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Heinrich von Kleist, Der zerbrochne Krug
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    Heinrich von KleistDer zerbrochne Krugein Lustspiel

    PERSONEN

    1. WALTER, Gerichtsrath
    2. ADAM, Dorfrichter
    3. LICHT, Schreiber
    4. FRAU MARTHE RULL
    5. EVE, ihre Tochter
    6. VEIT TÜMPEL, ein Bauer
    7. RUPRECHT, sein Sohn
    8. FRAU BRIGITTE
    9. EIN BEDIENTER, BÜTTEL, MÄDGE, etc.

    Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfe bei Utrecht.

    Scene: Die Gerichtsstube

    ERSTER AUFTRITT

    ADAM sitzt und verbindet sich ein Bein.
    LICHT tritt auf.

    LICHT

    1
    Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!
    Was ist mit euch geschehn? Wie seht ihr aus?

    ADAM

    Ja, seht. Zum Straucheln braucht's doch nichts, als Füße.
    Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?
    5
    Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
    Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

    LICHT

    Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg' jeglicher —?

    ADAM

    Ja, in sich selbst!

    LICHT

    Verflucht das!

    ADAM

    10
    Was beliebt?

    LICHT

    Ihr stammt von einem lockern Ältervater,
    Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,
    Und wegen seines Falls berühmt geworden;
    Ihr seid doch nicht —?

    ADAM

    15
    Nun?

    LICHT

    Gleichfalls —?

    ADAM

    Ob ich —? Ich glaube —?
    Hier bin ich hingefallen, sag ich euch.

    LICHT

    Unbildlich hingeschlagen?

    ADAM

    20
    Ja, unbildlich.
    Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

    LICHT

    Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

    ADAM

    Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett'
    Entsteig'. Ich hatte noch das Morgenlied
    25
    Im Mund', da stolpr' ich in den Morgen schon,
    Und eh' ich noch den Lauf des Tags beginne,
    Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

    LICHT

    Und wohl den linken obenein?

    ADAM

    Den linken?

    LICHT

    30
    Hier, den gesetzten?

    ADAM

    Freilich!

    LICHT

    Allgerechter!
    Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.

    ADAM

    Der Fuß! Was! Schwer! Warum?

    LICHT

    35
    Der Klumpfuß?

    ADAM

    Klumpfuß!
    Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

    LICHT

    Erlaubt! Da thut ihr eurem rechten Unrecht.
    Der rechte kann sich dieser — Wucht nicht rühmen,
    40
    Und wagt sich eh'r auf's Schlüpfrige.

    ADAM

    Ach, was!
    Wo sich der Eine hinwagt, folgt der Andre.

    LICHT

    Und was hat das Gesicht euch so verrenkt?

    ADAM

    Mir das Gesicht?

    LICHT

    45
    Wie? Davon wißt ihr nichts?

    ADAM

    Ich müßt' ein Lügner sein — wie sieht's denn aus?

    LICHT

    Wie's aussieht?

    ADAM

    Ja, Gevatterchen.

    LICHT

    Abscheulich!

    ADAM

    50
    Erklärt euch deutlicher.

    LICHT

    Geschunden ist's,
    Ein Gräul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,
    Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich's schätzen.

    ADAM

    Den Teufel auch!

    LICHT

    bringt einen Spiegel.
    55
    Hier! Ueberzeugt euch selbst!
    Ein Schaaf, das, eingehetzt von Hunden, sich
    Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen,
    Als ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.

    ADAM

    Hm! Ja! S' ist wahr. Unlieblich sieht es aus.
    60
    Die Nas' hat auch gelitten.

    LICHT

    Und das Auge.

    ADAM

    Das Auge nicht, Gevatter.

    LICHT

    Ei, hier liegt
    Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,
    65
    Als hätt' ein Großknecht wüthend ihn geführt.

    ADAM

    Das ist der Augenknochen. — Ja, nun seht,
    Das Alles hatt' ich nicht einmal gespürt.

    LICHT

    Ja, ja! So geht's im Feuer des Gefechts.

    ADAM

    Gefecht! Was! — Mit dem verfluchten Ziegenbock,
    70
    Am Ofen focht' ich, wenn ihr wollt. Jetzt weiß' ich's.
    Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam
    Ertrunken in den Lüften um mich greife,
    Fass' ich die Hosen, die ich gestern Abend
    Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing.
    75
    Nun fass ich sie, versteht ihr, denke mich,
    Ich Thor, daran zu halten, und nun reißt
    Der Bund; Bund jetzt und Hos' und ich, wir stürzen,
    Und Häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr' ich auf
    Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock
    80
    Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

    LICHT

    lacht.
    Gut, gut.

    ADAM

    Verdammt!

    LICHT

    Der erste Adamsfall,
    Den ihr aus einem Bett hinaus gethan.

    ADAM

    85
    Mein Seel! — Doch, was ich sagen wollte, was giebts Neues?

    LICHT

    Ja, was es Neues giebt! Der Henker hol's,
    Hätt' ich's doch bald vergessen.

    ADAM

    Nun?

    LICHT

    Macht euch bereit auf unerwarteten
    90
    Besuch aus Utrecht.

    ADAM

    So?

    LICHT

    Der Herr Gerichtsrath kömmt.

    ADAM

    Wer kömmt?

    LICHT

    Der Herr Gerichtsrath Walter kömmt, aus Utrecht.
    95
    Er ist in Revisions-Bereisung auf den Ämtern,
    Und heut noch trifft er bei uns ein.

    ADAM

    Noch heut! Seid ihr bei Trost?

    LICHT

    So wahr ich lebe.
    Er war in Holla, auf dem Gränzdorf, gestern,
    100
    Hat das Justizamt dort schon revidirt.
    Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon
    Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

    ADAM

    Heut noch, er, der Gerichtsrath, her, aus Utrecht!
    Zur Revision, der wackre Mann, der selbst
    105
    Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt.
    Nach Huisum kommen, und uns cujoniren!

    LICHT

    Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.
    Nehmt euch in Acht.

    ADAM

    Ach geht!

    LICHT

    110
    Ich sag' es euch.

    ADAM

    Geht mir mit eurem Mährchen, sag' ich euch.

    LICHT

    Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

    ADAM

    Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.
    Die Kerle unterscheiden ein Gesicht
    115
    Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.
    Setzt einen Huth dreieckig auf mein Rohr,
    Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,
    So hält so'n Schubjak ihn für wen ihr wollt.

    LICHT

    Wohlan so zweifelt fort, ins Teufels Namen,
    120
    Bis er zur Thür hier eintritt.

    ADAM

    Er, eintreten! —
    Ohn' uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

    LICHT

    Der Unverstand! Als ob's der vorige
    Revisor noch, der Rath Wacholder, wäre!
    125
    Es ist Rath Walter jetzt, der revidirt.

    ADAM

    Wenn gleich Rath Walter! Geht, laßt mich zufrieden.
    Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,
    Und praktisirt, wie wir, nach den
    Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

    LICHT

    130
    Nun ich versichr' euch, der Gerichtsrath Walter
    Erschien in Holla unvermuthet gestern,
    Vis'tirte Kassen und Registraturen,
    Und suspendirte Richter dort und Schreiber,
    Warum? ich weiß nicht, ab officio.

    ADAM

    135
    Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

    LICHT

    Dies und noch mehr —

    ADAM

    So?

    LICHT

    Wenn ihr's wissen wollt.
    Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,
    140
    Dem man in seinem Haus' Arrest gegeben,
    Und findet hinten in der Scheuer ihn
    Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

    ADAM

    Was sagt ihr?

    LICHT

    Hülf' inzwischen kommt herbei,
    145
    Man lös't ihn ab, man reibt ihn, und begießt ihn,
    Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

    ADAM

    So? Bringt man ihn?

    LICHT

    Doch jetzo wird versiegelt,
    In seinem Haus, vereidet und verschlossen,
    150
    Es ist, als wär er eine Leiche schon,
    Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

    ADAM

    Ei, Henker, seht! — Ein liederlicher Hund war's —
    Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,
    Ein Kerl, mit dem sich's gut zusammen war;
    155
    Doch grausam liederlich, das muß ich sagen.
    Wenn der Gerichtsrath heut in Holla war,
    So ging's ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub' ich.

    LICHT

    Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,
    Sei Schuld, daß der Gerichtsrath noch nicht hier;
    160
    Zu Mittag treff' er doch ohnfehlbar ein.

    ADAM

    Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt's Freundschaft.
    Ihr wißt, wie sich zwei Hände waschen können.
    Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,
    Und ihr verdient's, bei Gott, so gut wie Einer.
    165
    Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,
    Heut laßt ihr noch den Kelch vorübergehn.

    LICHT

    Dorfrichter, ich! Was denkt ihr auch von mir?

    ADAM

    Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,
    Und euren Cicero habt ihr studirt
    170
    Trotz Einem auf der Schul' in Amsterdam.
    Drückt euren Ehrgeitz heut hinunter, hört' ihr?
    Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,
    Wo ihr mit eurer Kunst euch zeigen könnt.

    LICHT

    Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

    ADAM

    175
    Zu seiner Zeit, ihr wißt's, schwieg auch der große
    Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.
    Und bin ich König nicht von Macedonien,
    Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

    LICHT

    Geht mir mit eurem Argwohn, sag' ich euch.
    180
    Hab ich jemals —?

    ADAM

    Seht, ich, ich, für mein Theil,
    Dem großen Griechen folg' ich auch. Es ließe
    Von Depositionen sich und Zinsen
    Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:
    185
    Wer wollte solche Perioden drehn?

