklich finden,
Den Dienerinnen für mich winden
Aus Totengrün im düstern Hain?
1440Kann ich dem Schicksalsruf entfliehen?
Kann ich entgehn der Hochzeitsnacht?
Ich muss in Gattenliebe glühen,
Verzaubert durch der Liebe Macht.
Ich brenne schon und es umfluten
1445Verschwiegen mich die heilgen Gluten
Und meine Sehnsucht ist erwacht.
DEMETER
Geliebte Tochter, lebe wohl;
Der Mutter Herz willst du verschmähen.
Nicht werd ich mehr der Haare Fluten
1450Zum Kranz dir flechten, nicht mehr sehen,
Wie deine jungfräulichen Glieder
Ein schön Gewand und Putz verziert.
Du lässt die Mutter, kehrst nicht wieder; —
Doch nimmt michs wunder, sieh, wie wird
1455Dein Antlitz purpurn und du glühst, —
Liebst du, da du versprochen bist?
KORA
O Mutter, ich vergeh vor Scham
Und meine Brust ein Glühen weitet,
Dass mir durch euch die Liebe kam; —
1460Da ihr die Gattin heut geleitet,
So brennen meine Wangen heiß.
Ja, Mutter, ja ich liebe, — weiß
Das eine nur, eins, dass ich liebe.
DEMETER
Wie kann ich diese Fesseln lösen?
KORA
1465
Glaub nicht, sie drückten mich zu sehr.
DEMETER
Doch muss ich dich durch sie verlieren.
KORA
0 Mutter, — mit dem Sommer kehr
Auch ich zu dir zurück.
DEMETER
Bis dahin währt es lange Zeit.
KORA
1470
Bis dahin weil ich fern und weit
Als Dienerin und Frau.
DEMETER
Du solltest mit der Mutter weilen
Frei und als Jungfrau, nicht als Magd
In Orkus' Schattenreich.
KORA
1475
O Mutter, du vergisst, wie reich
Die Liebe mich gemacht.
Die Flammen lodern, lass mich ziehen;
Leb wohl, und kommt der Frühling wieder,
Will ich im Sonnenlichte glühen. —
1480Ich steig zum Reich der Träume nieder.
DEMETER
Ins Reich der Stürme zieht es dich,
Wo keine Sonne scheint.
KORA
Jährt nur der blühnde Frühling sich,
Sind beide wir vereint.
Sie steht von Purpur übergossen.
Löst aus der Mutter Arm sich sacht,
Und ihre Glieder sind umflossen
Von einem Kleid aus Tau und Nacht.
Sie steht gar sinnend und die Augen
Sind fast mit Tränen angefüllt
Und auf der Stirn, der düstern, weißen
Und in den Augen kann man lesen,
Dass ein Geheimnis sie verhüllt,
Das ihr zu hüten war geheißen.
Und doch, es scheint, als ob die Träne,
Die ihre müden Wimpern feuchtet,
Von frohem Glanze wär erleuchtet.
Sie hebt den Finger jetzt zum Munde
Und gibt der Mutter solche Kunde:
KORA
1485Weißt du noch, Mutter, wie im Sommer
Ich lachend unter Blumen weilte
Und von den Feldern zu dir eilte
Im Blumenschmuck und sang und sprang?
DEMETER
Umsonst sprichst du vom Tag der Freude
1490Am Tag der Tränen, da du heute
Verlassen musst des Tages Licht.
Da deine Mutter dich verliert,
Weil Orkus dir den Brautkranz flicht
Und übern Styx dich mir entführt
1495Zum schwarzen Hadesthron.
KORA
O Mutter, Hymen wird mich leiten
Und meinen Hochzeitszug bereiten,
Die Hochzeitsfackeln werden lohn.
Den Dienern legt er duftge Kränze
1500Aufs Haar und stimmt das Hochzeitslied
Im Zuge an, da ich die Grenze
Beschreite und die Königin
Ins Land der Träume zieht.
DEMETER
Schlägst dir die Mutter aus dem Sinn;
1505Die Fackeln, die dir flammend leuchten,
Erlöschen auch.
KORA
Im Lenz, da Eiskristalle tauen,
Da erster, lauer Windesbauch
Das Feld bestreicht, wirst du mich schauen.
DEMETER
1510Du gehst, — die letzten Augenblicke
Darf ich dich lebend vor mir sehn.
KORA
Ich geh entgegen meinem Glücke.
DEMETER
Du gehst den Weg, den Tote gehn.
KORA
Will ein Geheimnis dir enthüllen:
1515Ich bin nicht arm, der Unterwelt
Geräumge weite Speicher füllen
Der Saaten und der Früchte viel.
Von jeder Frucht den Samen hält
Man dort verborgen, jedes Korn
1520Wird aufbewahrt, — ein ewger Born
Des ewgen Werdens. Sieh, ich will
Ans Licht sie bringen, sie zum Leben
Erwecken, dass sie Früchte geben.
DEMETER
Sieh, alle Triebe müssen sterben,
1525Da nächtens kalte Winde wehen.
Sieh, wie entblößt die Bäume stehen.
KORA
Gedenke, Mutter, früher Saat.
Ich muss von dannen, ich muss gehen,
Da ich zur Hüterin bestellt
1530Der Saaten bin, sie sammeln muss.
Dort unten, tief im Schoss, geschehen
Geheimnisvolle Dinge, die
Nicht ohne mich geschehen können.
DEMETER
Du strebst von mir, die Qualen brennen
1535Die Brust mir und mein Herz ist kalt;
Du gehst dahin, du fliehst, du eilst…
Mein sommerliches Gut verdirbt;
Du Mitleidslose, o du teilst
Den Jammer, dran das Herz mir stirbt,
1540Nicht und ich bin so arm und alt.
KORA
Noch ein Geheimnis, Mutter, sei
Dir offenbart: Ganz anders ist
Mein Land. Da schlummern ewge Kräfte,
Aus ihnen regt sich immer neu
1545Der junge Trieb, die frischen Säfte
Quellen empor und treiben Blüten.
Was lebt, ist dort im Keim gegründet
Und wartet, bis das Morgenrot
Die Stunde der Entfaltung kündet.
DEMETER
1550Doch alle jene, die verblühten,
Erleiden sie den frostgen Tod,
Den bitter, einsam herben…?
KORA
Was leben soll, muss sterben…
DEMETER
Zum Tode führst du alles, was
1555Dir untertan! Was deine Liebe
Vermag, erkannt ich nun und das
Verkündende Prophetenwort.
KORA
Wir werden, Mutter, auferstehen
Am großen Feiertag der Saat.
DEMETER
1560Mein Kind, der Fackelträger naht!!
Hymen kommt an der Spitze des Hochzeitszuges; alle tragen
Fackeln, Musik; Kora wird umringt.
KORA
Noch dies Geheimnis, Mutter, höre:
Die Hand, die alle Grenzen steckt,
Vernichtet alles, was da lebt;
Doch neues Leben blüht und strebt
1565Aus dem gestorbnen; neuer Trieb
Erwacht, zu neuem Sein geweckt.
So fasst mich Trauer, da ich scheide,
Doch mein Geheimnis füllt mit Freude
Mich an und meines Hochzeitskleids
1570Bin ich wohl wert. — Genug des Leids,
Der Trauer und der Tränen.
DEMETER
Du Törin, niemand kehrt zurück
Aus jenem Reich, dem Untergang
Bist du durch deinen Schwur geweiht.
KORA
1575Wenn ich des Todes Macht bezwang,
Wenn unter meiner Zauberhand
Die jungen Triebe grünen, sprießen
Auf Fluren, Wiesen, Ackerland, —
Dann darf ich höchstes Glück gemessen;
1580Ich stehe an des Lebens Wiege,
Die Tat der Schöpfung, sie ist mein! —
Bereite Eggen, schärf die Pflüge…
DEMETER
Als Lebende den Tod zu wählen,
Ist Sünde!
KORA
ernst
1585
Die Unsterblichkeit
Winkt mir, brech ich den finstern Bann.
Hochzeitsmusik ertönt.
DEMETER
Die Nacht entführt ins Reich der Seelen
Dich, in die ewge Dunkelheit!
KORA
gebieterisch
Tragt mir voran die heilgen Fackeln!!
1590Die Hochzeitsfackeln tragt voran!!!
Der Hochzeitszug ordnet sich um Kora und entführt sie unter
Klängen zur Unterwelt.
DEMETER
versinkt im Garten.
ERSTER FÄHNRICH
eilt schnell herein
Peter Wysocki sendet uns.
Er selber folgt.
GOSZCZYNSKI
ERSTER FÄHNRICH
Durch den Nebel.
1595Marschiert zur Kavalleriekaserne,
Will sie im Schlafe überraschen.
Wo sind die Deinen?
GOSZCZYNSKI
ERSTER FÄHNRICH
GOSZCZYNSKI
1600
Mehr? — Sie genügen.
ERSTER FÄHNRICH
GOSZCZYNSKI
ERSTER FÄHNRICH
Ich zeige euch den Weg zum Schloss.
ZWEITER FÄHNRICH
eilt hinzu.
ERSTER FÄHNRICH
Wysocki hat uns zwei euch zugeteilt.
1605Wir kennen jeden Zugang zum Palais.
Sorgsam ist jeder zu bewachen,
Damit der Fürst uns nicht enteilt.
GOSZCZYNSKI
Sieh, wie das Blatt im Winde tanzt,
Die Bäume rauschen leise.
1610Hast du Patronen?
ZWEITER FÄHNRICH
In der Tasche. —
Verteil sie, nimm.
GOSZCZYNSKI
Erstürmt Wysocki
Auch die Kaserne?
ERSTER FÄHNRICH
1615
Glückt es ihm,
Unvorbereitet sie zu überraschen.
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
ERSTER FÄHNRICH
In der Nähe fällt ein Schuss.
GOSZCZYNSKI
ZWEITER FÄHNRICH
So hat Wysocki schon
Den Park verlassen. Dieser Schuss
War das Signal für euch.
GOSZCZYNSKI
1625Dem weißen König unsern Gruß…
ZWEITER FÄHNRICH
NABIELAK
ALLE
Bereit!
Sie eilen hinaus.
DEMETER
tritt auf
1630Wo bist du, Tochter, die du mir gesungen
So manches Lied in heller Sommerzeit —?
Noch hör ich, wie dein Weinen leis geklungen
In nächtger Stille, durch die Einsamkeit.
Und weinend hör ich meiner eignen Klagen,
1635Der eignen Seufzer dumpfen Widerhall,
Als war es deines Jammers weher Schall.
Vielleicht sehnst du zu lichten Erdentagen
Dich nicht einmal zurück? Und Liebesflammen
Umlodern dich, die Hymen dir entzündet —?
16400 Tochter, deiner Mutter Seele findet
Die Ruh nicht mehr in ihres Alters Tagen.
Muss ich durch lange dunkle Nächte schreiten,
Da mir kein Lichtschein blinkt, dein Auge mir
Nicht leuchtet, muss ich denn in endlos weiten
1645Und dunklen Nächten für und für
Den Tag ersehnen, der die Nacht mir kündet,
Und Tag und Nacht allein sein, ohne dich —?
Hast du die dunkle Schwelle überschritten,
Dahinter Orkus' finstres Reich beginnt,
1650Und bist du mir verloren, teures Kind —?
Rufend
1651Hekate, Tochter des Titanen, jungfräuliche Lichtbringerin, Trägerin zweier Fackeln, erscheine, die du
aller Klage und allen Jammers achtest; die du gegenwärtig bist, da Mütter gebären, die du Einsame beschützest in ihrer Einsamkeit und an den Dreiwegen
wachst. Erscheine!
Aus dem Boden steigt herauf
HEKATE
hält Fackeln in den Händen
DEMETER
1653Mein Kind ist mir geraubt, entrissen und gefangen;
aus meinen Augen hab ich sie verloren, sie war schön
und jung; wo weilt sie, wohin ist sie entschwunden,
die Erinnerung hab ich verloren, ich weiß nichts
mehr und darum ruf ich dich, geh, eile, suche sie;
o du, die Geheimnisse der Götter errät und den
Menschen den Verstand benimmt, sie mit Wahnsinn schlägt, eile, leuchte mit dem Lichte deiner
beiden Fackeln und finde sie, meine geliebte Tochter.
Entfernt sich in den Garten.
HEKATE
1654Zu mir, beflügelte Eumeniden; die ihr des Tartarus
weiträumige, zerklüftete Öden bewohnt, auf! Die ihr
in Dämmer schreitet, gehüllt in dunkle Wolken, eilet
herbei! Ein Unrecht ist geschehen!
EUMENIDEN
steigen aus der Erde herauf.
HEKATE
1655Ihr, geboren aus Tropfen Bluts, die auf schwarze
Erde fielen; geboren aus dem Blute der Ermordeten,
ihr, deren Tränen Blut sind,
Ein junges Leben ward geraubt
Im vollen Duft der ersten Blüte
1660Und ward entführt in Nacht und Grab
Und ward entführt in Finsternis.
O seht, ein Unrecht ist geschehen:
Und so ist alles tot, verblüht,
Erloschen und verblichen;
1665Die Erde ward ein Grab,
Die Bäume stehen kahl,
Zertreten Frucht und Blume.
Auf, Eumeniden, leichtbeschwingte,
Ihr heischet Rache, nehmet sie,
1670Ein grässlich Unrecht ist geschehen.
Vernichtet ist der Hütte Frieden,
Zerstört das Glück des Ehebettes. —
Umstrickt mit Wahnsinn jede Seele,
Im Wahnsinn sollen Leiber bluten,
1675Die Seelen im Verbrechen glühn,
Und sollen Qualen dulden, Martern.
Zur Rache auf! Ein Unrecht ist
Geschehen! Lasst die Fackeln lodern!!
EUMENIDEN
Sie entzünden ihre Fackeln,
In dem Schein des roten Lichts
Glühen ihre Augen wild,
Sprühen Funken, spritzen Blut.
Um die Häupter ringeln Schlangen,
Schlingen sich um Haar und Stirn,
Fliehen sich, verstricken sich,
Winden und verwickeln sich,
Schmerzverzerrt und wutentbrannt
Lauschen gierig sie den Worten.
HEKATE
Nicht eher werde eure Tat
1680Vollbracht, als bis dreimal
Der Mond gewechselt hat.
Schwört, Flugbereite, dass ihr eher
Nicht Frieden gebt, nicht eher ruht,
Als bis das Unrecht ist gerächt.
1685Auf! Beißt und brecht,
Und stoßt und stecht!
Krieg! Krieg! Der Leiber heißes Blut
Reiz und beflügle euren Lauf.
Stürzt auf die Menschen euch, auf Stirn
1690Und Nacken, saugt das rote Blut
Aus Herzen, fresst das Hirn,
Auf dass sie heilgen Zorn erkennen,
Davon die Götter brennen!
Eilt durch den Park und weiter eilt
1695Und fort und fort, eilt durch die Weh,
Im Fluge eilt, rachebereit!
Die Rache lebt, die Rache frisst!
Die Erde sah ein großes Leid
Und zitterte. Ein Unrecht ist
1700Geschehen!!!
EUMENIDEN
eilen nach allen Seiten durch den Garten.
HEKATE
versinkt.
PERSONEN DER VIERTEN SZENE:
- Der Grossfürst
- Johanna
- General Gendre
- Kuruta
- Lubowidzki, Polizeipräsident
- Offizier der Kürassiere
- Kammerdiener Friese
- Graf Stanislaus Potocki
- Goszczynski
- Nabielak
- Aufständische
- Kürassiere
- Lakaien
DER SALON IM BELVEDERE
Nacht. Im Garten Mondschein.
GENERAL GENDRE
liegt betrunken auf dem Sofa.
LUBOWIDZKI
geht auf und ab.
GENDRE
Bringst du was Neus? — Erhieltest du Berichte?
LUBOWIDZKI
Zu seiner Zeit — erfährt er die Geschichte.
GENDRE
Sieh zu, dass er es nicht zu spät erfahrt. —
Was gibts denn Neues?
LUBOWIDZKI
1705
Das, was ich gehört,
Erzähl ich nur dem Fürsten. Was scherts dich?
GENDRE
LUBOWIDZKI
GENDRE
Heb es gut auf, bis es verschimmelt ist.
LUBOWIDZKI
1710
Ich plag mich für den Fürsten. — He, du bist
Wohl neidisch auf den Lohn —?
GENDRE
LUBOWIDZKI
Bin nicht in Stimmung. — Ja, bei Gott, noch nie
War ich so kopflos wie grad heute.
GENDRE
1715
Für
Einen Spitzel schlimm. Glaubst du, der Fürst
Hilft ihn dir suchen? Schwerlich wohl und wirst
Du noch so gnädig heut von ihm empfangen.
LUBOWIDZKI
Nur grad heraus, willst wieder Geld von mir.
GENDRE
1720Da nimm, du Lump, — Dukaten klangen
Dir immer süß; — wo andre hungern müssen,
Musst du dich mästen.
LUBOWIDZKI
läuft dem Dukaten nach
Die Dukaten ließen
Nie mit sich spaßen, — tja — und ein Dukat,
1725Ists auch nicht viel, — bleibt immer ein Dukat.
GENDRE
Das musst du Gauner ja am besten wissen,
Bestiehlst den Fürsten, wo du kannst.
LUBOWIDZKI
wirft Gendre den Dukaten wieder hin
Hör auf,
Du Säufer, denn du langweilst mich.
GENDRE
1730Halt du
Dein ungewaschen Maul, — sonst wacht der Fürst
Am Ende auf …
Man hört einen unbestimmten Lärm.
LUBOWIDZKI
Was gibts? — Man schlägt ans Haus?!
Man bricht das Tor auf?!
GENDRE
1735
Was geht mich das an? —
Das ist ja deine Sache.
LUBOWIDZKI
Man muss den Fürsten wecken!
Stürzt zum Schlafzimmer des Großfürsten.
KAMMERDIENER FRIESE
stürzt aus der Mitteltür
Eilt ins Schlafzimmer.