    LICHT

    Nun, also!

    ADAM

    Von solchem Vorwurf bin ich rein,
    Der Henker hol's! Und alles, was es gilt,
    Ein Schwank ist's etwa, der zur Nacht geboren,
    190
    Des Tags vorwitz'gen Lichtstrahl scheut.

    LICHT

    Ich weiß.

    ADAM

    Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,
    Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,
    Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.

    LICHT

    195
    Das sag ich auch.

    ADAM

    Nun denn, so kommt Gevatter,
    Folgt mir ein wenig zur Registratur;
    Die Aktenstöße setz' ich auf, denn die,
    Die liegen wie der Thurm zu Babylon.

    ZWEITER AUFTRITT

    Ein BEDIENTER tritt auf. Die VORIGEN. — Nachher: Zwei MÄGDE.

    DER BEDIENTE

    200
    Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrath Walter
    Läßt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

    ADAM

    Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla
    Schon fertig?

    DER BEDIENTE

    Ja, er ist in Huisum schon.

    ADAM

    205
    He! Liese! Grete!

    LICHT

    Ruhig, ruhig jetzt.

    ADAM

    Gevatterchen!

    LICHT

    Laßt euern Dank vermelden.

    DER BEDIENTE

    Und morgen reisen wir nach Hussahe.

    ADAM

    210
    Was thu ich jetzt? Was laß ich?
    Er greift nach seinen Kleidern.

    ERSTE MAGD

    tritt auf.
    Hier bin ich, Herr.

    LICHT

    Wollt ihr die Hosen anziehn? Seid ihr toll?

    ZWEITE MAGD

    tritt auf.
    Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

    LICHT

    Nehmt den Rock.

    ADAM

    sieht sich um.
    215
    Wer? Der Gerichtsrath?

    LICHT

    Ach, die Magd ist es.

    ADAM

    Die Bäffchen! Mantel! Kragen!

    ERSTE MAGD

    Erst die Weste!

    ADAM

    Was? — Rock aus! Hurtig!

    LICHT

    zum Bedienten.
    220
    Der Herr Gerichtsrath werden
    Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich
    Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

    ADAM

    Den Teufel auch! Der Richter Adam läßt sich
    Entschuldigen.

    LICHT

    225
    Entschuldigen!

    ADAM

    Entschuld'gen.
    Ist er schon unterwegs etwa?

    DER BEDIENTE

    Er ist
    Im Wirthshaus noch. Er hat den Schmidt bestellt;
    230
    Der Wagen ging entzwei.

    ADAM

    Gut. Mein Empfehl.
    Der Schmidt ist faul. Ich ließe mich entschuld'gen.
    Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,
    Schaut selbst, s' ist ein Spektakel, wie ich ausseh;
    235
    Und jeder Schreck purgirt mich von Natur.
    Ich wäre krank.

    LICHT

    Seid ihr bei Sinnen? —
    Der Herr Gerichtsrath wär sehr angenehm.
    — Wollt ihr?

    ADAM

    240
    Zum Henker!

    LICHT

    Was?

    ADAM

    Der Teufel soll mich holen,
    Ist's nicht so gut, als hätt' ich schon ein Pulver!

    LICHT

    Das fehlt noch, daß ihr auf den Weg ihm leuchtet.

    ADAM

    245
    Margarethe! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

    DIE BEIDEN MÄGDE.

    Hier sind wir ja. Was wollt ihr?

    ADAM

    Fort! sag ich.
    Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen,
    Aus der Registratur geschafft! Und flink! —
    250
    Du nicht. Die Andere. — Maulaffe! Du, ja!
    — Gott's Blitz, Margarethe! Liese soll, die Kuhmagd,
    In die Registratur!
    Die erste Magd geht ab.

    DIE ZWEITE MAGD

    Sprecht, soll man euch verstehn!

    ADAM

    Halt's Maul jetzt, sag' ich —! Fort! schaff mir die Perücke!
    255
    Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich!
    Die zweite Magd ab.

    LICHT

    zum Bedienten.
    Es ist dem Herrn Gerichtsrath, will ich hoffen,
    Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

    DER BEDIENTE

    Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

    ADAM

    Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg' die Stiefeln —

    LICHT

    260
    Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt ihr?
    Doch keinen Schaden weiter —?

    DER BEDIENTE

    Nichts von Bedeutung.
    Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.
    Die Deichsel brach.

    ADAM

    265
    Daß er den Hals gebrochen!

    LICHT

    Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmidt schon?

    DER BEDIENTE

    Ja, für die Deichsel.

    LICHT

    Was?

    ADAM

    Ihr meint, der Doctor.

    LICHT

    270
    Was?

    DER BEDIENTE

    Für die Deichsel?

    ADAM

    Ach, was! Für die Hand.

    DER BEDIENTE

    Adies, ihr Herrn. — Ich glaub', die Kerls sind toll.
    ab.

    LICHT

    Den Schmidt meint' ich.

    ADAM

    275
    Ihr gebt euch bloß, Gevatter.

    LICHT

    Wie so?

    ADAM

    Ihr seid verlegen.

    LICHT

    Was!
    DIE ERSTE MAGD tritt auf.
    280
    He! Liese!

    ADAM

    Was hast du da?

    ERSTE MAGD

    Braunschweiger Wurst, Herr Richter.

    ADAM

    Das sind Pupillenacten.

    LICHT

    Ich, verlegen!

    ADAM

    285
    Die kommen wieder zur Registratur.

    ERSTE MAGD

    Die Würste?

    ADAM

    Würste! Was! Der Einschlag hier.

    LICHT

    Es war ein Mißverständniß.

    DIE ZWEITE MAGD

    tritt auf.
    Im Bücherschrank,
    290
    Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

    ADAM

    Warum nicht?

    ZWEITE MAGD

    Hm! Weil ihr —

    ADAM

    Nun?

    ZWEITE MAGD

    Gestern Abend —
    295
    Glock eilf —

    ADAM

    Nun? Werd ich's hören?

    ZWEITE MAGD

    Ei, ihr kamt ja,
    Besinnt euch, ohne die Perück' ins Haus.

    ADAM

    Ich, ohne die Perücke?

    ZWEITE MAGD

    300
    In der That.
    Da ist die Liese, die's bezeugen kann.
    Und Eure andr' ist beim Perückenmacher.

    ADAM

    Ich wär —?Ich wär —?

    ERSTE MAGD

    Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!
    305
    Kahlköpfig wart ihr, als ihr wiederkamt;
    Ihr spracht, ihr wärt gefallen, wißt ihr nicht?
    Das Blut mußt ich euch noch vom Kopfe waschen.

    ADAM

    Die Unverschämte!

    ERSTE MAGD

    Ich will nicht ehrlich sein.

    ADAM

    310
    Halt's Maul, sag' ich, es ist kein wahres Wort.

    LICHT

    Habt ihr die Wund' seit gestern schon?

    ADAM

    Nein, heut.
    Die Wunde heut und gestern die Perücke.
    Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,
    315
    Und nahm sie mit dem Huth, auf Ehre, bloß,
    Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.
    Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.
    — Scheer dich zum Satan, wo du hingehörst!
    In die Registratur!
    320
    Erste Magd ab.
    Geh, Margarethe!
    Gevatter Küster soll mir seine borgen;
    In meine hätt' die Katze heute Morgen
    Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet
    325
    Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

    LICHT

    Die Katze? Was? Seid ihr —?

    ADAM

    So wahr ich lebe.
    Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.
    Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.
    330
    Was soll man machen? Wollt ihr eine haben?

    LICHT

    In die Perücke?

    ADAM

    Der Teufel soll mich holen!
    Ich hatte die Perücke aufgehängt,
    Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,
    335
    Den Stuhl berühr' ich in der Nacht, sie fällt —

    LICHT

    Drauf nimmt die Katze sie ins Maul —

    ADAM

    Mein Seel —

    LICHT

    Und trägt sie unter's Bett und jungt darin.

    ADAM

    In's Maul? Nein —

    LICHT

    340
    Nicht? Wie sonst?

    ADAM

    Die Katz'? Ach, was!

    LICHT

    Nicht? Oder ihr vielleicht?

    ADAM

    In's Maul! Ich glaube —!
    Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,
    345
    Als ich es sah.

    LICHT

    Gut, gut.

    ADAM

    Canaillen die!
    Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

    ZWEITE MAGD

    kichernd.
    So soll ich hingehn?

    ADAM

    350
    Ja, und meinen Gruß
    An Muhme Schwarzgewand, die Küsterinn.
    Ich schickt' ihr die Perücke unversehrt
    Noch heut zurück — ihm brauchst du nichts zu sagen.
    Verstehst du mich?

    ZWEITE MAGD

    355
    Ich werd' es schon bestellen.
    ab.

    DRITTER AUFTRITT

    ADAM und LICHT.

    ADAM

    Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.

    LICHT

    Warum?

    ADAM

    Es geht bunt Alles über Ecke mir.
    360
    Ist nicht auch heut Gerichtstag?

    LICHT

    Allerdings.
    Die Kläger stehen vor der Thüre schon.

    ADAM

    — Mir träumt', es hätt' ein Kläger mich ergriffen,
    Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,
    365
    Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,
    Und schält' und hunzt' und schlingelte mich herunter,
    Und judicirt' den Hals ins Eisen mir.

    LICHT

    Wie? Ihr euch selbst?

    ADAM

    So wahr ich ehrlich bin.
    370
    Drauf wurden Beide wir zu Eins, und flohn,
    Und mußten in den Fichten übernachten.

    LICHT

    Nun? Und der Traum meint ihr —?

    ADAM

    Der Teufel hol's.
    Wenn's auch der Traum nicht ist, ein Schabernack,
    375
    Sei's, wie es woll', ist wider mich im Werk!

    LICHT

    Die läpp'sche Furcht! Gebt ihr nur vorschriftsmäßig,
    Wenn der Gerichtsrath gegenwärtig ist,
    Recht den Partheien auf dem Richterstuhle,
    Damit der Traum vom ausgehunzten Richter
    380
    Auf andre Art nicht in Erfüllung geht.

    VIERTER AUFTRITT

    Der GERICHTSRATH WALTER tritt auf. Die VORIGEN.

    WALTER

    Gott grüß euch, Richter Adam.

    ADAM

    Ei willkommen!
    Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum!
    Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnte
    385
    So freudigen Besuches sich gewärt'gen.
    Kein Traum, der heute früh Glock achte noch
    Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.

    WALTER

    Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und muß
    Auf dieser Reis', in unsrer Staaten Dienst,
    390
    Zufrieden sein, wenn meine Wirthe mich
    Mit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen.
    Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft,
    Ich mein's von Herzen gut, schon wenn ich komme.
    Das Obertribunal in Utrecht will
    395
    Die Rechtspfleg' auf dem platten Land verbessern,
    Die mangelhaft von mancher Seite scheint,
    Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten.
    Doch mein Geschäfft auf dieser Reis' ist noch
    Ein strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen,
    400
    Und find ich gleich nicht Alles, wie es soll,
    Ich freue mich, wenn es erträglich ist.

    ADAM

    Fürwahr, so edle Denkart muß man loben.
    Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl' ich,
    Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen;
    405
    Und wenn er in den Niederlanden gleich
    Seit Kaiser Karl dem fünften schon besteht:
    Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden?
    Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,
    Und Alles lies't, ich weiß, den Puffendorff;
    410
    Doch Huisum ist ein kleiner Theil der Welt,
    Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Theil nur
    Kann von der allgemeinen Klugheit kommen.
    Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf,
    Und überzeugt euch, gnäd'ger Herr, ihr habt
    415
    Ihr noch sobald den Rücken nicht gekehrt,
    Als sie auch völlig euch befried'gen wird;
    Doch fändet ihr sie heut im Amte schon,
    Wie ihr es wünscht, mein Seel, so wär's ein Wunder,
    Da sie nur dunkel weiß noch, was ihr wollt.

    WALTER

    420
    Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. Vielmehr
    Es sind zu viel, man wird sie sichten müssen.

    ADAM

    Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!

    WALTER

    Das ist dort der Herr Schreiber?

    LICHT

    Der Schreiber Licht,
    425
    Zu Eurer hohen Gnaden Diensten. Pfingsten
    Neun Jahre, daß ich im Justizamt bin.

    ADAM

    bringt einen Stuhl.
    Setzt euch.

    WALTER

    Laßt sein.

    ADAM

    Ihr kommt von Holla schon.

    WALTER

    430
    Zwei kleine Meilen — Woher wißt ihr das?

    ADAM

    Woher? Ew. Gnaden Diener —

    LICHT

    Ein Bauer sagt' es,
    Der eben jetzt von Holla eingetroffen.

    WALTER

    Ein Bauer?

    ADAM

    435
    Aufzuwarten.

    WALTER

    — Ja! Es trug sich
    Dort ein unangenehmer Vorfall zu,
    Der mir die heitre Laune störte,
    Die in Geschäften uns begleiten soll. —
    440
    Ihr werdet davon unterrichtet sein?

    ADAM

    Wär's wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul,
    Weil er Arrest in seinem Haus' empfing,
    Verzweiflung hätt' den Thoren überrascht,
    Er hing sich auf?

    WALTER

    445
    Und machte Übel ärger.
    Was nur Unordnung schien, Verworrenheit,
    Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,
    Die das Gesetz, ihr wißt's, nicht mehr verschont. —
    Wie viele Kassen habt ihr?

    ADAM

    450
    Fünf, zu dienen.

    WALTER

    Wie, fünf? Ich stand im Wahn — Gefüllte Kassen?
    Ich stand im Wahn, daß ihr nur vier —

    ADAM

    Verzeiht!
    Mit der Rhein-Inundations-Collecten-Kasse?

    WALTER

    455
    Mit der Inundations-Collecten-Kasse!
    Doch jetzo ist der Rhein nicht inundirt,
    Und die Collecten gehn mithin nicht ein.
    — Sagt doch, ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?

    ADAM

    Ob wir —?

    WALTER

    460
    Was?

    LICHT

    Ja, den ersten in der Woche.

    WALTER

    Und jene Schaar von Leuten, die ich draußen
    Auf eurem Flure sah, sind das —?

    ADAM

    Das werden —

    LICHT

    465
    Die Kläger sind's, die sich bereits versammeln.

    WALTER

    Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren.
    Laßt diese Leute, wenn's beliebt, erscheinen.
    Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe
    Wie er in eurem Huisum üblich ist.
    470
    Wir nehmen die Registratur, die Kassen,
    Nachher, wenn diese Sache abgethan.

    ADAM

    Wie ihr befehlt. — Der Büttel! He! Hanfriede!

    FÜNFTER AUFTRITT

    Die ZWEITE MAGD tritt auf. Die VORIGEN.

    ZWEITE MAGD

    Gruß von Frau Küsterinn, Herr Richter Adam;
    So gern sie die Perück' euch auch —

    ADAM

    475
    Wie? Nicht?

    ZWEITE MAGD

    Sie sagt, es wäre Morgenpredigt heute;
    Der Küster hätte selbst die eine auf,
    Und seine andre wäre unbrauchbar,
    Sie sollte heut zu dem Perückenmacher.

    ADAM

    480
    Verflucht!

    ZWEITE MAGD

    Sobald der Küster wieder kömmt,
    Wird sie jedoch sogleich euch seine schicken.

    ADAM

    Auf meine Ehre, gnäd'ger Herr —

    WALTER

    Was giebt's?

    ADAM

    485
    Ein Zufall, ein verwünschter, hat um beide
    Perücken mich gebracht. Und jetzt bleibt mir
    Die dritte aus, die ich mir leihen wollte:
    Ich muß kahlköpfig den Gerichtstag halten.

    WALTER

    Kahlköpfig!

    ADAM

    490
    Ja, beim ewigen Gott! So sehr
    Ich ohne der Perücke Beistand um
    Mein Richteransehn auch verlegen bin.
    — Ich müßt' es auf dem Vorwerk noch versuchen,
    Ob mir vielleicht der Pächter —?

    WALTER

    495
    Auf dem Vorwerk!
    Kann jemand anders hier im Orte nicht —?

    ADAM

    Nein, in der That —

    WALTER

    Der Prediger vielleicht.

    ADAM

    Der Prediger? Der —

    WALTER

    500
    Oder Schulmeister.

    ADAM

    Seit der Sackzehnde abgeschafft, Ew. Gnaden,
    Wozu ich hier im Amte mitgewirkt,
    Kann ich auf beider Dienste nicht mehr rechnen.

    WALTER

    Nun, Herr Dorfrichter? Nun? Und der Gerichtstag?
    505
    Denkt ihr zu warten, bis die Haar' euch wachsen?

    ADAM

    Ja, wenn ihr mir erlaubt, schick' ich auf's Vorwerk.

    WALTER

    — Wie weit ist's auf das Vorwerk?

    ADAM

    Ei! Ein kleines
    Halbstündchen.

    WALTER

    510
    Eine halbe Stunde, was!
    Und Eurer Sitzung Stunde schlug bereits.
    Macht fort! Ich muß noch heut nach Hussahe.

    ADAM

    Macht fort! Ja —

    WALTER

    Ei, so pudert euch den Kopf ein!
    515
    Wo Teufel auch, wo ließt ihr die Perücken?
    — Helft euch so gut ihr könnt. Ich habe Eile.

    ADAM

    Auch das.

    DER BÜTTEL

    tritt auf.
    Hier ist der Büttel!

    ADAM

    Kann ich inzwischen
    520
    Mit einem guten Frühstück, Wurst aus Braunschweig,
    Ein Gläschen Danziger etwa —

    WALTER

    Danke sehr.

    ADAM

    Ohn' Umständ'!

    WALTER

    Dank', ihr hört's, hab's schon genossen.
    525
    Geht ihr, und nutzt die Zeit, ich brauche sie,
    In meinem Büchlein etwas mir zu merken.

    ADAM

    Nun, wenn ihr so befehlt — Komm, Margarethe!

    WALTER

    — Ihr seid ja bös' verletzt, Herr Richter Adam.
    Seid ihr gefallen?

    ADAM

    530
    — Hab' einen wahren Mordschlag
    Heut früh, als ich dem Bett' entstieg, gethan:
    Seht, gnäd'ger Herr Gerichtsrath, einen Schlag
    Ins Zimmer hin, ich glaubt' es wär' ins Grab.

    WALTER

    Das thut mir leid. — Es wird doch weiter nicht
    535
    Von Folgen sein?

    ADAM

    Ich denke nicht. Und auch
    In meiner Pflicht soll's weiter mich nicht stören. —
    Erlaubt!