GENDRE
Lasst ihn doch schlafen, — diese Emotion —
1740Wozu —? Gott, was geschehen soll, geschieht
Ja doch. —
FRIESE
aus dem Schlafzimmer; schleift den Großfürsten, notdürftig bekleidet, durch den Salon zur Mitteltür.
LUBOWIDZKI
im Schlafzimmer
FÄHNRICH
im Schlafzimmer
1743Du Lump! — Er ist davon!!
AUFSTÄNDISCHE
stürzen aus dem Schlafzimmer in den Salon und eiten von dort in
die Seitengemächer.
NABIELAK
Stößt auf General Gendre.
GENDRE
bestürzt
1745
Ich bin unschuldig —
NABIELAK
GENDRE
Wisst ihr auch, — wen ihr tötet? dass mein Tod,
Verlässt euch euer Glück, euch zu Verbrechern,
Zu frechen Mördern stempelt.
GOSZCZYNSKI
1750
Bist du auch
Unschuldig, schuldig bist du voll
Durch deine Reden.
GENDRE
Euer Wort ist — Rauch.
Schlag zu, — ich bin bereit.
NABIELAK
1755Du willst, ich soll
Mir deinen Tod erst überlegen? Auch
Das hab ich nun getan.
Durchstößt ihn mit dem Bajonett.
GENDRE
GOSZCZYNSKI
GENDRE
NABIELAK
Ihr Lumpen. —
Du Spieler, Dieb…
GENDRE
Du Ritter. — Leute,
Ihr mordet; glaubt ihr denn, dass Gott mit euch?
1765Auch für euch kommt die Stunde des Gerichts.
NABIELAK
Sie wird nicht kommen, denn wir sind seit heute
Gericht und Richter. Ihr habt ausgespielt. —
Du hast dein Teil weg. —
GOSZCZYNSKI
Komm. — Die andern sind
1770Uns schon voraus. Wir müssen jetzt noch gleich
Die Zimmer schnell durchsuchen.
Weist auf die Tür links
Gib acht, dass wir uns in dem Labyrinth
Von Zimmern nicht verirren. — — Hm, — geschlossen.
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
Wart. Ihrer Hoheit Zimmer, — war es möglich —?
NABIELAK
Ich helfe mit, — stoß zu. — Sie muss sich regen. —
1780Horch, — sinds die andern, die schon wiederkommen —?
Die Zeit drängt. Wär es ihm gelungen, sich
In Sicherheit zu bringen —?
AUFSTÄNDISCHE
stürzen durch die Mitteltür herein zur Schlafzimmertür hin.
GOSZCZYNSKI
Sieh, man leistet
Mir Widerstand.
NABIELAK
1785
Schlag mit dem Kolben zu!
GOSZCZYNSKI
Jetzt flog der Riegel vor, — der Schlüssel knarrte —
Lauscht
Ich höre Schritte, — man enteilt — —
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
NABIELAK
1790
Wer steht auf der Schwelle —?
Die Tür geht auf; Kerzenschimmer dringt in den Salon.
JOHANNA
Ich bin des Fürsten Gattin.
GOSZCZYNSKI
JOHANNA
NABIELAK
Bist du des Schurken Gattin, — traf dichs schon.
JOHANNA
1795
Zurück, — nur über meine Leiche hier
Hinein.
GOSZCZYNSKI
Wahnsinnge Puppe, Löwin an Gefühl,
Oh, wie ich dich verachte.
JOHANNA
Wie vor dir
1800Mich ekelt.
NABIELAK
Du hast im Zimmer ihn versteckt,
— Den Feigling — und wir werden ihn doch fangen.
JOHANNA
Hinweg von hier, — oh, wie seid ihr gemein.
GOSZCZYNSKI
Schweig, — denn wir gehn auch ohnedies. —
1805Behalt ihn nur, — den Gatten; — Weib, du weißt
Nicht, dass gemeine Liebe dich befleckt,
Dass du viel schöner wärest, wärst du: Judith.
JOHANNA
Polin bin ich, — da Gott mich lieben hieß,
So lieb ich und verteidge Schritt für Schritt
1810Den, den ich liebe, mag mein eigen Haus
Dabei in Flammen stehn.
GOSZCZYNSKI
Hier liegt ein Mann,
Verwundet.
JOHANNA
eilt zur Leiche Gendres
NABIELAK
1815
Er war besinnungslos.
JOHANNA
Ach, der? — Er war betrunken —
Man hört Schüsse.
NABIELAK
GOSZCZYNSKI
NABIELAK
Und ein Stampfen, — Hufschlag —
JOHANNA
1820
Des Fürsten Kürassiere.
NABIELAK
Wir sind hier
Allein, — die Unsern sind bereits geflohn.
Eilt zur Tür im Hintergründe rechts.
GOSZCZYNSKI
eilt ihm nach
JOHANNA
GOSZCZYNSKI
JOHANNA
1825
Und rast ihr Helden auch, die ihr die Tat
Auf eure Fahnen schriebt, ihr seid doch Helden,
Darum will ich euch retten. Hier hinaus,
Durch diese Türe.
Weist auf die Tür zum Schlafzimmer.
NABIELAK
JOHANNA
GOSZCZYNSKI
Sie sind schon im Hofe. Fort!
Eilen hinaus.
JOHANNA
Ah, eine Leiche sperrt den Weg
Zum Schlafgemach.
GROSSFÜRST
eilt aus dem Hintergründe links; fällt ihr zu Füßen
JOHANNA
GROSSFÜRST
So würdest du jetzt lieber mit Gefühl
An meiner Leiche ein Nocturno spielen,
Wenn die mich dort gemordet hätten —?
JOHANNA
Wie deinen Treuen, der da fiel.
GROSSFÜRST
1840
Mein treuer Hund, — schon tot, — und schon verfärbt —
Ah! Weg mit ihm!
LAKAIEN
tragen den toten Gendre und Lubowidzki hinaus
JOHANNA
GROSSFÜRST
Er ist schon tot, — verreckt, — ah, — ah den Hunden
Ein Leckerbissen; — Blut klebt überall.
1845So säh ich aus … Hinaus mit ihm — tot — tot
Und ganz verfärbt, — wie eklig, — er ist weg.
Jetzt schreibt der Teufel seine Sünden auf.
Er hat verspielt! — Ich — spiele noch und wage
Den letzten Einsatz — ah — ah — alles — — Dreck.
OFFIZIER DER KÜRASSIERE
tritt ein, salutiert
1850
Euer Hoheit! Die Rebellen sind entflohn.
GROSSFÜRST
Entflohn!! — Ha ha ha — auch er? — Auch der
Vom Monument? Auch fort — ganz fort — — So sage…
Seine Stimme versagt, er taumelt.
OFFIZIER DER KÜRASSIERE
JOHANNA
GROSSFÜRST
1855Ah! — Wie sein Pferd die Nüstern bläht, es schäumt
Und weißer Schaum und Blut befleckt mein Hemd.
Er sitzt zu Ross, — der weiße König, weist
Mit seinem Marschallstab auf mich, — es bäumt
Das Pferd sich auf, setzt auf mich zu, es stemmt
1860Die Hufe mir vor meine Brust und reißt
Sie auf, — und quetscht und tanzt auf mir herum. —
Der weiße König dort schreit mir ins Ohr:
Heliodor!!!
Sinkt zu Boden
KURUTA
JOHANNA
Jesus Maria! — Hilf — er stirbt.
GROSSFÜRST
Riecht ihr
Den Schwefel in der Luft? Es riecht nach Schwefel —
LAKAIEN
bringen die Uniform des Fürsten.
ERSTER LAKAI
reicht ein Kleidungsstück
Geruhen Eure Kaiserliche Hoheit…
ZWEITER LAKAI
mit einem anderen Kleidungsstück
ERSTER LAKAI
Eure Hoheit… Hier
Der Ärmel, nun der zweite, — so…
ZWEITER LAKAI
mit dem Beinkleid
Jetzt noch das Beinkleid, — Hoheit — darf ich
bitten…
ERSTER LAKAI
ZWEITER LAKAI
ERSTER LAKAI
GROSSFÜRST
ERSTER LAKAI
ZWEITER LAKAI
GROSSFÜRST
Mir war doch, — als ob tausend Teufel mich
Umkicherten.
JOHANNA
GROSSFÜRST
setzt den federbuschgeschmückten Hut auf
Wie ruhig
1885Du bist! — Du Schlange, — Herrliche! — Hast wohl
Mit ihnen konspiriert?
JOHANNA
Mit wem? — Du Narr,
Du phantasierst.
GROSSFÜRST
Mit ihm. — Hast konspiriert
1890Mit ihm, dem weißen König.
JOHANNA
Ah, du kannst
Noch spotten, meine Brust zerreißt der Schmerz
Um diese heutge Tat, — sind es ja doch
Die Meinen.
GROSSFÜRST
JOHANNA
GROSSFÜRST
Ich bins. — Doch weißt du, wer mich toll gemacht!
Zieht den Degen
Ich zog den Degen heute — Nicht zum Scherz!
Eine Kavallerie-Abteilung betritt den Salon.
GROSSFÜRST
kommandiert
JOHANNA
GROSSFÜRST
Polin. — Zauberin.
Wer hat auf deinen bleichen Wangen
Der Hölle Glutensturm entfacht? —
Die Hoffnung. Myriaden Schlangen
1905Treiben in deinen Augen jetzt ihr Spiel.
Glaubst du vielleicht, sie werden …
JOHANNA
GROSSFÜRST
Du Polin. — Brütest Rache, kennst nur dies Gefühl!
Du meinst wohl gar, ich werde …
JOHANNA
GROSSFÜRST
Eilt auf sie zu, um sie zu schlagen.
JOHANNA
fällt bewusstlos in die Arme ihrer Damen.
GROSSFÜRST
Vraiment, — c'est une dame.
Je deviens Polonais, — und ich kämpfe.
KURUTA
salutiert
General Potocki mit dem Regiment
1915Hat das Palais umzingelt, — die Kanonen
Sind aufgefahren.
GROSSFÜRST
in höchster Angst
Wie? — Umzingelt!! — Mein
Potocki?!
KURUTA
lacht
GROSSFÜRST
1920Wie?
Zu Hilfe? — Wie gemein. — Ach so, — — Nein,
nein —
Charmant garçon.
STANISLAUS GRAF POTOCKI
tritt ein
Bon soir, mon ami, cher prince!
GROSSFÜRST
1925Que dit-on
De moi? — Varsovie va se taire!
On parlera de vous auprès de l'empereur.
Donnez l'ordre, mon vieux-beau —
que la Pologne meurt!
1930Marchez, — sur Varsovie, — et massacrez tout!
POTOCKI
schweigt; düster.
GROSSFÜRST
Comment? — Tu restes muet?
Zittert; blickt auf Johanna; schreit in höchster Angst
PERSONEN DER FÜNFTEN SZENE:
- Ein Schauspieler
- Erster, Satyr
- Zweiter, Satyr
- Dritter, Satyr
- General Chlopicki
- Leutnant Zajonczkowski
- Leutnant Dombrowski
- Nike der Napoleoniden
- Offiziere
- Publikum
- Bühnenarbeiter
- Volk
IM THEATER ROZMAITOŚCI
Der Bühnnraum von hinten gesehen. Rückwände
der Dekorationen; im Hintergrunde ist der Vorhang
heruntergelassen. Satyrn aus einem Ballett, das getanzt werden soll, hängen Kulissen auf und plazieren
Versatzstücke. Schauspieler im Kostüm ihrer Rollen.
SCHAUSPIELER
auf der Bühne, hinter dem Vorhang; sagt an
Wir spielen eine Posse mit Gesang!
PUBLIKUM
im Zuschauerraum hinter dem Vorhang
SCHAUSPIELER
1935
Mit Kudlicz als Mephisto!
PUBLIKUM
SCHAUSPIELER
Zwischendurch auch ein Couplet,
Wie’s grade passt, — so a propos.
PUBLIKUM
SCHAUSPIELER
Tritt ab, der Vorhang geht auf; man sieht den erleuchteten Zuschauerraum.
PUBLIKUM
in den Logen und im Parterre, in reger Unterhaltung, steht in
Gruppen, ohne sich um die Vorgänge auf der Bühne zu kümmern;
auf der Bühne Fausts Studierzimmer
FAUST
beschwört.
MEPHISTO
steigt aus der Versenkung empor; Pantomime; Mephisto macht
beschwörende Gesten, es erscheint
VENUS-HELENA
einen Pokal in der Hand.
FAUST
kniet vor der Erscheinung.
MEPHISTO
nimmt den Pokal entgegen.
VENUS-HELENA
verschwindet.
MEPHISTO
reicht Faust den Pokal.
FAUST
trinkt; sein schwarzer Mantel fällt ab; er steht verjüngt da.
Ein Gazevorhang geht nieder und verdeckt den Zuschauerraum; auf
der Bühne Umbau; Zwischenaktsmusik.
ERSTER SATYR
springt am der Kulisse, weist aufs Publikum
ZWEITER SATYR
An andere Sachen.
Nicht daran, was wir oben machen.
ERSTER SATYR
So müssen wir was Neues bringen,
1945Die sollen staunen —
ZWEITER SATYR
ERSTER SATYR
Pass nur gut auf, es wird gelingen
Das lustige Allotria.
Ich also bin der Großfürst, — du
1950Der Grieche und mein Ohrenbläser.
ZWEITER SATYR
reicht ihm einen Frack
ERSTER SATYR
ziehtden Frack an
im Befehlston
ZWEITER SATYR
kichert
ERSTER SATYR
Ducken sich hinter die Kulisse; inzwischen ist der Umbau beendet;
die Bühne stellt den Platz vor dem Dome vor; der Vorhang geht
auf und enthüllt den Zuschauerraum.
GRETCHEN
tritt aus dem Dom.
FAUST
nähert sich ihr
1955Mein schönes Fräulein, darf ich wagen,
Meinen Arm und Geleit —?
GRETCHEN
FAUST
Will Ritterdienste Euch antragen,
Als Eurer Tugend Schirm und Wehr.
GRETCHEN
1960
Ich bitt Euch, lasst mich schon allein.
FAUST
Wie kann man so hartherzig sein?
GRETCHEN
Ich werde weich, wenn Ihr Euch trollt.
Sie gehen vorüber. Nach ihrem Abgang springen die Satyrn auf
die Bühne; leise Musik.
ERSTER SATYR
als Großfürst
Was sagen denn die Polenmädchen
Von mir? Sie sind bei Gott nicht faul!
ZWEITER SATYR
als Adjutant Kuruta
1965Sie singen überall im Städtchen,
Hoheit hätt ein Kalmückenmaul.
ERSTER SATYR
Was sagen denn von mir die Polen?
Raus mit der Sprache, du Genie.
ZWEITER SATYR
Sie reden —, mags der Teufel holen…
ERSTER SATYR
ZWEITER SATYR
ERSTER SATYR
ZWEITER SATYR
ERSTER SATYR
Verdienstkreuz erster! — Weißt du’s nun?!
ZWEITER SATYR
weist ins Publikum
1975
Wenn Eure Hoheit denn geruhn
Gnädigst gewahr zu werden dessen —
Dort im Fauteuil.
ERSTER SATYR
ZWEITER SATYR
PUBLIKUM
steht von den Plätzen auf, wird neugierig; der Gazevorhang fällt;
auf der Bühne Umbau.
SATYRN
verschwinden in den Kulissen; Zwischenaktsmusik.
SCHAUSPIELER
läuft wütend auf der Biihne umher
1980Der Vorhang sollte doch gleich fallen
Nach Faustens Abgang, — Schweinerei!
Wo steckt der Kerl vom Vorhang wieder?!
ERSTER SATYR
Siehst du wohl, unsere Spielerei
Hat ihm nicht sonderlich gefallen.
SCHAUSPIELER
1985
Mir war doch, als ob jemand spielte?!
ERSTER SATYR
ZWEITER SATYR
Gott, wie ist er bieder,
Erkannte meinen Bocksfuß nicht.
SCHAUSPIELER
zu den Statisten
Antreten bitte zum Ballett!
1990Und achtgegeben auf mein Zeichen!
ERSTER SATYR
zum zweiten
Vergiss nicht, mir den Helm zu reichen.
Ich werd so tun, als fehlt mir was.
Ein Legionär wird dann auf Richt
Euch stramm in Reih und Gliede stehn.
1995Ich werde fluchen, werde blass
Vor Wut und reiß die Achselstücke
Herunter; du wirst dieses sehn
Und dich so räuspern:
räuspert sich
Der Umbau ist inzwischen beendet; die Bühne stellt einen öffentlichen Platz vor; der Vorhang geht auf; der Zuschauerraum wird
sichtbar; auf der Bühne Bürger und Bürgerinnen; wandeln auf
und ab.
SATYRN
ein Teil der Satyrn erscheint hinter den Kulissen im Zuschauerraum im Parterre.
DRITTER SATYR
hinter dem Sessel Chłopickis
2000Weißt du noch auf dem Sächsischen Platze,
Wie vor der Front
Hoheit der Großfürst und Thronerbe
Wie toll umhersprang, stampfte und stieß,
Kaum vor Wut sich noch halten könnt,
2005Und dann einem die Achselstücke
Schäumend und rasend herunterriß
Und mit den Füßen im Kot zertrat? —
Da ward es still…
Du aber blicktest von weitem zu, —
2010Räuspertest dich…
CHŁOPICKI
räuspert sich laut.
DRITTER SATYR
Plötzlich wandte er sich dann um
Und der Degen in seiner Hand
Zitterte, denn aller Augen waren
Auf dich gebannt…
PUBLIKUM
wird auf Chłopicki aufmerksam.
DRITTER SATYR
2015
Er erkannte dich und wurde rot,
Brummte dann etwas vor sich hin,
Spornte sein Pferd und ritt davon.
Und die Parade war aus.
SATYRN
lachen
Haha — haha
2020Beinahe ward er toll.