    WALTER

    Geht, geht!

    ADAM

    zum Büttel.
    540
    Die Kläger rufst du — Marsch!
    Adam, die Magd und der Büttel ab.

    SECHSTER AUFTRITT

    FRAU MARTHE, EVE, VEIT und RUPRECHT treten auf. — WALTER und LICHT im Hintergrunde.

    FRAU MARTHE

    Ihr krugzertrümmerndes Gesindel, ihr!
    Ihr sollt mir büßen, ihr!

    VEIT

    Sei sie nur ruhig,
    Frau Marth'! Es wird sich Alles hier entscheiden.

    FRAU MARTHE

    545
    O ja. Entscheiden. Seht doch. Den Klugschwätzer.
    Den Krug mir, den zerbrochenen, entscheiden.
    Wer wird mir den geschied'nen Krug entscheiden?
    Hier wird entschieden werden, daß geschieden
    Der Krug mir bleiben soll. Für so'n Schiedsurtheil
    550
    Geb' ich noch die geschied'nen Scherben nicht.

    VEIT

    Wenn sie sich Recht erstreiten kann, sie hört's,
    Ersetz' ich ihn.

    FRAU MARTHE

    Er mir den Krug ersetzen.
    Wenn ich mir Recht erstreiten kann, ersetzen.
    555
    Setz' er den Krug mal hin, versuch' er's mal,
    Setz' er'n mal hin auf das Gesims! Ersetzen!
    Den Krug, der kein Gebein zum Stehen hat,
    Zum Liegen oder Sitzen hat, ersetzen!

    VEIT

    Sie hört's! Was geifert sie? Kann man mehr thun?
    560
    Wenn Einer ihr von uns den Krug zerbrochen,
    Soll sie entschädigt werden.

    FRAU MARTHE

    Ich entschädigt!
    Als ob ein Stück von meinem Hornvieh spräche.
    Meint er, daß die Justiz ein Töpfer ist?
    565
    Und kämen die Hochmögenden und bänden
    Die Schürze vor, und trügen ihn zum Ofen,
    Die könnten sonst was in den Krug mir thun,
    Als ihn entschädigen. Entschädigen!

    RUPRECHT

    Laß er sie, Vater. Folg' er mir. Der Drache!
    570
    S' ist der zerbrochne Krug nicht, der sie wurmt,
    Die Hochzeit ist es, die ein Loch bekommen,
    Und mit Gewalt hier denkt sie sie zu flicken.
    Ich aber setze noch den Fuß Eins drauf:
    Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme.

    FRAU MARTHE

    575
    Der eitle Flaps! Die Hochzeit ich hier flicken!
    Die Hochzeit, nicht des Flickdrahts, unzerbrochen
    Nicht Einen von des Kruges Scherben werth.
    Und stünd' die Hochzeit blankgescheuert vor mir,
    Wie noch der Krug auf dem Gesimse gestern,
    580
    So faßt' ich sie beim Griff jetzt mit den Händen,
    Und schlüg' sie gellend ihm am Kopf entzwei,
    Nicht aber hier die Scherben möcht' ich flicken!
    Sie flicken!

    EVE

    Ruprecht!

    RUPRECHT

    585
    Fort du —!

    EVE

    Liebster Ruprecht!

    RUPRECHT

    Mir aus den Augen!

    EVE

    Ich beschwöre dich.

    RUPRECHT

    Die Lüderliche —! Ich mag nicht sagen, was.

    EVE

    590
    Laß mich ein einz'ges Wort dir heimlich —

    RUPRECHT

    Nichts!

    EVE

    — Du gehst zum Regimente jetzt, o Ruprecht,
    Wer weiß, wenn du erst die Muskete trägst,
    Ob ich dich je im Leben wieder sehe.
    595
    Krieg ist's, bedenke, Krieg, in den du ziehst:
    Willst du mit solchem Grolle von mir scheiden?

    RUPRECHT

    Groll? Nein, bewahr' mich Gott, das will ich nicht.
    Gott schenk' dir so viel Wohlergehn, als er
    Erübrigen kann. Doch kehrt ich aus dem Kriege
    600
    Gesund, mit erzgegoßnem Leib zurück,
    Und würd' in Huisum achtzig Jahre alt,
    So sagt ich noch im Tode zu dir: Metze!
    Du willst's ja selber vor Gericht beschwören.

    FRAU MARTHE

    zu Eve.
    Hinweg! Was sagt' ich dir? Willst du dich noch
    605
    Beschimpfen lassen? Der Herr Corporal
    Ist was für dich, der würd'ge Holzgebein,
    Der seinen Stock im Militair geführt,
    Und nicht dort der Maulaffe, der dem Stock
    Jetzt seinen Rücken bieten wird. Heut ist
    610
    Verlobung, Hochzeit, wäre Taufe heute,
    Es wär' mir recht, und mein Begräbniß leid' ich,
    Wenn ich dem Hochmuth erst den Kamm zertreten,
    Der mir bis an die Krüge schwillet.

    EVE

    Mutter!
    615
    Laßt doch den Krug! Laßt mich doch in der Stadt versuchen,
    Ob ein geschickter Handwerksmann die Scherben,
    Nicht wieder euch zur Lust zusammenfügt.
    Und wär's um ihn geschehn, nehmt meine ganze
    Sparbüchse hin, und kauft euch einen neuen.
    620
    Wer wollte doch um einen irdnen Krug,
    Und stammt er von Herodes Zeiten her,
    Solch einen Aufruhr, so viel Unheil stiften.

    FRAU MARTHE

    Du sprichst, wie du's verstehst. Willst du etwa
    Die Fiedel tragen, Evchen, in der Kirche
    625
    Am nächsten Sonntag reuig Buße thun?
    Dein guter Name lag in diesem Topfe,
    Und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen,
    Wenn auch vor Gott nicht, und vor mir und dir.
    Der Richter ist mein Handwerksmann, der Schergen,
    630
    Der Block ist's, Peitschenhiebe, die es braucht,
    Und auf den Scheiterhaufen das Gesindel,
    Wenn's unsre Ehre weiß zu brennen gilt,
    Und diesen Krug hier wieder zu glasiren.

    SIEBENTER AUFTRITT

    ADAM im Ornat, doch ohne Perücke, tritt auf. Die VORIGEN.

    ADAM

    für sich.
    Ei, Evchen. Sieh! Und der vierschröt'ge Schlingel,
    635
    Der Ruprecht! Ei, was Teufel, sieh! die ganze Sippschaft!
    — Die werden mich doch nicht bei mir verklagen?

    EVE

    O liebste Mutter, folgt mir, ich beschwör' euch,
    Laßt diesem Unglückszimmer uns entfliehen!

    ADAM

    Gevatter! Sagt mir doch, was bringen die?

    LICHT

    640
    Was weiß ich? Lärm um nichts; Lappalien.
    Es ist ein Krug zerbrochen worden, hör' ich.

    ADAM

    Ein Krug! So! Ei! — Ei, wer zerbrach den Krug?

    LICHT

    Wer ihn zerbrochen?

    ADAM

    Ja, Gevatterchen.

    LICHT

    645
    Mein Seel, setzt euch: so werdet ihr's erfahren.

    ADAM

    heimlich.
    Evchen!

    EVE

    gleichfalls.
    Geh er.

    ADAM

    Ein Wort.

    EVE

    Ich will nichts wissen.

    ADAM

    650
    Was bringt ihr mir?

    EVE

    Ich sag' ihm, er soll gehn.

    ADAM

    Evchen! Ich bitte dich! Was soll mir das bedeuten?

    EVE

    Wenn er nicht gleich —! Ich sag's ihm, laß er mich.

    ADAM

    zu Licht.
    Gevatter, hört, mein Seel, ich halt's nicht aus.
    655
    Die Wund' am Schienbein macht mir Übelkeiten;
    Führt ihr die Sach', ich will zu Bette gehn.

    LICHT

    Zu Bett —? Ihr wollt —? Ich glaub', ihr seid verrückt.

    ADAM

    Der Henker hol's. Ich muß mich übergeben.

    LICHT

    Ich glaub, ihr ras't, im Ernst. So eben kommt ihr —?
    660
    — Meinethalben. Sagt's dem Herrn Gerichtsrath dort.
    Vielleicht erlaubt er's. — Ich weiß nicht, was euch fehlt?

    ADAM

    wieder zu Even.
    Evchen! Ich flehe dich! Um alle Wunden!
    Was ist's, das ihr mir bringt?

    EVE

    Er wird's schon hören.

    ADAM

    665
    Ist's nur der Krug dort, den die Mutter hält,
    Den ich so viel —?

    EVE

    Ja, der zerbrochne Krug nur.

    ADAM

    Und weiter nichts?

    EVE

    Nichts weiter.

    ADAM

    670
    Nichts? Gewiß nichts?

    EVE

    Ich sag' ihm, geh er. Laß er mich zufrieden.

    ADAM

    Hör du, bei Gott, sei klug, ich rath' es dir.

    EVE

    Er, Unverschämter!

    ADAM

    In dem Attest steht
    675
    Der Nahme jetzt, Fracturschrift, Ruprecht Tümpel.
    Hier trag' ich's fix und fertig in der Tasche;
    Hörst du es knackern, Evchen? Sieh, das kannst du,
    Auf meine Ehr', heut übers Jahr dir holen.
    Dir Trauerschürz' und Mieder zuzuschneiden,
    680
    Wenn's heißt: der Ruprecht in Batavia
    Krepirt' — ich weiß, an welchem Fieber nicht,
    War's gelb, war's scharlach, oder war es faul.

    WALTER

    Sprecht nicht mit den Parthei'n, Herr Richter Adam,
    Vor der Session! Hier setzt euch, und befragt sie.

    ADAM

    685
    Was sagt er? — Was befehlen Ew. Gnaden?

    WALTER

    Was ich befehl'? — Ich sagte deutlich euch,
    Daß ihr nicht heimlich vor der Sitzung sollt
    Mit den Parthein zweideut'ge Sprache führen.
    Hier ist der Platz, der eurem Amt gebührt,
    690
    Und öffentlich Verhör, was ich erwarte.

    ADAM

    für sich.
    Verflucht! Ich kann mich nicht dazu entschließen —!
    — Es klirrte etwas, da ich Abschied nahm —

    LICHT

    ihn aufschreckend.
    Herr Richter! Seid ihr —?

    ADAM

    Ich? Auf Ehre nicht!
    695
    Ich hatte sie behutsam drauf gehängt,
    Und müßt' ein Ochs gewesen sein —

    LICHT

    Was?

    ADAM

    Was?

    LICHT

    Ich fragte —?

    ADAM

    700
    Ihr fragtet, ob ich —?

    LICHT

    Ob ihr taub seid, fragt' ich.
    Dort Sr. Gnaden haben euch gerufen.

    ADAM

    Ich glaubte —? Wer ruft?

    LICHT

    Der Herr Gerichtsrath dort.

    ADAM

    für sich.
    705
    Ei! Hol's der Henker auch! Zwei Fälle giebt's,
    Mein Seel, nicht mehr, und wenn's nicht biegt, so bricht's.
    — Gleich! Gleich! Gleich! Was befehlen Ew. Gnaden?
    Soll jetzt die Procedur beginnen?

    WALTER

    Ihr seid ja sonderbar zerstreut. Was fehlt euch?

    ADAM

    710
    — Auf Ehr'! Verzeiht. Es hat ein Perlhuhn mir,
    Das ich von einem Indienfahrer kaufte,
    Den Pips: ich soll es nudeln, und versteh's nicht,
    Und fragte dort die Jungfer bloß um Rath.
    Ich bin ein Narr in solchen Dingen, seht,
    715
    Und meine Hühner nenn' ich meine Kinder.

    WALTER

    Hier. Setzt euch. Ruft den Kläger und vernehmt ihn.
    Und ihr, Herr Schreiber, führt das Protokoll.

    ADAM

    Befehlen Ew. Gnaden den Proceß
    Nach den Formalitäten, oder so,
    720
    Wie er in Huisum üblich ist, zu halten?

    WALTER

    Nach den gesetzlichen Formalitäten,
    Wie er in Huisum üblich ist, nicht anders.

    ADAM

    Gut, gut. Ich werd' euch zu bedienen wissen.
    Seid ihr bereit, Herr Schreiber?

    LICHT

    725
    Zu euren Diensten.

    ADAM

    — So nimm, Gerechtigkeit, denn deinen Lauf!
    Klägere trete vor.

    FRAU MARTHE

    Hier, Herr Dorfrichter!

    ADAM

    Wer seyd ihr?

    FRAU MARTHE

    730
    Wer —?

    ADAM

    Ihr.

    FRAU MARTHE

    Wer ich —?

    ADAM

    Wer ihr seid!
    Wes Namens, Standes, Wohnorts, und so weiter.

    FRAU MARTHE

    735
    Ich glaub', er spaßt, Herr Richter.

    ADAM

    Spaßen, was!
    Ich sitz' im Namen der Justiz, Frau Marthe,
    Und die Justiz muß wissen, wer ihr seid.

    LICHT

    halb laut.
    Laßt doch die sonderbare Frag' —

    FRAU MARTHE

    740
    Ihr guckt
    Mir alle Sonntag in die Fenster ja,
    Wenn ihr auf's Vorwerk geht!

    WALTER

    Kennt ihr die Frau?

    ADAM

    Sie wohnt hier um die Ecke, Ew. Gnaden,
    745
    Wenn man den Fußsteig durch die Hecken geht;
    Wittw' eines Kastellans, Hebamme jetzt,
    Sonst eine ehrliche Frau, von gutem Rufe.

    WALTER

    Wenn ihr so unterrichtet seid, Herr Richter,
    So sind dergleichen Fragen überflüßig.
    750
    Setzt ihren Namen in das Protokoll,
    Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

    ADAM

    Auch das. Ihr seid nicht für Formalitäten.
    Thut so, wie Sr. Gnaden anbefohlen.

    WALTER

    Fragt nach dem Gegenstand der Klage jetzt.

    ADAM

    755
    Jetzt soll ich —?

    WALTER

    Ja, den Gegenstand ermitteln!

    ADAM

    Das ist gleichfalls ein Krug, verzeiht.

    WALTER

    Wie? Gleichfalls!

    ADAM

    Ein Krug. Ein bloßer Krug. Setzt einen Krug,
    760
    Und schreibt dabei: dem Amte wohlbekannt.

    LICHT

    Auf meine hingeworfene Vermuthung
    Wollt ihr, Herr Richter —?

    ADAM

    Mein Seel, wenn ich's euch sage,
    So schreibt ihrs hin. Ist's nicht ein Krug, Frau Marthe?

    FRAU MARTHE

    765
    Ja, hier der Krug —

    ADAM

    Da habt ihr's.

    FRAU MARTHE

    Der zerbrochne —

    ADAM

    Pedantische Bedenklichkeit.

    LICHT

    Ich bitt' euch —

    ADAM

    770
    Und wer zerbrach den Krug? Gewiß der Schlingel —?

    FRAU MARTHE

    Ja, er, der Schlingel dort —

    ADAM

    für sich.
    Mehr brauch ich nicht.

    RUPRECHT

    Das ist nicht wahr, Herr Richter.

    ADAM

    für sich.
    Auf, aufgelebt, du alter Adam!

    RUPRECHT

    775
    Das lügt sie in den Hals hinein —

    ADAM

    Schweig, Maulaffe!
    Du steckst den Hals noch früh genug in's Eisen.
    — Setzt einen Krug, Herr Schreiber, wie gesagt,
    Zusammt dem Namen dess', der ihn zerschlagen.
    780
    Jetzt wird die Sache gleich ermittelt sein.

    WALTER

    Herr Richter! Ei! Welch' ein gewaltsames Verfahren.

    ADAM

    Wie so?

    LICHT

    Wollt ihr nicht förmlich —?

    ADAM

    Nein! sag' ich;
    785
    Ihr Gnaden lieben Förmlichkeiten nicht.

    WALTER

    Wenn ihr die Instruction, Herr Richter Adam,
    Nicht des Prozesses einzuleiten wißt,
    Ist hier der Ort jetzt nicht, es euch zu lehren.
    Wenn ihr Recht anders nicht, als so, könnt geben,
    790
    So tretet ab: vielleicht kann's euer Schreiber.

    ADAM

    Erlaubt! Ich gab's, wie's hier in Huisum üblich;
    Ew. Gnaden haben's also mir befohlen.

    WALTER

    Ich hätt' —?

    ADAM

    Auf meine Ehre!

    WALTER

    795
    Ich befahl euch,
    Recht hier nach den Gesetzen zu ertheilen;
    Und hier in Huisum glaubt' ich die Gesetze,
    Wie anderswo in den vereinten Staaten.

    ADAM

    Da muß submiß ich um Verzeihung bitten!
    800
    Wir haben hier, mit Ew. Erlaubniß,
    Statuten, eigenthümliche, in Huisum,
    Nicht aufgeschriebene, muß ich gestehn, doch durch
    Bewährte Tradition uns überliefert.
    Von dieser Form, getrau ich mir zu hoffen,
    805
    Bin ich noch heut kein Jota abgewichen.
    Doch auch in eurer andern Form bin ich,
    Wie sie im Reich mag üblich sein, zu Hause.
    Verlangt ihr den Beweis? Wohlan, befehlt!
    Ich kann Recht so jetzt, jetzo so ertheilen.

    WALTER

    810
    Ihr gebt mir schlechte Meinungen, Herr Richter.
    Es sei. Ihr fangt von vorn die Sache an. —

    ADAM

    Auf Ehr'! Gebt Acht, ihr sollt zufrieden sein.
    — Frau Marthe Rull! Bringt eure Klage vor.

    FRAU MARTHE

    Ich klag', ihr wißt's, hier wegen dieses Krugs;
    815
    Jedoch vergönnt, daß ich, bevor ich melde
    Was diesem Krug geschehen, auch beschreibe
    Was er vorher mir war.

    ADAM

    Das Reden ist an euch.

    FRAU MARTHE

    Seht ihr den Krug, ihr werthgeschätzten Herren?
    820
    Seht ihr den Krug?

    ADAM

    O ja, wir sehen ihn.