DRITTER SATYR
Denn er hat Angst vor dir, der Heiduck.
VIERTER SATYR
Blickt da empor und sieht Chłopicki.
Auf die Bühne kommen Statisten in Gardeuniform und stellen sich
in zwei Reihen zu beiden Seiten der Bühne auf; bilden so ein Spalier für das Ballett; die Musik spielt eine Ballettweise.
ERSTER SATYR
der den Großfürsten vorstellt, stürzt mit dem bloßen Degen in der
Hand auf die Bühne und läuft die beiden Reihen der Soldaten ab,
indem er mit dem Degen die Richtung prüft; als er sieht, dass ein
Soldat den Helm eines polnischen Soldaten trägt, droht er ihm mit
der Faust, fuchtelt mit den Armen in der Luft herum, reißt ihm
die Achselstücke ab, schleudert sie zu Boden, tritt sie mit Füßen;
— Stille.
ZWEITER SATYR
in einem weiten Mantel und Zylinder, in Kleidung und Gebaren
den General Chłopicki vorstellend, räuspert sich.
ERSTER SATYR
der den Großfürsten vorstellt, stürzt bei diesem Räuspern von der Bühne.
PUBLIKUM
lacht laut auf.
DRITTER SATYR
hinter dem Sessel Chłopickis
Seine Hoheit wurden rot
Und ganz Warschau lachte.
SATYRN
PUBLIKUM
ERSTER SATYR
in den Kulissen
SCHAUSPIELER
in den Kulissen
PUBLIKUM
Der Gazevorhang fällt wieder; Zwischenaktsmusik.
SCHAUSPIELER
stürzt wütend auf die Bühne
ERSTER SATYR
in den Kulissen
PUBLIKUM
hinter dem Vorhang, unsichtbar
ERSTER SATYR
kommt auf die Mitte der Bühne, triumphierend
PUBLIKUM
SCHAUSPIELER
verzweifelt
2035
Man macht uns das Theater zu!!
ERSTER SATYR
spottend
SCHAUSPIELER
Zu den Satyrn
Ihr solltet tanzen, denke ich!?
ERSTER SATYR
aufgeblasen
Mein werter Freund, Sie irren sich,
2040Sie können uns nicht kommandieren!
ZWEITER SATYR
lachend
Jedoch du kannst uns engagieren!
SCHAUSPIELER
ERSTER SATYR
Ich bin ein Gott!
Und spiele so, wie mirs gefällt!
SCHAUSPIELER
2045
Bis dich der Teufel mal beim Wickel halt!
ERSTER SATYR
In mir erblickst du die Person,
Die mit den Menschen sich will amüsieren!!
Die Musik wird leiser.
ZWEITER SATYR
beschwichtigt den Schauspieler
SCHAUSPIELER
sieht sich um
Wie? Ist denn schon
2050Auerbachs Keller, in der Ecke
Fehlt ja das Weinfass!!
ERSTER SATYR
zum zweiten
Komm und stecke
Dir auch die Maske vor!
Der Umbau ist inzwischen beendet; Auerbachs Keller. Der Vorhang geht auf; auf der Bühne sitzen und liegen betrunkene Studenten auf Stühlen und Bänken herum und zechen inmitten von
Fäsern.
STUDENTEN
singen durcheinander
MEPHISTO und FAUST
kommen zur Mitte der Bühne.
MEPHISTO
zu Faust
Hör nur gut zu, — und eins zwei drei
2055Liegt dir die Dirne schon im Arm.
Drum frisch ans Werk.
FAUST
MEPHISTO
Mit Gold. Des Goldes Melodei
Wird auch dem Mädchen lieblich klingen.
FAUST
MEPHISTO
Was tuts? Der Schwarm
Der Geister ist zu meinen Diensten.
Und hast du Lust, so zeige ich
Sogleich ein Beispiel dir von meinen Künsten.
Er beschwört; es erscheint
PANDORA
ein Kästchen in den Händen.
MEPHISTO
nimmt ihr das Kästchen ab.
PANDORA
verschwindet.
MEPHISTO
reicht Faust das Kästchen
FAUST
öffnet es und betrachtet die Kleinodien.
MEPHISTO
2065So kriecht der Mensch in jene Maschen
Des Netzes, das ich ausgespannt.
Geh jetzt zu ihr, — sie wartet liebentbrannt,
Und reichts nicht aus, so füll ich deine Taschen.
FAUST
Wie viele Seelen hast du schon verführt,
2070Dass sie vom Golde trunken waren?
ERSTER SATYR
in Maske, inmitten der Zechenden
Tagtäglich werden Orden dediziert.
ZWEITER SATYR
gleichfalls in Maske
Den Zaren machte Gott zum Zaren.
ERSTER SATYR
Den Rest der Nacht will ich mich nun ergetzen,
Mich heut am Wein, morgen am Blute letzen!
ZWEITER SATYR
2075
Sein Ordensband will ich zur Schlinge winden
Und ihn erwürgen, heute finden
Mich Lieder lustig, Lieder froh!
STUDENTEN
singen
Tralalala — tralalala.
Lalalalala!
ERSTER SATYR
2080
Schwört, das Geheimnis zu bewahren.
ZWEITER SATYR
Die Maske deckt uns heute.
ERSTER SATYR
Doch morgen mit dem Frühlichtschein
Erkennt man uns, ihr Leute.
ZWEITER SATYR
Beim Fürsten halten wir die Wache.
ERSTER SATYR
2085Und stoßen zu, — ins Herz hinein.
Wir rechnen ab am Tag der Rache!
ZWEITER SATYR
Der Zar ist nicht mehr Zar!
STUDENTEN
betrunken; singen
Tralalala. Tralalala.
Tralalala — Juchhe!!
Der Gazevorhang fällt; Zwischenaktsmusik; auf der Bühne Umbau.
SCHAUSPIELER
zu den Satyrn
2090Ich weiß nicht, was das alles soll!?
Das Spielgeld werd ich Ihnen kürzen.
ERSTER SATYR
Scheint dir jetzt alles noch so toll,
So wirst du morgen alles dies verstehn!
ZWEITER SATYR
Dass Sie sich bloß nicht in Unkosten stürzen!
SCHAUSPIELER
zu den Theaterarbeitern
2095
Ich bitte, auf die Herren achtzugeben,
Sie stören mich hier immerzu.
ZWEITER SATYR
stampft auf die Versenkung und gibt damit das Zeichen, sie herabzulassen.
ERSTER SATYR
Nur einen Augenblick und du wirst schweben
Hinunter in der Tiefen kühle Ruh.
SCHAUSPIELER
versinkt mit der Versenkung, auf die er aus Versehen getreten ist.
Inzwischen ist auf der Bühne der Umbau beendet; die Bühne stellt
den Garten bei Gretchens Hause vor; der Vorhang geht auf, man
sieht wieder den Zuschauerraum.
SATYRN
ducken sich hinter die Kulissen.
MEPHISTO und FAUST
treten auf.
FAUST
legt ein Kästchen aufs Fensterbrett.
MEPHISTO und FAUST
verbergen sich hinter den Sträuchern.
GRETCHEN
erscheint im Fenster, erblickt das Kästchen, öffnet es, entnimmt ihm
die Kleinodien und legt sie zögernd an
O diese Pracht,
2100Wie's blinkt und lacht
Mich an. — O sieh…
MEPHISTO
Das hast du gut gemacht.
Sieh, wie sie greift,
Ihr Auge schweift
2105Gar lüstern im Betrachten.
Geh nun heran,
Ein solcher Mann
Wie du wird nicht vergebens schmachten.
Summt
Zähl, mein Mädel, zähl die Steine,
2110Morgen kommen wir ins reine.
GRETCHEN
zu Faust
Lieber Herr, Ihr habt mir dies geschenkt;
Ist denn alles das für mich?
FAUST
Was die liebe Unschuld denkt!
Lass dich lieben, — küssen dich!
GRETCHEN
2115
Ist mir doch, als ob Ihr, Herr,
Immer mich geliebt.
Liebt Ihr mich auch wirklich sehr — ,
Und nur mich?
FAUST
Du bist betrübt?
2120Sag, was ists?
GRETCHEN
auf Mephisto deutend
FAUST
GRETCHEN
FAUST
Damit du und ich alsdann —
2125Ungestört…?
GRETCHEN
In der Umarmung ab.
MEPHISTO
singt zur Laute
Jahre eilen, Jahre schwinden
Und die Jugend flieht.
Der nur kann das Leben finden,
2130Der aus allen heißen Sünden
Glutenschauer trunken zieht.
Wangen welken, Lippen bleichen,
Schelm! wer in den vollen, reichen
Kelchen nicht das Leben sieht.
PUBLIKUM
erkennt Kudlicz in der Rolle des Mephisto
KUDLICZ
verneigt sich.
SATYRN
erscheinen an Kudlicz' Seite und verneigen sich gleichfalls.
KUDLICZ
greift einen Akkord auf der Laute, singt
Je protege la loi, l'effronterie
enfin je vous permet de vivre;
connaissez la grâce suprème:
SATYRN
PUBLIKUM
erstaunt.
KUDLICZ
greift einen Akkord
2140Je protege le viole, l'escroquerie
dans des ordres, qui vont se suivre.
C'est mon loyale système:
SATYRN
PUBLIKUM
wiederholt interessiert
KUDLICZ
2145
Quand on vous verra fideles, reptiles,
SATYRN
singen
Vous serez invités à la cour.
KUDLICZ
Vous pourrez marier les dames gentilies,
des dames, qui étaient mes amours.
Je danserais moi-même fleuri:
KUDLICZ und SATYRN
2150„Polonais, point des rêveries.”
SATYRN
Vive la loi, l’effronterie;
c'est Dieu, qui vous donne la raison:
„Polonais, point des rêveries.”
PUBLIKUM
wird unruhig.
SATYRN
verbeugen sich.
DRITTER SATYR
im Souffleurkasten, hilft Kudlicz ein
Man kann sich mit der Zeit an Sklaverei gewöhnen.
KUDLICZ
wiederholt achtlos
2155
Man kann sich mit dem Schmerz, dem Leid aussöhnen;
Kann tanzen.
DRITTER SATYR
KUDLICZ
Kann lachen, wenns der Zar erlaubt.
PUBLIKUM
steht von den Plätzen auf
Was ist denn das, was der da spielt? —
2160Was soll das heißen? — Steht das überhaupt
ln seiner Rolle?!
Plötzlich wird im Zuschauerraum die Tür von der Straße ins Parterre aufgerissen, auf der Schwelle steht
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Zu den Waffen! Zu den Waffen!
Wie lange wollt ihr noch die schlaffen
Glieder vom Stahl der Ketten schürfen lassen?
2165Seht dort den Kriegsgott in den Straßen, —
Er eilt dahin in wildem Lauf
Und ruft die Brüder auf
Zum Kampf!!
Tritt die Stufen, die vom Parterre in den Saal führen, hinunter.
LEUTNANT ZAJONCZKOWSKI
stürzt unmittelbar hinter ihr von der Straße herein, bleibt in der
offenen Tür stehen und ruft
Sie morden unsere Brüder in den Straßen!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
eilt durch die Mitte zwischen den Parkettreihen hindurch, bis sie
vor dem Sitze Chłopickis steht, den sie an der Schulter berührt
CHŁOPICKI
springt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Ruhm!! Stehe auf!
Fliege empor zu Kampf und zu Sieg!
Du nur vermagst das Werk zu vollbringen;
Du nur allein wirst Lorbeer erringen, —
2175Aus meinen Händen das blühende Grün!
CHŁOPICKI
ERSTER SATYR
ZWEITER SATYR
Sieh dort! Sie binden
Die Russen.
PUBLIKUM
springt von den Sitzen auf
2180
Sie morden?! — Man soll sie binden!
Wehrt euch! — Erhebt euch, — denn Warschau
brennt!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
zu Chłopicki
Steh auf und lass deine Stimme erschallen,
In deinem Namen will ich allen,
2185Durch deinen Ruf den Sieg verleihen!
CHŁOPICKI
Seine Stimme übertönt den Lärm des Durcheinanders
Ein jeder gehe ruhig jetzt nach Haus!
LEUTNANT DOMBROWSKI
betritt mit gezogenem Degen von der Straße her den Saal, an der
Spitze einiger Soldaten mit aufgepfanzten Bajonetten.
PUBLIKUM
ZAJONCZKOWSKI
General Chłopicki spricht!
PUBLIKUM
ERSTER SATYR
2190
Ein Wunder flicht
Den Zauberkranz um unsere Sinne.
ZWEITER SATYR
Man will euch Furcht einjagen!
ERSTER SATYR
DOMBROWSKI
weist auf einige russische Offiziere im Parkett
SOLDATEN
umringen die russischen Offiziere
CHŁOPICKI
von seinem Platze aus
2195
Weg! — Gehorchen Sie!
Auf die russischen Offiziere weisend
Die Herren stehen unter meinem Schutz.
Zu Dombrowski
Ich bitte, sich jetzt zu entfernen! Die
Soldaten gehn sofort aus diesem Saal!
DOMBROWSKI
Sie wissen, scheints, nicht, dass wir uns empört!
CHŁOPICKI
2200
Erst lernen Sie gehorchen, wenn man Ihnen
Befehle gibt.
DOMBROWSKI
Sie übernehmen die
Verantwortung?!
CHŁOPICKI
Sie schweigen! — Ich befahl.
DOMBROWSKI
2205
Dass jeder auf Ihre Befehle hört,
Sei dieses der Beweis, Herr General.
Zu seinen Leuten
Mir nach! Abteilung marsch!
Geht zur Tür.
SOLDATEN
ihm nach; ab.
ERSTER SATYR
NIKE DER NAPOLEONIDEN
zu den Satyrn auf der Bühne
Hinweg von hier! — ln diesem Augenblick,
2210Da jeder zu den Waffen greift, dem Sieg
Entgegeneilt, — steht ihr auf dem Theater!?
Betritt die Bühne, von Chłopicki gefolgt.
PULIKUBM
NIKE DER NAPOLEONIDEN
PUBLIKUM
ERSTER SATYR
2215Ja, auf mein Wort,
Er ist vor euch, ihr Lieben, ausgerissen.
PUBLIKUM
Dort morden sie! Dort?! — Wo?
ZWEITER SATYR
NIKE DER NAPOLEONIDEN
hat Chłopicki mit ihren Flügeln verdeckt; spricht deklamierend von
der Bühne herab zum Publikum
Geht jetzt hinaus! Des Saales Türen schließen!
2220In alter Ruhe soll das Leben fließen!
SATYRN
löschen die Lichter auf der Bühne aus.
PUBLIKUM
Seht, — lasst uns gehn, — die Lichter gehn aus.
Verlassen in Scharen das Theater. Der Gazevorhang fällt und verdeckt den Zuschauerraum, der noch erleuchtet bleibt.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
jagt die Satyrn fort
Reißt ihnen die Lauten aus den Händen und zerschlägt sie.
ERSTER SATYR
Verlassen wir dies Haus,
Denn diese Zauberin ist toll.
Eilen durch den Zuschauerraum hinaus.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
kniet vor Chłopicki
2225
Du bist der Führer, sieh, ich knie vor dir!
CHŁOPICKI
hebt sie auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Reich deine Hand zum treuen Bunde mir!
Sieht ihm in die Augen
Wenn alle dich mit heißen Augen suchen,
Umhüllt dich einer Wolke düstres Grau.
CHŁOPICKI
Ich sehe Kinder mit dem Feuer spielen.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
2230Dich nur allein hüllt einer Wolke Grau,
Wenn alle dich mit heißen Augen suchen.
CHŁOPICKI
Wie anders dich die stolze Ruhe kleidet.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Die Menge schreit nach dir, — doch ihren Zielen
Gabst du nicht nach. Gewaltge Größe weitet
2235Dich ins Unendliche.
CHŁOPICKI
O Schwester mein, —
Du meisterst meinen Geist. — Mit dir allein
Durch Feuerrauch, durch der Kanonen Donner,
Durch Sturm und Hagel zu der Welten Enden!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
2240
Dort wo der Ruhm blüht.
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Dich krönt der Ruhm,
Bin ich mit dir, — ich bin dein blühnder Ruhm.
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Nein, — Straßenlärm, — doch hör ich ihn
2250Von weitem gern, an deine Schulter so
Gelehnt, — bedeck mein Antlitz mit den Händen
Und lausche, wie dort unten tief die Gluten
Im Schoß der Erde zucken, wie die Kruste
Der Erde birst und steile Flammen schlagen. —
2255Das Werk beginnt, sobald du dich besinnst,
Denn nur von dir allein hängt alles ab.
Denn du allein bist stark im Glauben, bist
Im Werke stark; das Volk wird dich zum Führer
Erwählen und wird alle seine Liebe
2260In dich ergießen, seinen einzgen Sohn.
CHŁOPICKI
Und wankt mein Volk und wird es schwach, so bliebe
Noch meine Kraft —?!
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Dein Sieg wird sein so schön,
Wie du ihn nie geträumt. Ich sehe schon
2265Dich, Führer, stolz im Siegeszuge gehn.
CHŁOPICKI
Mein Wille nur wird mich geleiten. Wenn
Ich will, so greif ich nach dem Feldherrnstab.
Ich spanne Adler mir an meinen Wagen
Und wenn ich will, so lang ich mir herab …
NIKE DER NAPOLEONIDEN
2270Das Diadem. — Wohlan, du sollst es tragen
Aus meiner Hand.
CHŁOPICKI
Wofern es mir gefällt,
Reiß ich allein die Krone von den Sternen.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
So lieb ich dich, mein großer, stolzer Held!
Die Lichter im Zuschauerraum verlöschen allmählich; man hört
ein Rauschen.
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Gewaltge Flügel rauschen.
Die Schwesternschar dort durch die Lüfte schwebt.
CHŁOPICKI
Die Fensterscheiben klirren, windbelebt. —
Sinds deine Schwestern, die dort fliegen?
NIKE DER NAPOLEONIDEN
2280
Sie sinds! — Und du und ich, wir tauschen
Auge in Auge, Blick um Blick.