    FRAU MARTHE

    Nichts seht ihr, mit Verlaub, die Scherben seht ihr;
    Der Krüge schönster ist entzwei geschlagen.
    Hier grade auf dem Loch, wo jetzo nichts,
    825
    Sind die gesammten niederländischen Provinzen
    Dem span'schen Philipp übergeben worden.
    Hier im Ornat stand Kaiser Carl der fünfte:
    Von dem seht ihr nur noch die Beine stehn.
    Hier kniete Philipp, und empfing die Krone:
    830
    Der liegt im Topf, bis auf den Hintertheil,
    Und auch noch der hat einen Stoß empfangen.
    Dort wischten seine beiden Muhmen sich,
    Der Franzen und der Ungarn Königinnen,
    Gerührt die Augen aus; wenn man die Eine
    835
    Die Hand noch mit dem Tuch empor sieht heben,
    So ist's, als weinete sie über sich.
    Hier im Gefolge stützt sich Philibert,
    Für den den Stoß der Kaiser aufgefangen,
    Noch auf das Schwerdt; doch jetzo müßt' er fallen,
    840
    So gut wie Maximilian: der Schlingel!
    Die Schwerdter unten jetzt sind weggeschlagen.
    Hier in der Mitte, mit der heil'gen Mütze,
    Sah man den Erzbischof von Arras stehn;
    Den hat der Teufel ganz und gar geholt,
    845
    Sein Schatten nur fällt lang noch übers Pflaster.
    Hier standen rings, im Grunde, Leibtrabanten,
    Mit Hellebarden, dicht gedrängt, und Spießen,
    Hier Häuser, seht, vom großen Markt zu Brüssel,
    Hier guckt noch ein Neugier'ger aus dem Fenster:
    850
    Doch was er jetzo sieht, das weiß ich nicht.

    ADAM

    Frau Marth! Erlaßt uns das zerscherbte Pactum,
    Wenn es zur Sache nicht gehört.
    Uns geht das Loch — nichts die Provinzen an,
    Die darauf übergeben worden sind.

    FRAU MARTHE

    855
    Erlaubt! Wie schön der Krug, gehört zur Sache! —
    Den Krug erbeutete sich Childerich,
    Der Kesselflicker, als Oranien
    Briel mit den Wassergeusen überrumpelte.
    Ihn hatt' ein Spanier, gefüllt mit Wein,
    860
    Just an den Mund gesetzt, als Childerich
    Den Spanier von hinten niederwarf,
    Den Krug ergriff, ihn leert', und weiter ging.

    ADAM

    Ein würd'ger Wassergeuse.

    FRAU MARTHE

    Hierauf vererbte
    865
    Der Krug auf Fürchtegott, den Todtengräber;
    Der trank zu dreimal nur, der Nüchterne,
    Und stets vermischt mit Wasser aus dem Krug.
    Das erstemal, als er im Sechzigsten
    Ein junges Weib sich nahm; drei Jahre drauf,
    870
    Als sie noch glücklich ihn zum Vater machte;
    Und als sie jetzt noch funfzehn Kinder zeugte,
    Trank er zum drittenmale, als sie starb.

    ADAM

    Gut. Das ist auch nicht übel.

    FRAU MARTHE

    Drauf fiel der Krug
    875
    An den Zachäus, Schneider in Tirlemont,
    Der meinem seel'gen Mann, was ich euch jetzt
    Berichten will, mit eignem Mund erzählt.
    Der warf, als die Franzosen plünderten,
    Den Krug, samt allem Hausrath, aus dem Fenster,
    880
    Sprang selbst, und brach den Hals, der Ungeschickte,
    Und dieser irdne Krug, der Krug von Thon,
    Auf's Bein kam er zu stehen, und blieb ganz.

    ADAM

    Zur Sache, wenn's beliebt, Frau Marthe Rull! Zur Sache!

    FRAU MARTHE

    Drauf in der Feuersbrunst von Sechs und sechszig,
    885
    Da hatt' ihn schon mein Mann, Gott hab' ihn selig —

    ADAM

    Zum Teufel! Weib! So seid ihr noch nicht fertig?

    FRAU MARTHE

    — Wenn ich nicht reden soll, Herr Richter Adam,
    So bin ich unnütz hier, so will ich gehn,
    Und ein Gericht mir suchen, das mich hört.

    WALTER

    890
    Ihr sollt hier reden: doch von Dingen nicht,
    Die eurer Klage fremd. Wenn ihr uns sagt,
    Daß jener Krug euch werth, so wissen wir
    So viel, als wir zum Richten hier gebrauchen.

    FRAU MARTHE

    Wie viel ihr brauchen möget, hier zu richten,
    895
    Das weiß ich nicht, und untersuch' es nicht;
    Das aber weiß ich, daß ich, um zu klagen,
    Muß vor euch sagen dürfen, über was.

    WALTER

    Gut denn. Zum Schluß jetzt. Was geschah dem Krug?
    Was? — Was geschah dem Krug im Feuer
    900
    Von Anno sechs und sechszig? Wird man's hören?
    Was ist dem Krug geschehn?

    FRAU MARTHE

    Was ihm geschehen?
    Nichts ist dem Krug, ich bitt' euch sehr, ihr Herren,
    Nichts Anno sechs und sechszig ihm geschehen.
    905
    Ganz blieb der Krug, ganz in der Flammen Mitte,
    Und aus des Hauses Asche zog ich ihn
    Hervor, glasirt, am andern Morgen, glänzend,
    Als käm' er eben aus dem Töpferofen.

    WALTER

    Nun gut. Nun kennen wir den Krug. Nun wissen
    910
    Wir Alles, was dem Krug geschehn, was nicht.
    Was giebt's jetzt weiter?

    FRAU MARTHE

    Nun diesen Krug jetzt seht — den Krug,
    Zertrümmert einen Krug noch werth, den Krug
    Für eines Fräuleins Mund, die Lippe selbst,
    915
    Nicht der Frau Erbstatthalterin zu schlecht,
    Den Krug, ihr hohen Herren Richter beide,
    Den Krug hat jener Schlingel mir zerbrochen.

    ADAM

    Wer?

    FRAU MARTHE

    Er, der Ruprecht dort.

    RUPRECHT

    920
    Das ist gelogen,
    Herr Richter.

    ADAM

    Schweig' er, bis man ihn fragen wird.
    Auch heut an ihn noch wird die Reihe kommen.
    — Habt ihr's im Protocoll bemerkt?

    LICHT

    925
    O ja.

    ADAM

    Erzählt den Hergang, würdige Frau Marthe.

    FRAU MARTHE

    Es war Uhr eilfe gestern —

    ADAM

    Wann, sagt ihr?

    FRAU MARTHE

    Uhr eilf.

    ADAM

    930
    Am Morgen!

    FRAU MARTHE

    Nein, verzeiht am Abend,
    Und schon die Lamp' im Bette wollt' ich löschen,
    Als laute Männerstimmen, ein Tumult,
    In meiner Tochter abgelegnen Kammer,
    935
    Als ob der Feind einbräche, mich erschreckt.
    Geschwind' die Trepp' eil' ich hinab, ich finde
    Die Kammerthür gewaltsam eingesprengt,
    Schimpfreden schallen wüthend mir entgegen,
    Und da ich mir den Auftritt jetzt beleuchte,
    940
    Was find' ich jetzt, Herr Richter, was jetzt find' ich?
    Den Krug find' ich zerscherbt im Zimmer liegen,
    In jedem Winkel liegt ein Stück,
    Das Mädchen ringt die Händ', und er der Flaps dort,
    Der trotzt, wie toll, euch in des Zimmers Mitte.

    ADAM

    945
    Ei, Wetter!

    FRAU MARTHE

    Was?

    ADAM

    Sieh da, Frau Marthe!

    FRAU MARTHE

    Ja! —
    Drauf ist's, als ob in so gerechtem Zorn,
    950
    Mir noch zehn Arme wüchsen, jeglichen
    Fühl' ich mir wie ein Geier ausgerüstet.
    Ihn stell' ich dort zu Rede, was er hier
    In später Nacht zu suchen, mir die Krüge
    Des Hauses tobend einzuschlagen habe:
    955
    Und er, zur Antwort giebt er mir, jetzt rathet?
    Der Unverschämte! Der Halunke, der!
    Aufs Rad will ich ihn sehen, oder mich
    Nicht mehr geduldig auf den Rücken legen:
    Er spricht, es hab' ein Anderer den Krug
    960
    Vom Sims' gestürzt — ein Anderer, ich bitt' euch,
    Der vor ihm aus der Kammer nur entwichen;
    — Und überhäuft mit Schimpf mir da das Mädchen.

    ADAM

    O! faule Fische — Hierauf?

    FRAU MARTHE

    Auf dies Wort
    965
    Seh' ich das Mädchen fragend an; die steht
    Gleich einer Leiche da, ich sage: Eve! —
    Sie setzt sich; ist's ein Anderer gewesen,
    Frag' ich? Und Joseph und Marie, ruft sie,
    Was denkt ihr Mutter auch? — So sprich! Wer war's?
    970
    Wer sonst, sagt sie, — und wer auch konnt' es anders?
    Und schwört mir zu, daß er's gewesen ist.

    EVE

    Was schwor ich euch? Was hab' ich euch geschworen?
    Nichts schwor ich, nichts euch —

    FRAU MARTHE

    Eve!

    EVE

    975
    Nein! Dies lügt ihr. —

    RUPRECHT

    Da hört ihr's.

    ADAM

    Hund, jetzt, verfluchter, schweig,
    Soll hier die Faust den Rachen dir noch stopfen!
    Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.

    FRAU MARTHE

    980
    Du hättest nicht —?

    EVE

    Nein, Mutter! Dies verfälscht ihr.
    Seht, leid thut's in der That mir tief zur Seele,
    Daß ich es öffentlich erklären muß:
    Doch nichts schwor ich, nichts, nichts hab' ich geschworen.