CHŁOPICKI
Eilten sie fort? — Hört ich den Flügelschlag
Zu meinen Häupten? Bliebst nur du zurück
Und stehst bei mir?
NIKE DER NAPOLEONIDEN
2285Es kommt der Schicksalstag,
Der dich zum Führer macht.
CHŁOPICKI
Ich werde siegen,
Sofern ich will.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Willst du, ich leg die Früchte
2290Der Nacht zu deinen Füßen und die Stadt
Ist dein —?
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Soll in der Geschichte
Dein Name leben? Diese Stunde hat
2295Entschieden.
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
CHŁOPICKI
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Um deine Taten. Deiner Siegesbahn
2300Zeig ich dir jede Tat. Willst du? — So lass
Uns spielen. — Gib die Karten. Denn du hast
Sie bei dir. — Gib. — Wenn du die roten ziehst,
Das Karo oder Cœur, ist dir der Sieg
Gewiss, indes die schwarzen, Trefle und Pik,
2305Verlorne Schlachten sind. Willst du, — so spiel. —
Nun lass uns sitzen. — Fange an!
CHŁOPICKI
wirft eine Karte auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
blickt gebückt in die Karten
Am dritten Tag wirst du der Erste sein.
Gewonnen! Sieh, drei rote Zeichen,
Drei Tage, sie sind dein. — Was weiter?
CHŁOPICKI
wirft eine Karte auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
2310
Sieh,
Schon wieder flammt es rot, — ein Feuerschein
Glüht über Warschau, — Flammen ohnegleichen. —
Du wirst erregt.
CHŁOPICKI
deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Du sinkst! — Es flieht der Fürst.
CHŁOPICKI
deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
CHŁOPICKI
deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Gibt ihm eine Karte
Jetzt bedenke wohl:
Sieg vor den Toren Warschaus. Wirst
Du ihn erringen? Wirf und nimm ihn hin.
CHŁOPICKI
deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Gibt ihm eine Karte
Sieg in des Fürsten Lager und
Der Fürst geschlagen?! Wirf.
CHŁOPICKI
deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
CHŁOPICKI
Verneint
2325Das Los mir —? Gib mir offnes Feld.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
nickt zustimmend.
CHŁOPICKI
deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Durch die Fenster des Zuschauerraumes dringt ein Feuerschein.
CHŁOPICKI
Dort brennts! — Durch eine Karte werde es erfüllt!
Deckt auf.
NIKE DER NAPOLEONIDEN
Wirft die Karten zu Boden
Eilt hinaus.
CHŁOPICKI
sinkt nieder.
PERSONEN DER SECHSTEN SZENE:
- Der alte Lelewel
- Joachim Lelewel
- Sein Bruder Prot
- Seine Schwester
- Xaver Bronikowski
- Nike von Chaeronaea
- Hermes
IN DER WOHNUNG LELEWELS
Ein großes Zimmer im ersten Stock. Links zwei Fenster. Im Hintergrunde eine Tür, die zur Diele führt.
Rechts Tür zum Nebenzimmer. An den gelben Wänden Regale aus roh gehobelten Brettern, auf ihnen
viele ungebundene Bücher. Tisch, einige Stühle, ein
Sofa. Auf dem Tisch eine Lampe, Schreibzeug und
Zeichengerät.
JOACHIM LELEWEL
sitzt über den Tisch gebeugt; er hält eine Münze in der Hand, die
er durch ein Vergrößerungsglas betrachtet
2330Was mag das nur für eine Münze sein —?
Die Umschrift ist fast nicht mehr zu entziffern.
B, O, — Bolesław, — aber welcher?
Legt die Münze beiseite, nimmt ein Buch
Es klopft; aus der Diele stürzt herein
XAVER BRONIKOWSKI
atemlos
Bist du, Lieber, da? —
2335Ich lief, was mich die Füße tragen konnten,
Mit Mühe nur schleppt ich mich bis hierher.
Unmittelbar ihm nach tritt durch die halb geöffnete Tür Hermes
und bleibt an der Schwelle stehen.
BRONIKOWSKI
Weißt du, was dort geschieht?!
LELEWEL
Sprich leise. — Still.
Dort drinnen —
weist auf die Tür rechts
2340
stirbt mein alter Vater.
BRONIKOWSKI
Endlich
Schlug uns die heiß ersehnte bange Stunde.
Wir leben und das Leben kennt kein Ende.
Die Fähnrichsschule machte heut den Anfang.
2345Sie schlugen los und haben schon den Fürsten
Gefangen oder ihn getötet. Jetzt
Heißts unverzüglich die Regierung bilden.
LELEWEL
Was sagst du?! — Es bereitet sich schon lange; —
Doch heute, — da doch jeder Augenblick
2350Gezählt; — du weißt, was ich für diese Sache
Empfinde. — Aber jetzt, da jede Stunde
Die letzte sein kaun, — kommt die Müdigkeit, —
Schlaflose Nächte — gestern, — ehegestern, —
Seit einer Woche hab ich niemanden
2355Gesehen.
BRONIKOWSKI
Heute morgen in der Kirche
Beschwuren sie's — Nabielak nahm den Schwur
Entgegen, — übernahm auch den Befehl.
In diesem Augenblick, — die ganze Stadt
2360Hat sich empört. Doch morgen schon, — wer weiß …
LELEWEL
Ein neuer Tag —! Ein Tag! — Seit langem schon
War ich bereit, — gewiss, — doch heute — nein,
Ich höre nichts von alledem, was du
Mir sagst, — denn mein Gehör, es saugt sich fest
2365An jene Wand, — denn dort, jetzt — gleich — wer weiß —?
Dort wacht die Schwester, ich muss leise sprechen, —
Denn er ist eben eingeschlummert. — Wie
Ein Stein liegt diese Botschaft auf der Brust.
BRONIKOWSKI
O glaube mir, wir brauchen dich, wir können
2370Dich nicht entbehren, — man muss Leute sammeln. —
Jetzt in der Stunde, da das Volk erwacht,
Willst du beiseite stehn, gleichgültig bleiben?
LELEWEL
BRONIKOWSKI
Du hasts versprochen. —
2375Ruf sie zusammen, schreib die Listen aus. —
Das, was dich innerlich berührt, muss jetzt
Zurückstehn, da ein Größeres dich ruft,
Das sich erfüllen muss.
LELEWEL
Es wird geschehen,
2380Was Gott in seinem unerschütterlichen
Willen bestimmt, nicht das, was Menschen sinnen.
BRONIKOWSKI
fährt auf
Sie haben nicht das Recht, Herr —
LELEWEL
Wie das schmerzt — —
Gott hat zuerst ein andres Recht geschaffen;
2385Hier ruht mein Recht —, und jetzt in dieser Stunde
Kann ich vom Sterbebette meines Vaters
Nicht weichen. Und ich werd auch nicht. —
BRONIKOWSKI
LELEWEL
2390Ich will meine Seele nicht
Beflecken, — und das schuld ich meinem Vater,
Dass ich bei ihm verweile, bis dass er
Den letzten Atemzug getan. Der Gott,
Der Tote auferstehen lässt, hat wohl
2395Bestimmt, dass ich beiseite stehen soll
Und andere zur Tat berufen, mich
Wird er von dieser Sünde lösen.
BRONIKOWSKI
Soll
Ich denn mit leeren Händen gehn —?
LELEWEL
2400
Du musst
Mit leeren Händen gehen. —
BRONIKOWSKI
Wie entsetzlich
Blickst du —? Ich eilte her und außer Atem
Stürzt ich herein im Glauben, dass Vernunft
2405Ich finde, dass ich Pallas treffe, dass
Die aegistragende bei dir verweilt, —
Und sehe, dass du nicht auf Pallas hörst,
Nur zitterst, bleich bist, nicht in Gluten stehst,
Ein Mann der Tat.
LELEWEL
2410Du findest Pallas nicht
Bei mir und findest auch die Hoffnung nicht;
Durch meines Denkens schwelend Glutenhäufchen
Fuhr mir ein Hauch von Chaeronaeas Luft.
Drum bin ich bleich und fürchte mich; du findest
2415Bei mir nicht Pallas, nicht die Hoffnung wieder.
Ich sehe anderes, — ich sehe Hermes
Nackt in das Zimmer treten, seh ihn stehen
Auf dieser Schwelle und die Schlange zuckt
In seiner Hand; — er lauert, um die Seele
2420Des Menschen zu verführen, wenn noch heute
Des greisen Vaters toter Leib mir dort
In jenem Zimmer sollt im Arme ruhen.
Solange dieser Gott die Schwelle hütet,
Wird keine andre Gottheit Einlass finden.
2425Nun richte selbst, mein Bruder, bin ich schuldig —
Heut weiß ich nichts, — erinnre mich an nichts,
Gestorben ist mir heute alles, — tot, —
Nur Tränen würgen mich, — ach —
BRONIKOWSKI
geht hinaus.
LELEWEL
Lauscht an der Tür des Nebenzimmers, kehrt dann zum Tisch
zurück
2430Bolesław, — aber welcher —? Inschrift, — und
Ein Ritter hoch zu Pferd, — mit Schwert und Schild,
Ein Schwert zur Seite. — Ja, ein Fund. Ich zeichne
Es ab, dann find ich seinen Ursprung leichter
Heraus.
Er zeichnet
2435
Der Kopf ist schwer. — Ich sehe schlecht. —
Die Umrisse verschwinden vor den Augen.
Hört auf zu zeichnen.
HERMES
geht auf das Nebenzimmer zu.
LELEWEL
in Gedanken versunken
Wer mags nur sein —? Fürst Czartoryski, — hm, —
Niemcewicz, — und vielleicht Lubecki —? Ja,
Es wird. Man muss den Reichstag einberufen. —
2440Der Finger Gottes. — Es fängt an. — Chłopicki. —
Es ist schon spät.
Sieht auf die Uhr
HERMES
geht durch die Tür rechts ins Nebenzimmer.
LELEWEL
steht auf, wankt, geht zum Fenster, bleibt einen Augenblick stehen.
Geht dann zum Tisch zurück und setzt sich. Die Uhr schlägt neun
Schläge. Aus der Tür rechts kommt
HERMES
vom alten Lelewel gefolgt.
DER VATER
folgt Hermes zur Tür im Hintergrunde, bleibt auf halbem Wege
stehen, hinter dem Stuhl des Sohnes
Was wartest du? Von dort kehrt niemand wieder.
Du lebst und musst nun handeln. Warte drum
2445Nicht länger, — ich bin nur ein Schatten und
Verschwinde mit dem ersten Morgengrauen.
Ich sinke, wie ein alter Baumstamm sinkt,
Der morsch und schwach gar viele Jahre trug.
Du lebst, — drum lass das Leben dich umbrausen.
2450Denk an die Tat, vollende sie mit denen
Im Bunde, die dir Gott zu Brüdern gab. —
Sieh, der Gedanke ist ein Hauch, — erhasche
Ihn, — öffne deine Brust und sauge ihn
Mit tiefem Atemzuge ein. O sieh,
2455Ein Hauch ist der Gedanke nur, — ein Sturm
Weht ihn hinfort — und du bleibst, — arm und leer;
Der Morgen kommt und du erwachst und fühlst
Den Fluch der Schuld: Der neue Tag erwacht
Und ist dem alten gar so fremd …
LELEWEL
in Gedanken versunken
2460Es naht die letzte Stunde meines Vaters,
Er kämpft den letzten Kampf und gerade jetzt,
Da er zum ewgen Schlummer sich bereitet,
Erwacht die Menge, reißt sich los und drängt
Zum Frühlicht eines neuen Lebens. Ich
2465Muss abseits bleiben, muss das Feuer hüten,
Verschränkt die Arme an dem Grabe stehen,
Das meine Hände ihm geschaufelt haben, —
Soll ich beim Leichenschmaus mich freuen dürfen?
VATER
Leb wohl, mein Sohn, weit ist der Weg, ich ziehe
2470ln ferne Lande, in Elysiums Haine,
Ins Reich des ewgen Schlafes, und der Blick
Wird trübe, nächtger Tau blinkt auf den Wimpern
Und kaum vermag ich dich noch zu erkennen.
Leb wohl, mein Sohn, — und meine letzte Bitte,
2475Bewahre deine Hände rein vom Blut —!
LELEWEL
steht auf
Warum verschränkt die Arme? — Dort, — mein
Werk, —
Das Zeichen, — letzten Endes Ziel, — — dort, —
Blut, — —
2480
Hier liegt mein Vater in den letzten Zügen
Und ich, — ich weine. Geh, o lass mich frei,
Ich bin zu schwach für diese Last, die mich
Erdrückt, — ich fleh dich an, — ich will nicht
weinen, —
2485Nicht Tränen will ich jetzt vergießen, — Blut,
Blut will ich, — Blut, — mein Vater!
VATER
O bewahre
Die Hände rein von Blut. —
LELEWEL
Blut will ich, — Blut;
2490Die Stimme, — ach, ein Flüstern, — — welch ein Schatten —?
Die Scheiben klirren, — grausger Wind, ein Sturm
Fegt durch die Gassen. Menschenknäuel winden
Sich durch die Straßen — dort, — und hier, — wie müde
Bin ich, — so müde, — Schlaf, — ach Schlaf, — so viele
2495Schlaflose Nächte hier, — und dort erwachen
Jetzt Menschen, stehen auf, stürmen dahin, —
Geboren wird jetzt der Gedanke und
Ein Reich wird aufgebaut, — feurige Wehen —!
Warum darf ich nicht auch dorthin — —?
VATER
2500Ich gehe, —
Dein Herz, vermag ich nicht zu retten.
LELEWEL
Schon
Begann das große Werk, ist halb getan.
VATER
Bewahre deine Hände rein von Blut.
LELEWEL
2505
Der Freiheit goldner Feiertag, — jetzt gilts —
Ein Hauch ist der Gedanke, — weht dahin, —
Polen wird dort geboren.
VATER
Du warst mir
Ein treuer Sohn…
LELEWEL
2510Fort Tränen, Leid und Schmerz;
Das große Werk ergriff schon der Gedanke, —
Ein Hauch spielt er dahin und wird, — fort jetzt,
Ihr Tränen, fort …
VATER
LELEWEL
2515Gib mir die Kraft, mach hart mein Herz, den Kummer,
Den Schmerz zu überwinden, stark zu sein.
Um auch dorthin zu gehen, wo der Kampf
Beginnt und Polen jetzt geboren wird
Aus heißer Sommernächte glühnden Träumen.
VATER
folgt Hermes langsam zur Tür im Hintergrunde
2520
Ich gehe in das Reich des ewgen Friedens.
Ade! Ade! Ade!
Verschwindet in der Tür.
LELEWEL
wendet sich um, sieht die Tür offen
Was gibt es —? Kam schon wieder jemand her,
Um mich zu rufen —? Was bedeutet das?
Der Flur ist leer.
Aus dem Zimmer links kommt
DIE SCHWESTER LELEWELS
bedrückt.
LELEWEL
sieht sie an
Blickt zur Tür
SCHWESTER
weist auf die Tür des Zimmers, aus der sie gekommen, unsicher, leise
Er schläft, — er schläft —
LELEWEL
in Gedanken, leise
Ich weiß, es ist
2530Der ewge Schlaf.
SCHWESTER
Ich wagte seine Stirne
Nicht zu berühren. —
LELEWEL
will etwas sagen.
SCHWESTER
LELEWEL
Ihn erweckt
2535Jetzt keine Stimme mehr. Sein Geist ist schon
Dahingegangen.
Sie gehen beide in das Zimmer des Vaters, aus dem Lelewel sogleich
zurückkehrt.
SCHWESTER
kehrt zurück und bleibt auf der Schwelle stehen
Sahst du? Tränen fließen
Aus halbgeschlossnen Lidern noch herab…
LELEWEL
Die letzten Worte, die er zu uns sprach.
SCHWESTER
2540Ich hörte, du warst nicht allein, — ich wagte
Nicht einzutreten, doch ich öffnete
Die Tür ein wenig. Ging dann wieder fort,
Doch nur so weit, um euch zu lauschen. Prot
Hab ich erwartet, grad zu dieser Stunde
2545Versprach er mir zu kommen und ich wollte
Mit ihm zusammen Vaters Bett erneuern,
Denn ich allein vermöcht es nicht; — vorüber
Sind nun die Sorgen, — alles ist nun aus,
Da seine Seele einging zu dem Herrn.
PROT, LELEWELS BRUDER
stürzt strahlend vor Freude durch die offne Tür im Hintergrunde
herein. Da er sein freudiges Gefühl in Worte fassen und von den
Ereignissen in der Stadt erzählen will, gewahrt er den Bruder und
die Schwester, die regungslos dastehen; die Worte ersterben ihm
auf den Lippen.
NIKE VON CHAERONAEA
eilt kurz nach ihm herein, verbirgt ihn mit plötzlicher Bewegung
der Hand vor den andern und spricht an seiner Stelle
2550Freude will ich euch künden!
Sehet, die Toten winden
Kränze aus Rosen!!
Die Feinde erliegen,
Die Eueren siegen,
2555Zerbrochen die Ketten,
Die Freiheit zu retten
Wandelt der Tod und mäht.
Greift nach der Fahne, sie weht
Durch die Lüfte gegossen.
2560Was dich gebunden,
Ist nun geschwunden,
Der Tod hat auch dich befreit,
Nahm dir Sorge und Leid.
Auf! — und erwache in Glut, —
2565Sieh, dort draußen fließt Blut,
Sieh, dort draußen rauscht zündend die Wut!
Seid ihr zu schwach, die Liebe zu knechten?! —
Euch kam die Freiheit — aus göttlichen Rechten!!
Trommelwirbel des durch die Straßen ziehenden Heeres.
PERSONEN DER SIEBENTEN SZENE:
- Pallas Athene
- Ares
- Peter Wysocki
- Sewerin Goszczynski
- Ludwik Nabielak
- General Zymirski
- Leutnant Czechowski
- Leutnant Zaliwski
- Graf Stanislaus Potocki
- Fürst Adam Czartoryski
- Der junge Gendre
- Makrot
- Ein Gendarmeriecoffizier
- Ein Kutscher
- Fähnriche
- Aufständische
- Leute aus dem Volke
- Erste Kere
- Zweite Kere
- Dritte Kere
AUF DER STRAßE
Eine enge Gasse, die nach dem Hintergrunde führt
und dort in eine breite Straße, die Krakauer Vorstadt
mündet. Die Gasse wird von den Rückwänden der
Häuser und Gartenmauern begrenzt. Im Vordergrunde zweigt rechts und links je eine Gasse ab; an
der Kreuzung eine Laterne.
PALLAS
steht in der engen Gasse, blickt nach dem Hintergrund. Militär
zieht in Abteilungen im Hintergrunde von rechts nach links;
Trommelwirbel.
PALLAS
tastet sich zur Mündung der Gasse, ruft mit Kommandostimme
LEUTNANT CZECHOWSKI
marschiert mit seiner Abteilung auf der Hauptstraße
Biegt in die enge Gasse ein. Czechowskis Abteilung löst sich vom
Gros ab und biegt ihrem Führer nach in die enge Gasse ein; Pallas
schreitet ihnen voraus.
CZECHOWSKI
PALLAS
Zum Arsenal!
Zahlreiche Bataillone werden
Dir folgen. Und mit Feuerstürmen
2575Erweck ich ihren Geist. Hinauf! Empor!
CZECHOWSKI
Dir nach, du Göttermädchen Pallas!
PALLAS
Ich glüh in Kraft und in allmächtigem Wollen.
Tritt näher her zu mir, mein Freund,
Wie ist dein Name? Lass ihn hören.
CZECHOWSKI
PALLAS
Späte Zeiten sollen
Ihn nennen. Dieser Tag soll dir gehören
Und diese Nacht, — die eine Nacht.
Dein Vaterland hat einen Sohn gewonnen!
2585Auf!
CZECHOWSKI
Vorwärts marsch! — Mein Glaube? — Zar,
Dein Königreich, es — war;
Zum Arsenal!
Biegen in die Seitenstraße rechts ein, Trommelwirbel.
PALLAS
wendet sich dem Hintergrunde zu, da sie bemerkt, dass das Militär
weiter auf der Hauptstraße zieht
Halt! Ihr, — wohin? Steht still! Ihr eilt?
2590Die Mädchen senkten ihre Flügel,
Beschatteten den Weg. Verweilt!
Ich bin mit euch, wo strebt ihr hin?
Ihr spielt mit eurem Leben.
Verrat hat euch die Richtung angegeben!
2595Und ihr gehorcht arglos mit gläubigem Sinn.
ARES
inmitten des Militärs auf der Hauptstraße
GENERAL ZYMIRSKI
zu Pferde inmitten des Militärs auf der Hauptstraße
ARES
Mit Leichen decke ich das Feld!
Und siege!
PALLAS
2600
Du bist von Sinnen. Und dein Wahn
Ist Lüge!
ARES
ZYMIRSKl
Siegesgöttinnen fliegen über den Häuptern der Soldaten in
Marschrichtung.
PALLAS
Sie rasen! — Weh! Sie rasen!
Kommt nach vorn.
WYSOCKI
kommt eilends aus der Straße links, bemerkt Pallas
PALLAS
Mein Held!
Der erste Sieg ist dein!
WYSOCKI
Sieh, wie der Kürassier mich traf;
Auf meiner Wange, —
PALLAS
2610
Eine Wunde!
Das Blut ist frisch, lass es mich trinken.
Dein Name lebt, weit über diese Stunde!
Fähnriche marschieren auf der Straße links, bleiben stehen.
PALLAS
Nun höre mich, — sie eilen jetzt daher,
Und streben blindlings hin zum Belvedere.
2615Ares, der Rasende, hetzt sie und treibt.
Und meine Töchter rauschen in den Lüften
Und einer Wolke gleich verfolgen sie
In stummem Zug das dichtgeballte Heer.
Ein einziger nur, — nur einer bleibt
2620Gehorsam meinem Ruf. Er hörte, wie
Ich im geheimen warnte, und er führt
Im Schutz der dunklen Nacht nun seinen Zug
In diese Seitengasse.
WYSOCKI
PALLAS
2625
Zum Arsenal. Eilt auch dorthin,
So schnell ihr könnt und teilt die Waffen aus.
Schlagt ein die Tore! Hört ihr wohl?
FÄHNRICHE
GOSZCZYNSKI
kommt aus der Seitengasse links.
DIE VOM BELVEDERE
folgen ihm.
PALLAS
Doch ich, allein in Wahn noch nicht verstrickt,
2630Gestatte nun, dass Ares glauben mag,
Der Sieg sei sein;
Ich aber nur mit euch allein,
Bevor sich neigt der Tag,
Erobere das Arsenal. Ist dies geglückt,
2635Ist für den Fürsten auch die Stadt verloren,
In dem Palais, dem leeren Königsneste
Setz Ares ich gefangen und
Bereite ihm der Liebe reiche Feste
Mit jenem Mädchen, das ich ihm erkoren.
2640Dann geh ich hin, ein Wort aus meinem Mund
Zerstört den Liebestraum und weckt sie beide auf.
STANISLAUS GRAF POTOCKI
naht im Hintergrund von der Hauptstraße her.
GOSZCZYNSKI
PALLAS
WYSOCKI
POTOCKI
von weitem
Alte bleiben stehn, er kommt näher und erkennt die Fähnriche
PALLAS
Seht auf unserm Scheitel
Den Stern, den gottgeborner Stolz erhellt.
WYSOCKI
Geht mit uns, Graf Potocki! Seht die Adler,
2650Sie breiten ihre Schwingen über uns!
POTOCKI
Sie schweigen!! Ich befehle!
WYSOCKI
Spielen Sie
Nicht mit der Ehre, General!
POTOCKI
Ich habe Sie
2655Zum Hüter meiner Ehre nicht bestellt.
WYSOCKI
Ich will Sie ja um alles in der Welt
Nicht kränken. Doch ich wünschte mir, Sie wären
Ein Beispiel uns an Mut und Rittertugend,
Herr Graf, ich wünscht, Sie zeigten sich als Held.
POTOCKI
NABIELAK
WYSOCKI
Mein lieber Graf Potocki, auf den Knieen
Bitten wir Sie.
Kniet nieder.
FÄHNRICHE und DIE VOM BELVEDERE
stehen unbeweglich.
POTOCKI
lächelt.
WYSOCKI
Ich fleh Sie an. O gehen
2665Sie mit uns.
POTOCKI
schweigt.
WYSOCKI
FÄHNRICHE
Knien nieder.
WYSOCKI
POTOCKI
wendet sich ab.
WYSOCKI
FÄHNRICHE
erheben sich
WYSOCKI
2670
Gut, — so gehen wir allein!
Laut
Auf, Jungens, auf, schon windet man euch Kränze!
Zum Arsenal! Zum Arsenal!!
Er geht von den Fähnrichen und denen vom Belvedere gefolgt in die Seitengasse rechts.
POTOCKI
steht in Gedanken versunken.
PALLAS
tritt vor Potocki hin
Wer bisi du, — dass sie so nach dir verlangen?
Bist du so mächtig und vermagst so viel? —
2675Du wagst es, zwischen mich und jenes Ziel,
Das mir gesteckt, zu treten, — wagst es? Sprich,
Wer ist dein Herr?
POTOCKI
zieht die Augenbrauen zusammen.
PALLAS
Willst du, dass deine Brüder
Ihr Blut umsonst vergießen? Glaubst du denn,
2680Du, du allein entgehst dem Flügelschlage
Der Adler, die ich aufgescheucht?
Ahnst du die feuerschwangre Macht,
Die dieser Nacht
Den Purpurmantel reicht?
POTOCKI
senkt den Kopf nachdenklich, düster.
PALLAS
berührt ihn mit dem Speer an der Stirn
2685
So nimm Vernunft an.
ZALIWSKI
an der Spitze einer Abteilung Soldaten, aus der Gasse links
Es ist Nacht,
Lasst Kugeln pfeifen.
Kommandiert
PALLAS
ZALIWSKI
PALLAS
weist auf Potocki
ZALIWSKI
Wer ist das?!
Steh! Die Parole!
POTOCKI
unbeweglich
ZALIWSKI
erkennt, salutiert, kommandiert
2695
Achtung! Präsentiert das Gewehr!
POTOCKI
zieht den Degen, kommandiert
Gewehr über! Hechts um! Marsch!
ZALIWSKI
Zaliwskis Abteilung hat auf Potockis Kommando gehört und steht
abgewendet, die Front nach dem Hintergrunde.
POTOCKI
Zaliwskis Ableitung setzt sich in Marsch durch die enge Gasse nach
dem Hintergrunde hin.
ZALIWSKI
springt vor seine Abteilung
POTOCKI
ZALIWSKI
Dort hinaus ist ja der Weg
Zum Belvedere! — Verrat!!
POTOCKI
schiebt Zaliwski mit seinem Degen beiseite
EINE STIMME
Die Russen! Gendarmeriepatrouille!
Zaliwskis Abteilung zieht sich in den Vordergrund zurück. Auf der
Hauptstraße wird eine russische Gendarmeriepatrouille sichtbar.
ZALIWSKI
zu seinen Leuten
2705
Front! — Geladen! — Legt an.
POTOCKI
ZALIWSKI
POTOCKI
ZALIWSKI
Zaliwskis Abteilung schießt nach dem Hintergrund. Die russische
Gendarmeriepatrouille schiebt sich in die enge Gasse vor.
GENDARMERIEOFFIZIER
ZALIWSKI
Die Abteilung kniet nieder. Die russische Gendarmeriepatrouille
schießt nach dem Vordergrund.
POTOCKI
der unbeweglich stand, fällt, von einer Kugel getroffen.
ZALIWSKI
Die Abteilung pflanzt Bajonette auf
PALLAS
ZALIWSKI
2715
Glaube! — Marsch! Marsch!
GENDARMERIEOFFIZIER
Schüsse fallen auf beiden Seiten, mehrere von Zaliwskis Leuten
fallen. Die Abteilung rückt in die enge Gasse vor.
PALLAS
eilt nach dem Hintergrund
Die russische Gendarmeriepatrouille zieht sich zurückgedrängt in
den Hintergrund zurück. Die Abteilung Zaliwskis verschwindet in der Hauptstraße.
VOLK
stürzt aus der Gasse links und schleift Makrot mit sich
Spion! Spion! Hängt ihn! Reißt ihn in Stücke!
MAKROT
Erbarmen! Habt doch Mitleid!
VOLK
2720Spion! Spion! Hängt ihn! Reißt ihn in Stücke!
MAKROT
Erbarmen! Habt doch Mitleid!
DER JUNGE GENDRE
in der Uniform eines russischen Offiziers stürzt aus der Gasse rechts
VOLK
weicht zurück
MAKROT
Klammert sich an Gendres Knie, blickt ihm, der sich über ihn neigt,
scharf ins Gesicht; plötzlich
Wisst ihr auch, wer das ist?! Das ist der Sohn
2725Des Schurken, des gemeinsten Galgenvogels.
Sein Vater ist des Großfürsten Vertrauter.
Schlagt ihn doch tot!
Stürzt sich auf den jungen Gendre
Du Hund! Du Hund! Du Hund!
DER JUNGE GENDRE
zieht den Degen.
VOLK
entreißt ihm den Degen und bricht ihn in Stücke.
DER JUNGE GENDRE
Sinkt nieder
MAKROT
steht über die Leiche gebeugt, mit betäubt.
EINER AUS DEM VOLKE
MAKROT
lauscht
Halt. — Wartet. — Hört ihr einen Wagen kommen?
VOLK
lauscht in Erwartung.
MAKROT
Ein Wagen holpert übers Pflaster.
Ein Wagen fährt herein.
MAKROT
stürzt dem Wagen entgegen
KUTSCHER
MAKROT
Wer? —
Wer, sagst du, fährt?
VOLK
umringt den Wagen.
MAKROT
Seht her, die Brust besät
2740Mit Orden. Ein Verräter! Du Verräter
Lewicki! Ah —, ich kenne dich! Du Judas!
Sollst hängen, Bruder!
Es fallen einige Schüsse.
MAKROT
Oh, — schon tot! — Schon tot!
EINER AUS DEM VOLKE
VOLK
zieht die Leiche aus dem Wagen heraus.
EIN ZWEITER AUS DEM VOLKE
2745
Seht doch zu, wers ist!
KUTSCHER
Springt vom Bock.
DER ZWEITE AUS DEM VOLKE
Und erschossen
An Stelle von Lewicki! — Welches Unglück.
Ein Edler fiel an Stelle des Verräters!
KUTSCHER
führt die Pferde in die Seitengasse.
DER ERSTE AUS DEM VOLKE
2750
Wer sagte da, es wäre ein Verräter?
Wer hat die Namen so verwechselt?
DER ZWEITE AUS DEM VOLKE
VOLK
weist auf Makrot
DER ZWEITE AUS DEM VOLKE
2755
Das Schandmaul soll man ihm
Mit seinem eignen Blut verkleben.
VOLK
stürzt sich auf Makrot, wirft ihn nieder und schleift ihn am Boden
Hängt
Ihn auf! — Ganz hoch! — An die Laterne! — Hängt!!
Spritzt, klatscht sein Blut, — sein Blut an alle Mauern!
Wirft die Leiche auf die Straße, entfernt sich in der Richtung auf
die Hauptstraße
An den Mauern schleichen entlang
KEREN
stürzen zu den Leichen der Gefallenen, beugen sich darüber und
Saugen das Blut
2760
Saug alles Böse aus dem Gebein,
Den Geifer aus den Wunden.
ERSTE KERE
über Makrots Leiche gebeugt
ZWEITE KERE
über Potockis Leiche gebeugt
DRITTE KERE
über des jungen Gendre Leiche gebeugt
ERSTE KERE
an Makrots Leiche geklammert
ZWEITE KERE
an Potockis Leiche gesaugt
DRITTE KERE
an des jungen Gendre Leiche geklammert
ERSTE KERE
Saug das Leid
Heraus und kose, schmeichle, herze.
ZWEITE KERE
2770Wenn du die Seele von dem Joch befreist
Und aus der Seele alle Sünden reißt,
Dann leiten wir sie auf die Insel
Zum Spaß.
DRITTE KERE
ERSTE KERE
In der Gasse hört man das Knarren eines Schlosses; in der Mauer
öffnet sich eine enge Pforte, daraus tritt
FÜRST ADAM CZARTORYSKI
in einen weiten Mantel gehüllt, späht umher, bleibt im Schatten der
Mauer stehen
ZWEITE KERE
DRITTE KERE
ZWEITE KERE
Im Schatten
Der Mauer blieb er stehn.
FÜRST ADAM CZARTORYSKI
ist einige Schritte gegangen; steht im Licht, lauscht und späht,
nachdenklich.
ZWEITE KERE
DRITTE KERE
ZWEITE KERE
Sucht der Gedanken Gleichgewicht. —
FÜRST CZARTORYSKI
ZWEITE KERE
Von der Krone träumt der Tor.
FÜRST CZARTORYSKI
in Gedanken versunken
2785
Wohin mich wenden —?
ZWEITE KERE
Hüt dich vor
Gedanken, die du denkst!
FÜRST CZARTORYSKI
blickt sich um
Sind sie
Der Zukunft allzu schnelle Boten — — —?
Will nach der Hauptstraße zu gehen
2790
Nein, — nein, hinweg —
ZWEITE KERE
erhebt das Haupt
FÜRST CZARTORYSKI
ist stehen geblieben, beugt sich nieder, um zu sehen, zu verstehen
ZWEITE KERE
erhebt sich langsam, von ihren Lippen sickert Blut
PERSONEN DER ACHTEN SZENE:
- Ares
- Johanna
- Siegesgöttinnen
- Kora
IM PALAIS ŁAZIENKI
Das Vestibül des Palais, säulengetragen; kahle Sträucher und Zypressen.
SIEGESGÖTTINNEN
führen Ares im Triumphzuge herein
Heil dir, du siegtest, wie nur Götter siegen.
ARES
2795Sie traf mein Schwert, zu meinen Füßen liegen
Sie überwunden.
GÖTTINNEN
O du trafst ihn gut,
Den übermütgen Sinn, du bogst den steifen
Nacken herab und aus den stolzen Zügen
2800Wich alles Blut.
Du darfst nach königlichem Lorbeer greifen.
ARES
Die Rüstung schmilzt von innerlicher Glut.
Schweißtropfen perlen nieder. — Gebt zu trinken.
GÖTTINNEN
Sahst Menschenknäuel stürzen und versinken
2805Id einem Meer von Blut, daraus verjüngt
Sie sich zu neuem Leben
Erheben.
ARES
Legt ab die Rüstung, denn sie schwitzt von Blut.
Legt ab den rostgen Helm, lasst Fackeln leuchten,
2810Streut Weihrauch auf die Pfannen, Opfer bringt
Dem großen Zeus.
GÖTTINNEN
reichen ihm einen Trunk.
ARES
Eh meinen Mund befeuchten
Die ersten Tropfen, sei der erste Trunk
Dem Vater dargebracht.
Nimmt den Pokal, gießt Wein auf die Erde.
GÖTTINNEN
entzünden Feuer auf Dreifüßen, strahlende Helle verbreitet sich.
ARES
2815
Wer nennt dies leere Haus sein eigen?
GÖTTINNEN
August der letzte Polenkönig hats erbaut.
Gebildet an hellenischer Kunst.
ARES
Und seine Enkel waren zu gering,
Darin zu wohnen —?
GÖTTINNEN
2820
Nur ein Schweigen,
Dem stumm sich schattenarme Wände neigen,
Uns hier umfing.
ARES
GÖTTINNEN
öffnen das Hauptportal des Palais, in der Tiefe wird Eros sichtbar,
der im anstoßenden runden Saat steht.