    ADAM

    985
    Seid doch vernünftig, Kinder.

    LICHT

    Das ist ja seltsam.

    FRAU MARTHE

    Du hättest mir, o Eve, nicht versichert?
    Nicht Joseph und Marie angerufen?

    EVE

    Beim Schwur nicht! Schwörend nicht! Seht dies jetzt schwör' ich,
    990
    Und Joseph und Maria ruf ich an.

    ADAM

    Ei, Leutchen! Ei, Frau Marthe! Was auch macht sie?
    Wie schüchtert sie das gute Kind auch ein.
    Wenn sich die Jungfer wird besonnen haben,
    Erinnert ruhig dessen, was geschehen,
    995
    — Ich sage, was geschehen ist, und was,
    Spricht sie nicht, wie sie soll, geschehn noch kann:
    Gebt Acht, so sagt sie heut uns aus, wie gestern,
    Gleichviel, ob sie's beschwören kann ob nicht.
    Laßt Joseph und Maria aus dem Spiele.

    WALTER

    1000
    Nicht doch, Herr Richter, nicht! Wer wollte den
    Partheien so zweideut'ge Lehren geben.

    FRAU MARTHE

    Wenn sie in's Angesicht mir sagen kann,
    Schamlos, die liederliche Dirne, die,
    Daß es ein Andrer, als der Ruprecht war,
    1005
    So mag meinetwegen sie — ich mag nicht sagen, was.
    Ich aber, ich versichr' es euch, Herr Richter,
    Und kann ich gleich nicht, daß sie's schwor, behaupten,
    Daß sie's gesagt hat gestern, das beschwör' ich,
    Und Joseph und Maria ruf' ich an.

    ADAM

    1010
    Nun weiter will ja auch die Jungfer —

    WALTER

    Herr Richter!

    ADAM

    Ew. Gnaden? — Was sagt er? Nicht, Herzens-Evchen?

    FRAU MARTHE

    Heraus damit! Hast du's mir nicht gesagt?
    Hast du's mir gestern nicht, mir nicht gesagt?

    EVE

    1015
    Wer läugnet euch, daß ich's gesagt —

    ADAM

    Da habt ihr's.

    RUPRECHT

    Die Metze, die!

    ADAM

    Schreibt auf.

    VEIT

    Pfui, schäm' sie sich.

    WALTER

    1020
    Von eurer Aufführung, Herr Richter Adam,
    Weiß ich nicht, was ich denken soll. Wenn ihr selbst
    Den Krug zerschlagen hättet, könntet ihr
    Von euch ab den Verdacht nicht eifriger
    Hinwälzen auf den jungen Mann, als jetzt. —
    1025
    Ihr setzt nicht mehr ins Protokoll, Herr Schreiber,
    Als nur der Jungfer Eingeständniß, hoff' ich,
    Vom gestrigen Geständniß, nicht vom Facto.
    — Ist's an die Jungfer jetzt schon auszusagen?

    ADAM

    Mein Seel, wenn's ihre Reihe noch nicht ist,
    1030
    In solchen Dingen irrt der Mensch, Ew. Gnaden.
    Wen hätt' ich fragen sollen jetzt? Beklagten?
    Auf Ehr'! Ich nehme gute Lehre an.

    WALTER

    Wie unbefangen! — Ja, fragt den Beklagten.
    Fragt, macht ein Ende, fragt, ich bitt' euch sehr:
    1035
    Dies ist die letzte Sache, die ihr führt.

    ADAM

    Die letzte! Was! Ei freilich! Den Beklagten!
    Wohin auch, alter Richter, dachtest du?
    Verflucht, das pips'ge Perlhuhn mir! Daß es
    Krepirt wär an der Pest in Indien!
    1040
    Stets liegt der Kloß von Nudeln mir im Sinn.

    WALTER

    Was liegt? Was für ein Kloß liegt euch —?

    ADAM

    Der Nudelkloß,
    Verzeiht, den ich dem Huhne geben soll.
    Schluckt mir das Aas die Pille nicht herunter,
    1045
    Mein Seel, so weiß ich nicht, wie's werden wird.

    WALTER

    Thut eure Schuldigkeit, sag ich, zum Henker!

    ADAM

    Beklagter trete vor.

    RUPRECHT

    Hier, Herr Dorfrichter.
    Ruprecht, Veits des Kossäthen Sohn, aus Huisum.

    ADAM

    1050
    Vernahm er dort, was vor Gericht so eben
    Frau Marthe gegen ihn hat angebracht?

    RUPRECHT

    Ja, Herr Dorfrichter, das hab' ich.

    ADAM

    Getraut er sich
    Etwas dagegen aufzubringen, was?
    1055
    Bekennt er, oder unterfängt er sich,
    Hier wie ein gottvergeßner Mensch zu läugnen?

    RUPRECHT

    Was ich dagegen aufzubringen habe,
    Herr Richter? Ei! Mit euerer Erlaubniß,
    Daß sie kein wahres Wort gesprochen hat.

    ADAM

    1060
    So? Und das denkt er zu beweisen?

    RUPRECHT

    O ja.

    ADAM

    Die würdige Frau Marthe, die.
    Beruhige sie sich. Es wird sich finden.

    WALTER

    Was geht ihn die Frau Marthe an, Herr Richter?

    ADAM

    1065
    Was mir —? Bei Gott! Soll ich als Christ —?

    WALTER

    Bericht'
    Er, was er für sich anzuführen hat. —
    Herr Schreiber, wißt ihr den Prozeß zu führen?

    ADAM

    Ach, was!

    LICHT

    1070
    Ob ich — ei nun, wenn Ew. Gnaden —

    ADAM

    Was glotzt er da? Was hat er aufzubringen?
    Steht nicht der Esel, wie ein Ochse, da?
    Was hat er aufzubringen?

    RUPRECHT

    Was ich aufzubringen?

    WALTER

    1075
    Er ja, er soll den Hergang jetzt erzählen.

    RUPRECHT

    Mein Seel', wenn man zu Wort mich kommen ließe.

    WALTER

    S' ist in der That, Herr Richter, nicht zu dulden.

    RUPRECHT

    Glock zehn Uhr mogt' es etwa sein zu Nacht, —
    Und warm, just diese Nacht des Januars
    1080
    Wie Mai, als ich zum Vater sage: Vater!
    Ich will ein Bissel noch zur Eve gehn.
    Denn heuren wollt' ich sie, das müßt ihr wissen,
    Ein rüstig Mädel ist's, ich hab's beim Erndten
    Gesehn, wo Alles von der Faust ihr ging,
    1085
    Und ihr das Heu man flog, als wie gemaus't.
    Das sagt' ich: willst du? Und sie sagte: ach!
    Was du da gakelst. Und nachher sagt' sie, ja.

    ADAM

    Bleib er bei seiner Sache. Gakeln! Was!
    Ich sagte, willst du? Und sie sagte, ja.

    RUPRECHT

    1090
    Ja, meiner Treu, Herr Richter.

    WALTER

    Weiter! Weiter!

    RUPRECHT

    Nun —
    Da sagt' ich: Vater, hört er? Laß er mich.
    Wir schwatzen noch am Fenster was zusammen.
    1095
    Na, sagt er, lauf; bleibst du auch draußen, sagt er?
    Ja, meiner Seel', sag' ich, das ist geschworen.
    Na, sagt' er, lauf, um eilfe bist du hier.

    ADAM

    Na, so sag' du, und gakle, und kein Ende.
    Na, hat er bald sich ausgesagt?

    RUPRECHT

    1100
    Na, sag' ich,
    Das ist ein Wort, und setz' die Mütze auf,
    Und geh; und über'n Steig will ich, und muß
    Durch's Dorf zurückgehn, weil der Bach geschwollen.
    Ei, alle Wetter, denk' ich, Ruprecht, Schlag!
    1105
    Nun ist die Gartenthür bei Marthens zu:
    Denn bis um zehn läßt's Mädel sie nur offen,
    Wenn ich um zehn nicht da bin, komm ich nicht.

    ADAM

    Die liederliche Wirthschaft, die.

    WALTER

    Drauf weiter?

    RUPRECHT

    1110
    Drauf — wie ich über'n Lindengang mich näh're,
    Bei Marthens, wo die Reihen dicht gewölbt,
    Und dunkel, wie der Dom zu Utrecht, sind,
    Hör' ich die Gartenthüre fernher knarren.
    Sieh da! Da ist die Eve noch! sag' ich,
    1115
    Und schicke freudig euch, von wo die Ohren
    Mir Kundschaft brachten, meine Augen nach —
    — Und schelte sie, da sie mir wiederkommen,
    Für blind, und schicke auf der Stelle sie
    Zum zweitenmal, sich besser umzusehen,
    1120
    Und schimpfe sie nichtswürdige Verläumder,
    Aufhetzer, niederträcht'ge Ohrenbläser,
    Und schicke sie zum drittenmal, und denke,
    Sie werden, weil sie ihre Pflicht gethan,
    Unwillig los sich aus dem Kopf mir reißen,
    1125
    Und sich in einen andern Dienst begeben:
    Die Eve ist's, am Latz erkenn ich sie,
    Und Einer ist's noch obenein.

    ADAM

    So? Einer noch? Und wer, er Klugschwätzer?