GÖTTINNEN
Wer ist der Knabe in lockigem Haar,
2825Die Wangen wie Milch und Blut?
Den goldenen Bogen mit keckem Mut
Spannt er und wägt den goldenen Pfeil.
Schützt er das einsam verlassene Haus?
Wie ist dein Name, du schöner Knabe?
2830War Aphrodite dir Mutter, es strahlt
Göttliche Schönheit von dir aus.
Und deine purpurleuchtenden Wangen
Sind wie mit Morgenröte gemalt.
EROS
spannt den Bogen und zielt auf Ares' Brust.
GÖTTINNEN
gehen in das Innere des Palais, von wo sie Johanna herausführen
und zu Ares geleiten
JOHANNA
in langem Schleier und weißem, mit Sternen besätem Kleide.
GÖTTINNEN
Sieh, es naht der Frauen Blüte
2835Und es strahlt der ganze Raum;
Sie entflammte Aphrodite,
Weckte sie aus schwerem Traum.
ARES
betrachtet Johanna
Bald erglüht sie, bald erbleicht sie.
JOHANNA
Eros führt mich zu dir hin.
2840Eros lenkte meinen Sinn.
ARES
Aphroditens schöne Gabe
Wangenrosig mir sich neigt.
JOHANNA
Aus verschwiegner Liebe Grabe
Röte zu den Wangen steigt.
2845Meine Trübsal, wann entweicht sie?
GÖTTINNEN
Cyperns Göttin, Aphrodite,
Leitet dich, Betrübte,
Sie erhörte deine Bitte,
Siehe: Der Geliebte.
JOHANNA
2850Will gehorsam sein dem Lose,
Eros' Macht hab ich verspürt;
Aus des Krieges blutgem Schoße
Hat mich Waffenlärm geführt,
Und mit meinem Hofstaat stehe
2855Ich vor dir.
ARES
Da du mir bestimmt zur Ehe,
Komm zu mir.
JOHANNA
Liebesgluten
Mich durchfluten.
ARES
2860
Lass sie lodern, lass sie brennen.
JOHANNA
Meine Schande sollst du kennen, —
Räche —!
ARES
Deine Schwäche
Soll ein großes Opfer sühnen.
2865Alle Ritter, die gefallen,
Folgen deinem Siegeswagen.
Schreckensrufe werden hallen,
Tote werden Tote jagen, —
Mit entsetzten Mienen.
2870Sieh, die blutgen Kränze tragen
Die Erinnerung dieser Nacht.
JOHANNA
Goldene Blätter tragen sie;
Doch in meinem Lande
Sah ich solche Blätter nie.
ARES
2875
Sie erraffte meine Macht:
Sieh, wie Helden siegen.
JOHANNA
Dich allein hab ich ersehnt,
Dich nur kann ich lieben.
Wand in Elend mich und Schande,
2880Härmte mich in bangen, trüben
Nächten, schluchzte bitter und
Betete, — jetzt lacht mein Mund.
ARES
Deinen kummerbleichen Zügen
Leuchte junger Liebe Licht.
JOHANNA
2885
Ich bin stolz, — und zittre nicht.
Denn ich hab dein Knie berührt,
Dich als meinen Herrn verspürt.
Nach mir Tod
Und Angst und Not,
2890Schaudern.
Hochzeitsklänge tönen mild, —
Singen.
ARES
Warum zaudern?
Lasset wild
2895Schwerter an die Schilde schlagen, —
Siegeshymnen sollen klingen.
Aus den Sälen des Palais ertönt Musik.
JOHANNA
Nimm mich hin, ich bin bereit,
Meine Glut ist dir geweiht.
ARES
Tausend tote Ritter liegen,
2900Die ich hingestreckt;
Seelen habe ich geweckt
Und befreit.
Und in vollen, reichen Zügen
Durften sie des Sterbens Lust genießen;
2905Deiner harrt der Liebe Lust in süßen,
Heißen Schauern.
JOHANNA
Wollust, die du ausgebreitet
Über sie, hat ihren Geist
Aus der Qual emporgeleitet
2910Und zum Flammenhauch geweitet.
Deine Gluten schenk dem Leibe,
Schenk die Wollust deinem Weibe…
GÖTTINNEN
Seinem Rufe folgen wir,
Öffnen Tor und Tür,
2915Er, der Kriegsgott, Herr der Schlachten,
Herrschet hier.
ARES
Sieg errang ich auf dem Feld,
Sieg in blutgem Lauf,
Und die Völker dieser Welt
2920Wachten auf.
JOHANNA
Liebe hast du dir errungen;
Elend war ich, lag in Nacht,
Deine starke Siegermacht
Hat mein Herz bezwungen.
ARES
2925
Welche Not kann dich noch kümmern,
Welche Sorge kann dich quälen,
Was kann, Holde, dir noch fehlen,
Da ich doch den Sieg errungen —?
JOHANNA
Sieh, ich zittre und es schimmern
2930Feucht die Augen. Du erschlugst
Viele Ritter in der Schlacht;
Doch ich kann nicht Ruhe finden,
Da der Gatte mit dem Bruder
Kämpfte und ich ja nicht weiß,
2935Wem ich Siegeskränze winden
Soll, da Sieger und Besiegte
Ich nicht kenne und nicht weiß,
Ob den Gatten ich beweinen,
Mich des Bruders freuen soll,
2940Oder ob dem Gatten fluchen.
Ob des Bruders Tod ich soll —?
ARES
Lern vergessen, — warum suchen
Welken Mohn in reifen Garben —?
Brände flammten, Menschen starben
2945Und das wilde Kriegsgeschrei
Hallte an den Trümmern wider,
Schwoll und starb und quoll aufs neu.
Dieses Feuers jähe Helle
Überflute deine Glieder,
2950Und die Ernte soll dich freuen.
JOHANNA
Jahre mussten sich erneuen,
Schloss und Riegel mussten rosten,
Eh du Sieger diese Schwelle
Überschrittst, die vor dir keiner
2955Überschritten, der dir gleich.
ARES
Mit des Siegers stolzer Macht
Darf ich weilen. Herzen glosten.
Doch nun schweigen sie von meiner
Hand erschlagen stumm und bleich.
JOHANNA
2960
Und du gabst der einen Macht
Deinen Flammenschein.
ARES
Diese eine heiße Nacht
Bist du mein.
JOHANNA
Lass mich sehn, sinds deine Waffen —
2965Vieler Schlachten schwarzes Blut
Klebt an ihnen.
Weist auf die abseits liegende Rüstung
Es tut gut,
Sich der Kämpfe zu erinnern,
Sich der Siege zu erinnern;
2970Heut am Tage düstrer Trauer.
ARES
In dem Siegesrausch durchfluten
Liebeglühnde, heiße Schauer
Mich und deine heilge Gabe
Nehm ich an.
JOHANNA
2975
Siehe, ich bringe
All mein Lieben dir, ich habe
Immer dir vertraut, du bist
Mein Erlöser.
ARES
führt sie an die Tür des Palais
JOHANNA
bleibt an der Schwelle stehen, blickt auf die Göttinnen; die Siegesgöttinnen ziehen ihre Flügel an.
Sag, was ist
2980Mit den Mädchen?
ARES
Wie du siehst,
Ziehen sie die Flügel an.
JOHANNA
Werden sie denn nicht mehr kämpfen —?
ARES
Nein, — nicht mehr. — Was wirst du bleich?
JOHANNA
2985Das ist schlimm. — — —
Die Siegesgöttinnen legen sich in der Vorhalle zum Schlafen nieder.
JOHANNA
ARES
Legen sich zum Schlafen nieder;
Denn ihr Werk, es ist vollbracht.
Sieh, die Kränze legen sie
2990Unters Haupt und schlafen gleich.
Was verbirgst du dein Gesicht?
JOHANNA
Werden sie nicht mehr erwachen?
Nicht mehr kämpfen?
ARES
Fürder nicht.
2995Warum zitterst du und schluchzt?
JOHANNA
ARES
geleitet sie zur Tür; die Musik wird leiser, bis sie verstummt.
In den hinteren Gemächern wird
KORA
als Königin sichtbar.
JOHANNA
Wer ist sie, die durch die Säle
Wandelt mit erhobnem Haupt?
Frei betritt sie diese Schwelle,
3000Jeder scheint ihr untertan —?
Sie bewegt sich kaum, man glaubt,
Alles sei in ihrem Bann, —
Jeder schweigt und nur der Baum
Rauscht verängstigt, flüstert kaum — —
KORA
betritt die Vorhalle
JOHANNA
Sag, du Schöne,
Scheinst aus königlichem Blut,
Bist du gar die Königin
Ewiger Nacht? Der Liebe Glut
3010Führt zum Schlafgemach uns hin.
Nun verlischt uns jedes Licht
Auf dem Weg und Dunkel flicht
Uns Gespenster vor die Seele.
Liebestrunken suche ich
3015Meinen Weg. Wer bist du, sag?
KORA
Hier an diesem Ort befehle
Ich allein.
JOHANNA
In deinen Augen
Seh ich wunderbares Leuchten,
3020Endlos tiefe, schwere Feuchten.
Ich erschrecke, meine Kniee
Zittern, fast, dass ich entfliehe.
KORA
In geheimnisvolle Reiche
Drangst du ein, mit Plutus hielt
3025Ich die Hochzeit und ich schleiche
Jetzt umher, um alle Speicher,
Wie die Gottheit mir befiehlt,
Zu besuchen. Ich bin bleicher,
Als ich war, — und war doch schön,
3030Herbst hat mich mit Sturm und Wetter
Um der Schönheit Reiz gebracht. —
Über Wasser tanzend wehn
Meine kostbar goldenen Blätter. —
Still, — ganz still, — dort unten tief
3035Liegen Gräber, — breitet Nacht
Ihre schwarzen Flügel aus, —
Dort, wo das Vergessen schlief,
Sind die Speicher. —
Zu ihrem Gefolge
Nimmt die Schlüssel
3040Sie verschließen alle Herzen,
Sie verschließen alle Seelen;
Und die Pulse jener Zeiten,
Die da kommen, lass ich schlagen;
Und in ewig langen Jahren
3045Und in ewig späten Tagen
Werden diese Keime sprießen.
Und die Erde wird in breiten
Furchen goldne Früchte tragen,
Wenn die Saaten gut und rein.
3050Menschen werden leben müssen,
Denen ich ein Leben künde,
Eines Daseins neues Leben!
Jeder Mensch gedenkend finde
Großer Väter stolze Taten
3055Vor und atme selber Größe!
Einstmals, — einst! — werdet ihr frei!
Alles Hässliche und Böse,
Das verderbend in euch schlummert,
Scheid ich aus wie schlechte Spreu.
3060Alles Unkraut aus den Furchen,
Alle Schmerzen, alle Leiden
Jät ich aus im Lauf der Zeiten.
Manches Unglück wird euch künden
Eines Schicksals schwere Hand,
3065Und wenn unter euch sich finden
Herzen, die Verrat ersinnen,
Die den Brüdern Unheil spinnen,
Ruf ich sie zu mir ins Land
Stummer Nacht. — Hier in den Tiefen
3070Meiner Saaten ruht die Tugend!
Und ich kehre zu euch wieder,
Mehrmals wieder, — viele Male
Kehrt der Lenz, — die ewge Jugend.
Und ich führ die teuren Brüder
3075Hin zum Leben, — Gluten schliefen
Unter Asche, — sie erwachen.
Lasst genug sein, — Ströme flossen
Heißen Blutes, doch sie sind
Nicht umsonst vergossen.
3080Mit dem Blute will ich düngen
Eure Acker und sie bringen
Dereinst Söhne euch hervor,
Denen alles das gelingen
Wird, was heute nicht gelingt.
3085Lasst für heute drum genug sein. — — —
JOHANNA
Was bedeuten diese Worte —?
KORA
Dies mein Wille!
Hörst du durch die Stille
Aeols wehe Klage —? — —
3090Sparsam muss ich schalten
Und die Liebe und die Kraft
Will ich wohl geborgen halten
Lange Jahre bis zum Tage,
Da ihr neu erwacht!
Breitet die Arme aus
3095
Sinkt, ihr Götter, in den Schlaf.
In den Schlaf, ihr müden Menschen!
Seid gehorsam meinem Wort, —
Denn mein Wort ist Macht!
Heißt mit gebietender Bewegung Ares und Johanna vorübergehen.
Ares und Johanna gehen in das Innere des Palais; die Lichter
verlöschen.
KORA
steht inmitten der schlafenden Göttinnen
Göttinnen, — ihr liegt im Schlummer —?
3100Auf mit Flügelrauschen!
Einst kommt wieder euch die Zeit
Und ihr werdet lauschen
Pallas' Stimme. Seid bereit
Zu des Siegs Unsterblichkeit!
3105Merket meiner Worte Sinn.
Verschließt die Tür des Palais mit dem Schlüssel.
AEOLS KINDER
im Rauschen der Bäume
Königin — Königin — Königin — — —
KORA
versinkt
PERSONEN DER NEUNTEN SZENE:
- General Gendre
- Der junge Gendre
- Stanislaus Potocki
- Pallas Athene
- Hermes
- Siegesgöttinnen
- Chor der Toten
DAS THEATER STANISŁAW AUGUSTS
Im Stanisławparke auf der Insel
Liegt das Theatrum Seiner Majestät
Des Königs. Fon der Flut umspielt
Ragt es empor und zage Wellen schlagen
An das Proszenium. Auf dem Land
Der Insel gegenüber hocken
In steingehaunen Sitzen der Tragödie
Verstorbne Meister, lauschen und betrachten
Die Auferstehung ihrer eignen Werke.
In dieser Herbstnacht, da der Mond aus grauen
Novemberwolken kalt und klar aufgeht,
Erscheinen die Ruinen und die Säulen,
Die zwischen Bäumen auf der Insel ragen,
In ein gespenstisch fahles Licht getaucht.
Die zwölfe Stunde, — und in langem Zuge
Erscheinen die, die heut im Waffengang
Gefallen und in Scharen lagern
Sie auf den Stufen des Proszeniums sich —
Und warten.
GENERAL GENDRE
Es kam die Stunde, da du rufst, mein Gott,
Des bessern Daseins Pforten öffnen sich.
Auch ich war Slawe und ein Bruder euch
3110Und musste doch euch widerstreiten, mich
Umstrickte die Gemeinheit, — doch der Tod
Löscht alles aus und heute bin ich rein
Und ohne Arg und Falsch. Mein Bruder, reich
Mir deine Hand, denn Gott hat mich entsühnt.
STANISLAUS POTOCKI
3115Geh fort! — Die Seele schaudert, denn gemein
Dünkt die Berührung mich. Wes Geist erkühnt
Sich mir zu nahen? — Meines Feindes. Dein
Gott ist der meine nicht. Wie kann ich dir
Die Hand denn reichen?
GENDRE
3120An deiner Schläfe seh ich eine Wunde.
Dich traf das Schwert —?
POTOCKI
Vor einer Stunde
Fiel ich gefällt von meines Bruders Streichen.
Mein eigner Sohn hat mich verwünscht, mein Gott hat mir
3125Geflucht und über mich kam das Gericht.
Ich hörte meines Gottes Stimme nicht,
So trieb das Schicksal mich in diesen Streit,
Da ich doch Kampf und Blutvergießen
Vermeiden wollte; konnte ich denn wissen,
3130Dass jener Sturm mich packt und niederreißt,
Wie morsches Holz? Zu spät erwachte mir
Das Herz. — O Söhne, Vaterland, o Brüder!
Wie fern seid ihr, die ewige Stimme weist
Mir meinen letzten Weg, der Park hallt wider
3135Vom Echo meiner Klagen, ich muss warten,
Bis dass ich fern von hier im stillen Garten
Des ewgen Friedens und des ewgens Blühens
Erwache; — und doch ist das Herz nicht still;
Es sehnt sich noch und zuckt und fragt und will
3140Noch einmal aller Schmerzen, allen Glühens
Noch nicht vernarbter Wunden Wollust kosten.
GENDRE
Du Seele fühlst noch immer heißes Brennen
Und ich — ich friere und mein Herz, es bangt
In Ungewissheit, ob mein einzger Sohn
3145Noch lebt und ob ich ihn noch einmal werde
An meinen Busen liebend pressen können.
Wird Gott auch dieses letzte Glück der Erde
Missgünstig mir versagen? Oder seh ich schon
Ihn nahen und die Arme um den Nacken
3150Mir schlingen, — fühl ich schon die jungen Lippen
Auf meinen glühen und die Worte alle
Der Furcht und Not, vom Kuss gelöst, wie Schlacken
Abgleiten, und es leuchten die Kristalle
Urreiner Liebe, reiner Traurigkeit —?
POTOCKI
3155
Was ist denn meine schwere Schuld gewesen?
Ich kann sie nicht mehr sehen, denken; weit
Sind die Gedanken. — Körperlose Wesen
Sind wir hierher als Seelen nur gesandt.
Uns haben die Unsterblichen erlesen.
CHOR DER TOTEN
3160
Wir Toten fahren in das Totenland.
POTOCKI
Ich blicke noch einmal auf diese Welt,
Und da sie rings zerfließt, entfällt
Auch die Erinnerung an alles, was gewesen;
Und alle meine Taten, alle bösen
3165Handlungen, die ich einst beging, die Sünden,
Im bleichen Nebel aufgelöst, entschwinden,
Und wunderbare Ruhe webt im Kreis.
Was war denn meine Schuld? Soviel ich weiß,
Ergriffen Väter, griffen Söhne Waffen,
3170Um sich zu morden, da ein schlimmer Wahn
Sie all umstrickt. Wie hab ich den gerechten
Und guten Kampf zu jeder Zeit verteidigt!
Doch werden von Gerechtigkeit und Rechten
Die Menschen nicht am ehesten beleidigt
3175Und fluchen dem, der Recht getan?
GENDRE
erkennt unter den weilenden Seelen seinen Sohn, winkt ihn in sich
heran
Mein Sohn, o ich erkenne dich, mein Sohn!
Du bists! — Bist du in meiner Nähe, Kind?
Du suchtest in dem Ruhme deinen Lohn,
Da schlug die Totenglocke und vermessen
3180Rief sie dich ab. — Dein Los bleibt unvergessen;
Doch wer wird um dich trauern und wo sind
Die Tränen, die um deinetwillen flossen?
Der Zar selbst schluchzte auf, wird man ihm melden,
Du seist gezogen in den Kampf der Helden
3185Und seist als erstes Opfer hingemäht,
Der Ähre gleich, die eine Sense traf;
Ein Apfelbaum, dem noch im ersten Blühen
Ein rauher Wind die junge Pracht verweht.
Nun bist du, mit dem Vater Hand in Hand,
3190ln jenes andre ferne Land gesandt.
Was wartet unser? Durch geheime Schluchten
Die Fahrt zu unerforschten, stummen Buchten.
Wo bist du, ewger Frieden, denn zu finden?
Durch Flammen müssen wir für unsre Sünden —!
DER JUNGE GENDRE
3195Ach Vater, fremde Tränen brennen heißer
Als eigene. Wie Feuertropfen fielen
Aus andrer Augen sie auf meine Wangen,
Verglühten mir das Antlitz und ein weißer,
Bleichblasser Schatten spielt um meine Stirn,
3200Da ich die Furcht erkannte und das Bangen, —
Denn diese Tränen, die mir Herz und Hirn
Auspressen, werden vor dem Richterstuhle
Des Allerhöchsten mich des Mords anklagen; —
Denn ich hab ja gemordet, da ich kämpfte.
GENDRE
3205
Du hast getötet, denn man griff dich an.
DER JUNGE GENDRE
Man griff mich an —? — Und mussten sie denn nicht,
Da es um alles ging, da Schiff und Boot
Mit Stürmen kämpfend in den Wellen lagen?
Ich trug von Anfang an auf dem Gesicht
3210Das Mal des Fluchs, — verflucht war auch mein Schwert,
Verflucht war mein Geschick. — Verflucht von Gott
Kämpft ich und fiel, — verflucht und hassenswert.
Ich fiel, — es war wohl Gottes Wille. —
Wir gehen, Vater, in das Reich der Stille,
3215Wo Zaren unsre Väter werden,
Wo alle gleich, ob groß, ob klein,
Wo alle Brüder werden sein,
Wie nie auf Erden.
Wo Blumen duften auf den Wiesen süß, —
3220Berauschend lockt das Totenparadies.
Wir scheiden von der Nebel dunklen Fluten
Und baden unsre Seelen in dem Tau
Der luftgehauchten Seligkeiten rein.
Und wenn wir durch des Fegefeuers Gluten
3225Hindurchgewandert und des Himmels Blau
Dem Auge strahlt, dann sind wir frei von Schuld
Und heilig durch des höchsten Gottes Huld.
Ach Vater — — —!
GENDRE
Was bedrückt dich, liebster Sohn?
DER JUNGE GENDRE
3230Es tut so weh, dass ich die Liebe nie
Gekannt im Leben und ich hätte schon
Durch Liebe glücklich werden können. Wie
Es quält und schmerzt, weil ich verhaßt gewesen
Bei allen, deren Liebe ich entbehrt.
3235Und nun, da sie die gleichen dunklen Pfade
Mit mir, mit uns, vom Schicksal auserlesen,
Zu wandeln haben, ist mirs grade,
Als schluchzte mir das Herz und Reue wehrt
Der Seele ihren Frieden. Aller Stolz
3240Und all mein Hochmut schwanden hin,
Nur nach Vergebung lechzt mein armer Sinn.
GENDRE
Schlaf ein, mein Sohn, schlaf ein und träume süß
Vom Ruhmeskranz, der deine Stirne ziert,
Den Gott aus goldnen Blättern winden ließ
3245Für deine Schläfe. Das Vergessen führt
Vergebung deiner Schuld herauf.
DER JUNGE GENDRE
Mein Vater,
Ich sehne mich nach Licht, nach hellem Tag,
Heraus aus dieser schreckensdunklen Nacht, —
3250Wann wird sie enden —? Sag mir, wer vermag
Dies alles? — Welcher Gott hat diese Macht,
Die nimmer endende, durch Finsternis
Und Nebel uns zu leiten in das Reich
Der Blumenträume, in das weich
3255Und wohlig glanzerfüllte Paradies?
GENDRE
Mein Sohn, so hat uns Gott verflucht.
Frag nicht, mein Sohn, wie oft die alten Hände
Unrecht getan, wie oft sie dich versucht,
Unrecht zu tun, und deine junge Seele
3260Befleckten. Nunmehr führen uns die Winde
In grenzenlose Nacht, in Dunkel ohne Ende. —
Spürst du den eiseskalten Windeshauch?
DER JUNGE GENDRE
Den Frost, mein Vater, und die Stürme auch,
Ich spürt sie kaum, wenn nicht die Tränen wären,
3265Die Tränen all der Brüder und der Schwestern.
Sie brennen heiß, sie glühen und verzehren
Das Mark und dringen bis ins Herz hinein
Und wie mit Rutenstreichen peitschen sie
Das zuckende in martervoller Pein.
3270Die Tränen, die dort fließen, sie allein,
Sie haben uns verflucht. —
POTOCKI
Die Engel wandten
Sich von mir ab. Wann blick ich hellen Schein?
Wann nahen sie mit mildem Flügelschlag,
3275Die Lichtgesandten?
Vorbei der Tag —?
Rings Nacht und Grauen, Nacht und Leere.
PALLAS
erscheint
CHOR DER TOTEN
PALLAS
CHOR DER TOTEN
Löwen, die gefesselt zucken.
PALLAS
CHOR DER TOTEN
PALLAS
Wer hat
3285Euch hierher verbannt?
CHOR DER TOTEN
PALLAS
Also bot
Das Geschick als Ersten euch
Seine Stirn. Wer bist du? Sag.
GENDRE
PALLAS
POTOCKI
Bin bleich, —
Bin ein Schatten.
PALLAS
Eh der Tag
3295Sich vollendet, haben wir
Alle sie vereinigt hier.
Ja, es kommen andre mehr.
Schaut nur auf, seht nur her! —
Blickt durch des Wassers glitzerndes Kristall,
3300Dort drüben im Palais,
Da hohe Säulen ragen in die Höh
Und tragen
Ein Haus,
Da ruht in Liebesbanden Ares aus.
3305Nur eine Weile, er springt auf und all
Sein Zorn zeugt neues blutges Weh.
GENDRE
Schwing du nur deinen Speer!
Wohl weißt du nicht, dass Zeus nur deiner lacht,
Und deines Kriegsgelüstes Löwenmacht
3310Gar bald erschöpft?
PALLAS
GENDRE
Es kam her
Ein Bote, hob den Stab und alle Welt,
Die bis dahin im Streite sich verwirrte,
3315Taucht er in Frieden, kündete den Tod.
Und du erhabnes Weib, dem Gott gesellt,
Du wusstest nicht, dass wir verirrte
Armselige Seelen nur der Ruhe harren,
Dass wir ausspähen nach dem dunklen Boot,
3320Das durch die heiligen Gewässer gleiten,
Uns in die ewige Nacht geleiten
Soll, in die Finsternis? —
PALLAS
GENDRE
Es ist mein Sohn, — weck ihn nicht auf, — ich habe
3325Ihn sehr geliebt; lass ihn denn schlafen.
Die Augen bat ihm Friede sanft geschlossen.
Ich schalt die Todesengel, die ihn trafen
In seiner Jugend Blüte, und ich fand
Das höchste Glück, da er mir zum Genossen
3330Im Sterben und im Tode ward gesandt.
PALLAS
CHOR DER TOTEN
Der Verkünder — ja, er ists!
HERMES
erscheint
PALLAS
Nimm deine Beute.
3335Die ersten Opfer, die schon heute
Reif waren, sie gehören dir.
Nimm sie denn hin.
HERMES
Entferne dich von hier.
Ich bringe den Befehl.
PALLAS
HERMES
Du schufest aus der Welt ein Flammenmeer.
In Feuersbrünsten sank die Stadt
Und Ares hat
Sein Opfer. Kehr
3345Zurück.
PALLAS
So hätte er
Sein Ziel erreicht? — Er hat es nicht.
Ares hat nicht gesiegt!
HERMES
Im Siegestaumel wiegt
3350Er sich, da man ihm Kränze flicht.
PALLAS
Ein Wahn, — ich habe ihn betrogen,
Damit er mir zu Füßen liegt.
HERMES
Ihn rettet Zeus nicht mehr, —
PALLAS
HERMES
3355
Ich kenne deine Wehr.
Ruf deine Geister nun herbei,
Denn deiner Herrschaft sei
Die Grenze nun gesetzt.
PALLAS
Du wagst zuletzt
3360Mich durch Verrat zu schlagen?
HERMES
Geh hin und schlage Pallas,
Dein eigner Vater sprachs.
Ruf deine Geister, treib sie jetzt
Zusammen und geleite sie
3365Zu des Olympos Toren wieder,
Von wannen du sie riefst.
PALLAS
HERMES
Eitler Ruhm.
Sie werden weiter kämpfen, — und allein
3370So gut sie eben können. Du
Kehr zum Olympos im Verein
Mit deinen Mädchen, die dir dienen
Und mit der Aegis, die da Funken sprüht
Und mit dem Speer, der furchtbar tönt.
PALLAS
3375
Dort schreien tausend Seelen,
Dort brennt die ganze Stadt.
Das blutige Werk, es hat
Begonnen! Soll ich ihnen
Den Ruhm nun stehlen?!
HERMES
3380
Zurück, woher du kamst! —
Ich schwinge meinen Stab.
PALLAS
beugt das Haupt
Siehe, du nahmst
Mir meinen Willen ab,
Der Maja Sohn.
HERMES
PALLAS
mit erhobener Stimme
Adler des Zeus, die Donner tragen,
Kehrt jetzt zurück in die Ruhe!
Eilt zu den Gipfeln, die himmelwärts ragen,
Kehrt zum Hymetos, wo ewiger Schnee
3390Unter dem blauen Äther leuchtet.
Töchter des Zeus, rotwangige Schwestern,
Steiget hernieder aus luftiger Höh!
Denn vollendet hat sich die Zeit
Und was Zeusvater euch gestern
3395Willig erlaubte, verbietet er heut.
Breitet die Schwingen und eilt durch die Nacht,
Ihr, deren Leben dem Ruhme geweiht.
Des Krieges Getöse, das wir entfacht,
Der Völker Altäre, die lodernd erglühten,
3400Und das große, das heilige Werk
Heißt uns Zeus nun verlassen.
Eilt nun zurück aus des Kampfes Gebieten,
Kehret zu mir, ihr flügelreich Blassen.
CHOR DER TOTEN
zum Palais gewandt
Seht die Flügelreichen schwanken,
3405Dort im Vorraum herrscht Bewegung.
Doch geheimen Willens Regung
Hält zurück sie und es ranken
Ihr Gehör sich und Gefühl
Um des Wassers Wellenspiel.
PALLAS
ruft zum Palais hinüber
3410
Schwestern, empor und hinaus!
Lasset das brennende Haus!
Eilet zu mir! Eure Siege
Sind Lüge!
Eilet, bevor euch der Donner
3415Trifft und erschlägt.
GÖTTINNEN
eilen vom Palais herüber
Du riefst uns, du rufst —?
PALLAS
Ich rufe. —
Uns war ein Zeichen gesandt.
Das furchtbar und drohend uns bannt,
3420Der schlangenumwundene Stab.
Wir kehren nun heim.
GÖTTINNEN
Wer gab
Uns den Befehl —?
PALLAS
GÖTTINNEN
3425
Verlassen des Kampfes Gewühl —?
PALLAS
GÖTTINNEN
Verfiel
Des Ares Macht auch dem Bann!?
PALLAS
GÖTTINNEN
3430
Es gewann
Ares aus unserer Hand,
Wie du befahlst, seine Gabe.
PALLAS
Die Kränze des Ares habe
Ich zu Kesten gewandt.
3435Des Ruhmes, des Sieges satt
Sank er in Trägheit nieder.
Furchtbar das Dämmern, da er erwacht.
Solang euer Geist ihn hat
Behütet, band ihn die Liebe;
3440Wenn er erwacht aus der Nacht
Spukhaftem Traumgetriebe,
Wenn den Verrat er erfährt,
Wenn er das Klagen hört,
Seltsamer Harfen Lieder,
3445Wenn er erzittert und bangt,
Angst in den Pulsen hämmert — — —?
GÖTTINNEN
entsetzt
Schwestern, auf —, die Nacht, sie wankt,
Unsre Macht ist schon erloschen,
Denn der Morgen dämmert.
PALLAS
3450
Auf, ihr Schwestern, auf, geschwind!
Seht ihr dort —, dort in den Weiten —?
GÖTTINNEN
Von den Feldern her verbreiten
Fahle Nebel sich, der Wind
Legte sich, — ein bunter Teppich
3455Kräuselt sich aus goldenem Eppich
Überm Wasser.
In der Ferne erscheint auf dem Wasser Charons Nachen, der langsam herankommt.
GÖTTINNEN
Wer erscheint
In der Ferne?
PALLAS
GÖTTINNEN
erkennen
3460
Nicht mehr jung ist dieser Mann;
Doch sein Auge glüht
Und er zieht
Seinen Nachen stummbeweint
Durch die Flut.
PALLAS
3465Menschenschmerz und Erdenleiden
Sind vollbracht.
Denn durch die Nacht
Seh ich Charons Nachen gleiten,
Der in ewigen Ewigkeiten
3470Niemals ruht…
CHOR DER TOTEN
Treib mit leisem Ruderschlage,
Charon, durch die Wellen.
Bringst uns der Erlösung Tage.
Charon, Vater, hab Erbarmen,
3475Neige dich uns Stillen, Armen,
Höre unsere Klage.
POTOCKI
Was ich in meinem Erdenwallen
Niemals verspürt, niemals erharrt,
Da ich von Stolz und Zorn und allen
3480Den Leidenschaften ward genarrt,
Das ists, was nun das Herz bewegt
Und Schmerz erzeugt und Sehnsucht regt,
Denn ich war groß und doch, wie klein.
So fließen nun des Leides Tränen
3485Von meinen Wimpern und ein Sehnen
Zieht durch die Seele, da mein Sein
Vollendet und die letzte Fahrt
In fremde Lande meiner harrt.
CHOR DER TOTEN
Hört doch unsern Bruder klagen, —
3490Und der Bäume Wipfel tragen
Leise rauschend ihm die Worte zu.
Nirgends Frieden, nirgends Ruh,
Nichts, was seine Schmerzen lindern,
Was in ihm die Sehnsucht mindern
3495Könnte, denn er war ja groß
Und war doch im Geiste klein.
Groß und klein
Und klein und groß
Und vollendet ist sein Sein,
3500Das Bewusstsein bleibt ihm bloß.
POTOCKI
Herr, du legtest ungemessne Früchte,
Alle Schätze dieser Erde mir in meinen Schoss.
Und du machtest mich vor meinem Volke
Mächtig, und ich war der Erste weit und breit.
3505Doch du hast mich nicht gelehrt, was Mitleid
Ist, das Mitleid mit der Mutter Söhnen,
Die jetzt brüderlich mit mir vereint
Durch den Nebel jener dunklen Wolke
Folgen, die uns in die Ewigkeit
3510Führt, und die mit mir die gleichen Tränen
Still geweint.
Herr, mein Herr, warum hast du den Blick
Mir verdüstert, dass ich jenes Glück
Nicht ergriff und mich an jene schloss,
3515Die mich töteten und Helden wurden?
Warum könnt ich denn mein eignes Los
Mit dem ihren nicht verbinden?
Im Bewusstsein ihrer Sünden
Quälen sie sich, ich vergehe
3520Im Bewusstsein meiner Schuld.
Herr, des Schicksals Wege winden
Sich geheimnisvoll dahin;
Unerforschlich ist sein Sinn.
Schon erblick ich in der Nähe
3525Charons Nachen, den ich nun besteigen
Soll zur letzten Fahrt ins Land der Toten.
Sünder, — und ein Tor — geh ich ins Schweigen. —
Die Erinnerung verschwindet. — Lohten
Dort nicht Flammen —? Herr, nur einen Strahl,
3530Einen Lichtstrahl lass vor meinem Auge blinken,
Lass mein Ohr nur noch ein einziges Mal
Eines Liedes der Vergebung Töne trinken.
Lass noch einmal diese Bäume rauschen. —
Flüstern sie —? Still, — alles schweigt —?
3535Dort aus dem dunklen Wasser steigt
Es näher stets heran — und alle Seelen lauschen.
Die Seelen meiner Brüder? — Sind es Brüder?
Sie blicken stumm auf dunkle Wasser nieder.
Charons Nachen nähert sich mit leisem Ruderschlag.
CHOR DER TOTEN
Treib mit leisem Ruderschlage,
3540Charon, durch die Wellen.
Bringst uns der Erlösung Tage.
Charon, Vater, hab Erbarmen,
Neige dich uns Stillen, Armen,
Höre unsre Klage.
POTOCKI
blickt sich unter den Trümmern auf dem Theater um
3545Seh ich verfallen so mein Vaterland?
Es klaffen Risse in des Hauses Wand?
Und der Palast, er sinkt in Staub und Sand …
Bin ich verflucht in Ewigkeit —?
Vergebt, — verzeiht, —
3550Verzweiflung bannt
Den Geist. Verstört
Lausch ich der Bäume Sang.
Wie lang ists her,
Da klang
3555Bei meinem Tode eine schöne Mär —.
Rings Trümmer, — Asche, — Schutt;
Mein väterliches Gut
Verfiel und aus den Herzen floß das Blut.
Charons Nachen nähert sich dem Proszenium.
CHOR DER TOTEN
Treib mit leisem Ruderschlage,
3560Charon, durch die Wellen.
Bringst uns der Erlösung Tage.
Charon, Vater, hab Erbarmen,
Neige dich uns Stillen, Armen,
Höre unsre Klage.
HERMES
3565
Vollendet ist der Schmerz, das Leid
Auf Erden und es naht die Zeit,
Zum Acheron euch zu geleiten,
Wo euch umfängt Vergessenheit.
Ich führe euch die dunklen Wege
3570Hinüber über schwanke Stege,
Da ich zum Führer euch bestellt.
Hebt seinen Stab und schwingt ihn über den Köpfen der Toten
Mit diesem Szepter herrsch ich in den Weiten,
Vor meinem Szepter bebt die Unterwelt;
Es beben aller Erden dunkle Mächte. —
3575Vorüber rauschten eure Erdenzeiten,
Der bittren Leiden kummerschwangre Nächte.
Vergesst die Welt, —
Mein Szepter führt euch über das Vergessen
Zu einem Glück, das ihr noch nie besessen.
3580Durch dunkler Schluchten bange Einsamkeiten
Geleit ich euch zu lichten Ewigkeiten.
Der Nachen schaukelt, — steiget ein;
Vorbei des Lebens — Sein und — Schein!!
Die Toten besteigen den Nachen. Hermes folgt als letzter. — Der
Nachen entfernt sich langsam.
PALLAS
Ein Spielzeug war ich in des Gottes Hand
3585Und war ein Stern, von Göttern aufgesteckt.
Er ruft mich nun, — sein starker Wille deckt
Mein ungetanes Werk mit früher Scholle zu.
GÖTTINNEN
Was wird aus ihrem Vaterland?
PALLAS
Wird meine Hilfe missen. Aus der Ruh
3590Hab ich die Seelen aufgeweckt
Und tauchte sie in Glut.
GÖTTINNEN
Du lässt den Durst von nun an ungestillt?
PALLAS
Es werden Völker wider Völker streiten.
Was Glück heißt, ließ ich ihnen in den Weiten
3595Wie einen Blitz aufleuchten auf Sekunden.
Das Unglück werden ihnen alle Stunden
Kommender Jahre zum Bewusstsein bringen. —
Auf, Schwestern, auf! — Entfaltet eure Schwingen!!
GÖTTINNEN
entschweben im Fluge
Charons Nachen gleitet in der Ferne vorüber.
PERSONEN DER ZEHNTEN SZENE:
- Der Grossfürst
- Johanna
- Kuruta
- General Vincenz Graf Krasiński
- Valerian Łukasiński
- Hofdamen
- Wachen
- Soldaten
IN DER ALLEE UJAZDOWSKA
Schwarze Bäume stehn und neigen
Sich mit kahlen, trocknen Zweigen.
Die Allee ist laubbedeckt,
Die vergilbten Blätter schreckt
Jeder Windstoß aus dem Schlummer.
Tiefe Nacht, — ganz hinten weit
Sieht in Reihen man geordnet
Die Armeen feldbereit.
GROSSFÜRST
allein; in Uniform, darüber einen weiten Mantel; geht in dem
raschelnden Laub auf und ab.
KURUTA
kommt langsam näher
Der General ist angekommen…
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
KURUTA
Vier Regimenter Kavallerie sind in
Bereitschaft.
GROSSFÜRST
KURUTA
Die Befehle?
Ich bitte Eure Hoheit um Befehle.
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
3610
Was hat das alles denn für einen Sinn?
KURUTA
ab.
GROSSFÜRST
KURUTA
eilt herzu
Eure Kaiserliche Hoheit —?
GROSSFÜRST
winkt ihn heran
Hörst du, wie diese Blätter rauschen, wie
Sie miteinander flüstern, tuscheln —?
KURUTA
3615Was
Heißt das? — Dort wartet die Armee auf die
Befehle.
GROSSFÜRST
Morgen soll die Sonne nicht
Aufgehen. — Wer ist also angekommen — ?
KURUTA
3620Der General Krasiński.
GROSSFÜRST
KURUTA
Warum verschieben Hoheit die Befehle?
GROSSFÜRST
KURUTA
Das kann ich nicht. — Versteh
3625Das nicht.
GROSSFÜRST
Tritt vor die Front und fluche laut.
KURUTA
Mein Fürst, ich — weiß nicht —
GROSSFÜRST
So, — du weißt nicht —? Graut
Dir nicht, hörst du, was diese Blätter raunen?
Stampft in dem Laub herum
3630Rischrasch, — — rischrasch — — die Blätter träumen. — Ja. —
Wovon? — Von Seiner Kaiserlichen Hoheit…?
KURUTA
zuckt die Achseln
Hoheit stehn an der Spitze der Armee: —
Die Leute sehen Hoheit hier mit Staunen
Und möchten sagen, Hoheit fürchten sich.
GROSSFÜRST
3635Der Großfürst kennt vor Menschen keine Furcht,
Doch wohl vor Gott. Wenn Gott mir meinen Weg
Gewiesen hat, verschwindet meine Furcht.
KURUTA
geht ab.
GROSSFÜRST
allein.
KURUTA
kehrt zurück, nähert sieh dem Großfürsten
GROSSFÜRST
vertraulich
Im Frühling werden diese Bäume grünen, —
Jetzt ist November, — eine schlimme Zeit.
3640Und gestern fing es an, — die Sterne schienen.
Wie fings doch an —? Ja, so … Und was geschah?
Die Blätter fielen und bedeckten weit
Und breit den Boden. Trockne Blätter, ja…
KURUTA
zuckt die Achseln; ab.
GROSSFÜRST
allein.
KURUTA
kehrt nach einer Weile zurück, nähert sich dem Großfürsten
Soeben ist sie aufgewacht.
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
KURUTA
zuckt die Achseln.
GROSSFÜRST
Halt den Mund
Und lass sie schwatzen.
KURUTA
zuckt die Achseln.
GROSSFÜRST
3650
Schickt den Arzt zu ihr.
KURUTA
schweigt.
GROSSFÜRST
KURUTA
Ja, das ist sie ohne Zweifel, —
Die Augen hat sie auf und blickt fast stier
Und streckt die Hände wie nach etwas aus
3655Und schreitet wie im Schlaf.
GROSSFÜRST
KURUTA
GROSSFÜRST
Macht euch zur Reise fertig.
KURUTA
Das ists ja grade, Ihre Hoheit lassen
3660Sich nicht ankleiden, reißen jedes Kleid
Herunter.
GROSSFÜRST
stiert mit weit geöffneten Augen
KURUTA
GROSSFÜRST
erblickt Johanna
JOHANNA
kaum bekleidet, im Pelz.
HOFDAMEN
eilen ihr nach.
JOHANNA
summt
„Sprach der Vater zu dem Mädel,
Hör die Trommeln rühren…”
3665Nein, — es geht anders, — nicht so. — Mars entführt
Mich auf sein Lager, — süße Liebesnacht.
GROSSFÜRST
hüllt sie ein.
JOHANNA
Warum bist du, mein Liebster, aufgewacht?
Willst fort?! — O bleib! — Du mein Geliebter — bleib! —
Weist auf ihr Gefolge, das abseits steht
Sieh, meine Göttinnen, — sie tragen Flügel,
3670Die haben sie jetzt angelegt; — ob sie
Wohl noch einmal sie himmelhoch entfalten? —
Und fliegen? —
Als spräche sie jemandem nach
Als spräche sie zu jemandem
Sei mir gegrüßt. —
3675Wohin enteilst du? — Du hast ja geschworen
Auf deinen Sieg! Sieh, jetzt bist du verloren, —
Betrogen!!! — Dir entglitten deine Zügel, —
Der Brand griff um sich!! — Rette mich!! — Du bist
So schwach, weil ich dich liebe?! — Das Palais ist leer —?
3680Abgründe klaffen tief und schwarz. — Rings Dunkel
Und fürchterliches Schweigen. — Herr,
Erbarme dich! Er stößt mich von sich fort!
Der Liebe Bande reißt er durch! Ich war
Mit dir so glücklich, — als ich träumte dort — —
Kommt zur Besinnung; flüsternd
3685Es war ein Traum, — so war mein Traum — der Nacht.
GROSSFÜRST
führt sie nach dem Hintergrund; ein Schlitten fährt vor.
JOHANNA
besteigt den Schlitten; neben ihr nimmt eine ihrer Hofdamen Platz.
GROSSFÜRST
tritt zurück; wirft ihr aus der Ferne einen Handkuss zu
Adieu, — adieu, Jeannette.
Laut
Soldaten führen im Hintergrunde ein Pferd vor.
GENERAL VINCENZ GRAF KRASINSKI
nähert sich; während sich der Schlitten der Großfürstin entfernt.
GROSSFÜRST
sieht unverwandt dem davonfahrenden Schlitten nach; wendet sich
plötzlich um und bemerkt Krasiński; sucht sich zu erinnern
Ist alles Wahrheit? — Ist das alles wahr? —
Ja, so, — Pardon. C'est vrai. Es fällt mir schwer,
3690Daran zu glauben. — Ja, ich sehe klar.
Will sehen. — Ja. — Ich lass euch alle binden.
Sieht Krasiński ins Gesicht
Hm, — nein, — das ist Komödie. Ja, ich lasse
Euch knebeln!
KRASINSKI
gleichgültig
GROSSFÜRST
3695
Oh, Pole! — Herr!!
Euch knebeln? —
Beobachtet Krasiński
Nein. Euch so zurückzulassen,
Das geht nicht an. Ihr seid Empörer. — Wie?
Seid ihr es nicht? Ihr Polen, ja, ihr seids. —
3700Vermöchtet ihr, — ihr Polen, nun, was meint
Ihr, was ihr euer Werk heißt, aufzugeben
Und die Partei des Zaren zu ergreifen? —
Stark seid ihr. — Blicke ich auf euch, erbeben
Mir meine Lippen, denn ihr seid Soldaten
3705Aus altem Schrot und Korn. Verzeiht, mein Freund
Und Bruder, ihr seid nun einmal mein Feind,
Ihr kennt Euch nicht, doch ich kenn Euch, — Verräter!
KRASINSKI
fährt auf
Fasst sich, mit gesenkter Stimme
Verzeiht, mein Fürst. Im Wahne sprechen
3710Jetzt Eure Kaiserliche Hoheit, achten nicht
Darauf, dass so ein hartes Wort schwer trifft;
Ein Wort, aus dem ja nur der Wahnsinn spricht.
GROSSFÜRST
Ich sehe klar. Ich bin gestürzt. Ich liege schon
Am Boden. — Und ich stand in Gluten, — da — ein Hohn — ,
3715Verlosch das Feuer. Ich hab mich bereits vollendet.
Und unser Schicksal hat sich nun gewendet.
Ihr seid die Sterne jetzt, die dort am Horizont
Aufgehn. Jetzt kam für euch die Zeit, dass ihr euch sonnt
in Glanze eurer Siege. Wir werden zusammen
3720Den gleichen Weg nie wandeln können. Oh, das weiß
Ich nur zu gut und will mich nicht selbst täuschen, — nein,
Ich will es nicht. Wir bleiben das, was wir gewesen:
Feinde! — Ich will euch Demut lehren, ihr Geschmeiß
Von Herren. Immer noch nicht fort? — Jenun, ich mein,
3725Die Stadt, sie gärt. Zum Himmel schlagen schon die Flammen.
Ein Aufstand? Rauch. Seid Helden allesamt, erlesen
Zu großer Tat. Ihr konntet ja den Blitz erreichen.
Ihr seid gewaltig stark. — Warum seid ihr noch hier? —
Ich habe Angst um euch, — denn ihr seid Leichen,
3730Wenn ihr im Bunde seid — mit mir.
Ihr glaubt nicht mehr an Polen —? Wie? — Ich glaube
Daran.
Sieht Krasiński unentwegt scharf an.
KRASINSKI
Der Zar, der Polens Krone nahm, sieht nicht,
Dass wir aus Leichen Brücken bauen mussten.
3735Dem großfürstlichen Bruder ist nichts daran gelegen,
Dass wir dem Willen der Nation entgegen,
Die uns dorthin rief, doch an seine Seite
Getreten, — eine Mauer, — dass wir heute,
Da Glocken läuten, da der Freiheit Licht
3740Vom Himmel strahlt, uns zu vergessen wussten.
Dass wir an uns nicht dachten, nur daran,
Wie man die Ströme Bluts verringern kann,
Des Bluts, das ihr durch Martern — Gott verzeih! —
Verschleudert habt, um das ihr uns bestohlen
3745In feiler Gier. Gefallen ist Potocki
Und Blumer, General Nowicki, bei
Potockis Ende war ich gegenwärtig
Und sah, wie unter Haufen Leichen man
Ihn fand. Gefallen ist Trembicki und
3750Auch Siemiontkowski. Wenn ich, Hoheit, lebe,
So leb ich nicht darum, um an den Pranger
Der Missachtung gestellt zu werden, nicht
Um meine Ehre zu verlieren. Hoheit, —
Sie haben nicht das Recht, mich heut als Polen
3755Zu fragen, was ich glaube; eines ist gewiss,
Mit der Gemeinheit schließ ich keinen Bund.
Gibt ihm seinen Degen.
GROSSFÜRST
Lass das, mein Lieber, — kusch dich wie ein Hund
Zu meinen Füßen. Hahaha! — Da dies
Polnische Herz sich einmal ausgesprochen,
3760Will ich euch zeigen, wer euch prellt. Ich will
Einmal die Rechnung des Gewissens machen.
Will meine Schulden zahlen. In den Kellern
Des Belvedere, grad unter meinen Zimmern
Befindet sich ein Mann, — schon viele Jahre.
3765Ein edler Mann. — Du wirst nicht rot vor mir?!
Du sagst doch, du besitzt ein Herz und fühlst?!
So sieh ihm ins Gesicht —
Ruft
KURUTA
eilt herzu.
GROSSFÜRST
flüstert ihm etwas ins Ohr.
KURUTA
steht erstaunt, ungläubig.
GROSSFÜRST
drängt ihn durch eine Bewegung zur Eile.
KURUTA
geht.
GROSSFÜRST
Der Großfürst hat nun ausgespielt, —
reißt die Orden und den Stern von der Brust und tritt sie mit Füßen
3770
weg, — fort.
Mich ekelt, — was bedeutet alles, — alles
Hat mir der Zar geschenkt — ich will nichts mehr. —
Will nichts mehr haben, — nichts. — Hört ihr wohl — dort —
Die Nacht, wie heult der Wind und keucht daher. —
3775In einer solchen Nacht starb auch mein Vater. — —
Er wird von Angst geschüttelt
Ich hab ihn nicht getötet! — Nein, — ich nicht!
Schreit; bedeckt die Augen
Der Bruder tats, — der Bruder, — tat — er, — tat — er!!
KRASINSKI
steht unbeweglich.
Im Hintergrunde fahren Geschütze vorüber.
GROSSFÜRST
geht auf General Krasiński zu; fasst ihn am Knopf seiner Uniform; lacht; weist in den Hintergrund.
KRASINSKI
blickt dorthin.
GROSSFÜRST
Sieh hier, mein Kleinod! — Sieh es dir gut an.
Es ist euer polnischer Prometheus.
Weist auf ihn
3780
Man
Führ ihn hierher.
VALERIAN ŁUKASINSKI
erblindet, in Lumpen, Fesseln an Händen und Füßen; wird von
einer Wache geführt.
Die Wache bindet Łukasinski an das Geschütz,
Man hört die Glocken von Warschau läuten.
GROSSFÜRST
geht nach dem Hintergrund und steigt zu Pferde.
Die Wache entfernt sich.
ŁUKASINSKI
fühlt, dass die Wache sich von ihm entfernt
Und fühlt, dass die Stunde der Freiheit schlug,
Da man ihn hierher geführt.
Und wenn er auch eben noch Ketten trug
Und man ans Geschütz ihn schnürt,
Durchfährt doch ein Zittern und Beben die feigen
Feinde ringsum und Zweifel steigen
In ihnen auf, und die Luft durchzieht
Ein ahnend verklingendes Freiheitslied.
Er fühlt, dass seine teuren Brüder,
Ein Adlerschwarm, emporgeflogen
Dort über Warschau, er lauscht wieder
Der Glocken Klang und hat verstanden:
Das Glück ist eingezogen
Und Helden sind erstanden.
Harrt aus! Gib ihnen, Herr, die Kraft,
Auf dass sie stark sind, lass sie nicht erlahmen,
Sei noch so qualvoll meine lange Haft
3785Und schüfen sie mir ewge Marter ohne Namen.
Lass sie mich binden, lass sie immer schleifen
Den müden Leib durch dunkelste Verliesse,
Lass Martern sie auf Martern häufen,
Lass Geier meine Brust zerreißen, —
3790Wenn nur den Brüdern jene frohen Grüße
Der Glocken, die jetzt über Warschau rauschen,
Auf schweren Kampf den Sieg verheißen.
Er streckt die Arme aus, ein lauschen
Spannt seine Züge, jeden Windeshauch
Fühlt er genau, sein Antlitz scheint verzückt,
Die Lippen beben und sein Auge blickt
Beseligt, denn sein Geist errät.
Was jetzt dort um ihn vor sich geht.
Er kniet zu Boden, heiße Tränen
Entquellen seinen Augen, seine Brust
Erschüttert Schluchzen, — Gluten brennen
Die Wangen ihm, — er flüstert, kaum vernimmt
Man seiner Worte heimliches Gebet:
Einst kommt dir die Zeit,
Meine Seele, aus Leid,
3795Aus Qual und Not
Wirst du befreit.
Der Glocken von Warschau eherner Mund
Tut es dir kund
Und verspricht … — —
3800Heil — dir, leuchtendes — Morgenrot — —,
Strahlender — Freiheit — erlösendes — Licht.
Erhebt sich.
KRASINSKI
bedeckt das Gesicht mit den Händen.
GROSSFÜRST
gibt seinem Pferd die Sporen.
Der Vorbeimarsch beginnt.