    RUPRECHT

    Wer? Ja, mein Seel, da fragt ihr mich —

    ADAM

    1130
    Nun also!
    Und nicht gefangen, denk ich, nicht gehangen.

    WALTER

    Fort! Weiter in der Rede! Laßt ihn doch!
    Was unterbrecht ihr ihn, Herr Dorfrichter?

    RUPRECHT

    Ich kann das Abendmal darauf nicht nehmen,
    1135
    Stockfinster war's, und alle Katzen grau.
    Doch müßt ihr wissen, daß der Flickschuster,
    Der Lebrecht, den man kürzlich losgesprochen,
    Dem Mädel längst mir auf die Fährte ging.
    Ich sagte vor'gen Herbst schon: Eve, höre,
    1140
    Der Schuft schleicht mir um's Haus, das mag ich nicht;
    Sag' ihm, daß du kein Braten bist für ihn,
    Mein Seel', sonst werf ich ihn vom Hof herunter.
    Die spricht: Ich glaub', du schierst mich, sagt ihm was,
    Das ist nicht hin, nicht her, nicht Fisch, nicht Fleisch:
    1145
    Drauf geh ich hin und werf' den Schlingel herunter.

    ADAM

    So? Lebrecht heißt der Kerl?

    RUPRECHT

    Ja, Lebrecht.

    ADAM

    Gut.
    Das ist ein Nam'. Es wird sich Alles finden.
    1150
    — Habt ihr's bemerkt im Protokoll, Herr Schreiber?

    LICHT

    O ja, und Alles Andere, Herr Richter.

    ADAM

    Sprich weiter, Ruprecht, jetzt, mein Sohn.

    RUPRECHT

    Nun schießt,
    Da ich Glock eilf das Pärchen hier begegne,
    1155
    — Glock zehn Uhr zog ich immer ab — das Blatt mir.
    Ich denke, halt, jetzt ist's noch Zeit, o Ruprecht,
    Noch wachsen dir die Hirschgeweihe nicht: —
    Hier mußt du sorgsam dir die Stirn befühlen,
    Ob dir von fern hornartig etwas keimt.
    1160
    Und drücke sacht mich durch die Gartenpforte,
    Und berg' in einen Strauch von Taxus mich:
    Und hör euch ein Gefispre hier, ein Scherzen,
    Ein Zerren hin, Herr Richter, Zerren her,
    Mein Seel, ich denk', ich soll vor Lust —

    EVE

    1165
    Du Bös'wicht!
    Was das, o schändlich ist von dir!

    FRAU MARTHE

    Hallunke!
    Dir weis' ich noch einmal, wenn wir allein sind,
    Die Zähne! Wart! Du weißt noch nicht, wo mir
    1170
    Die Haare wachsen! Du sollst's erfahren!

    RUPRECHT

    Ein Viertelstündchen dauert's so, ich denke,
    Was wird's doch werden, ist doch heut nicht Hochzeit?
    Und eh' ich den Gedanken ausgedacht,
    Husch! sind sie beid' in's Haus schon, vor dem Pastor.

    EVE

    1175
    Geht, Mutter, mag es werden, wie es will —

    ADAM

    Schweig du mir dort, rath' ich, das Donnerwetter
    Schlägt über dich ein, unberufne Schwätzerin!
    Wart, bis ich auf zur Red' dich rufen werde.

    WALTER

    Sehr sonderbar, bei Gott!

    RUPRECHT

    1180
    Jetzt hebt, Herr Richter Adam,
    Jetzt hebt sich's, wie ein Blutsturz, mir. Luft!
    Da mir der Knopf am Brustlatz springt: Luft jetzt!
    Und reiße mir den Latz auf: Luft jetzt sag' ich!
    Und geh, und drück, und tret' und donnere,
    1185
    Da ich der Dirne Thür, verriegelt finde,
    Gestemmt, mit Macht, auf einen Tritt, sie ein.

    ADAM

    Blitzjunge, du!

    RUPRECHT

    Just da sie auf jetzt rasselt,
    Stürzt dort der Krug vom Sims ins Zimmer hin,
    1190
    Und husch! springt Einer aus dem Fenster euch:
    Ich seh die Schöße noch vom Rocke wehn.

    ADAM

    War das der Leberecht?

    RUPRECHT

    Wer sonst, Herr Richter?
    Das Mädchen steht, die werf' ich über'n Haufen,
    1195
    Zum Fenster eil' ich hin, und find' den Kerl
    Noch in den Pfählen hangen, am Spalier,
    Wo sich das Weinlaub aufrankt bis zum Dach.
    Und da die Klinke in der Hand mir blieb,
    Als ich die Thür eindonnerte, so reiß' ich
    1200
    Jetzt mit dem Stahl Eins pfundschwer über'n Detz ihm:
    Den just, Herr Richter, konnt' ich noch erreichen.

    ADAM

    Wars eine Klinke?

    RUPRECHT

    Was?

    ADAM

    Ob's —

    RUPRECHT

    1205
    Ja, die Thürklinke.

    ADAM

    Darum.

    LICHT

    Ihr glaubtet wohl, es war ein Degen?

    ADAM

    Ein Degen? Ich — wie so?

    RUPRECHT

    Ein Degen!

    LICHT

    1210
    Je nun!
    Man kann sich wohl verhören. Eine Klinke
    Hat sehr viel Ähnlichkeit mit einem Degen.

    ADAM

    Ich glaub' —!

    LICHT

    Bei meiner Treu! Der Stiel, Herr Richter?

    ADAM

    1215
    Der Stiel!

    RUPRECHT

    Der Stiel! Der wars nun aber nicht.
    Der Klinke umgekehrtes Ende war's.

    ADAM

    Das umgekehrte Ende war's der Klinke!

    LICHT

    So! So!

    RUPRECHT

    1220
    Doch auf dem Griffe lag ein Klumpen
    Blei, wie ein Degengriff, das muß ich sagen.

    ADAM

    Ja, wie ein Griff.

    LICHT

    Gut. Wie ein Degengriff.
    Doch irgend eine tücksche Waffe mußt' es
    1225
    Gewesen sein. Das wußt' ich wohl.

    WALTER

    Zur Sache stets, ihr Herrn, doch! Zur Sache!

    ADAM

    Nichts als Allotrien, Herr Schreiber! — Er, weiter!

    RUPRECHT

    Jetzt stürzt der Kerl, und ich schon will mich wenden,
    Als ich's im Dunkeln auf sich rappeln sehe.
    1230
    Ich denke, lebst du noch? und steig auf's Fenster
    Und will dem Kerl das Gehen unten legen:
    Als jetzt, ihr Herrn, da ich zum Sprung just aushol',
    Mir eine Handvoll grobgekörnten Sandes —
    — Und Kerl und Nacht und Welt und Fensterbrett,
    1235
    Worauf ich steh, denk' ich nicht, straf mich Gott,
    Das Alles fällt in einen Sack zusammen —
    Wie Hagel, stiebend, in die Augen fliegt.

    ADAM

    Verflucht! Sieh da! Wer that das?

    RUPRECHT

    Wer? Der Lebrecht.

    ADAM

    1240
    Hallunke!

    RUPRECHT

    Meiner Treu! Wenn er's gewesen.

    ADAM

    Wer sonst!

    RUPRECHT

    Als stürzte mich ein Schlossenregen
    Von eines Bergs zehn Klaftern hohen Abhang,
    1245
    So schlag' ich jetzt vom Fenster euch ins Zimmer:
    Ich denk' ich schmettere den Boden ein.
    Nun brech' ich mir den Hals doch nicht, auch nicht
    Das Kreuz mir, Hüften, oder sonst, inzwischen
    Konnt' ich des Kerls doch nicht mehr habhaft werden,
    1250
    Und sitze auf, und wische mir die Augen.
    Die kommt, und ach, Herr Gott! ruft sie, und Ruprecht!
    Was ist dir auch? Mein Seel', ich hob den Fuß,
    Gut war's, daß ich nicht sah, wohin ich stieß.

    ADAM

    Kam das vom Sande noch?

    RUPRECHT

    1255
    Vom Sandwurf, ja.

    ADAM

    Verdammt! Der traf!

    RUPRECHT

    Da ich jetzt aufersteh'
    Was sollt' ich auch die Fäuste hier mir schänden?
    So schimpf' ich sie, und sage liederliche Metze,
    1260
    Und denke, das ist gut genug für sie.
    Doch Thränen, seht, ersticken mir die Sprache.
    Denn da Frau Marthe jetzt in's Zimmer tritt,
    Die Lampe hebt, und ich das Mädchen dort
    Jetzt schlotternd, zum Erbarmen vor mir sehe,
    1265
    Sie, die so herzhaft sonst wohl um sich sah,
    So sag' ich zu mir, blind ist auch nicht übel.
    Ich hätte meine Augen hingegeben,
    Knippkügelchen, wer will, damit zu spielen.

    EVE

    Er ist nicht werth, der Bös'wicht —

    ADAM

    1270
    Sie soll schweigen.

    RUPRECHT

    Das Weitre wißt ihr.

    ADAM

    Wie, das Weitere?

    RUPRECHT

    Nun ja, Frau Marthe kam, und geiferte,
    Und Ralf, der Nachbar, kam, und Hinz, der Nachbar,
    1275
    Und Muhme Sus' und Muhme Liese kamen,
    Und Knecht und Mägd' und Hund' und Katzen kamen,
    S' war ein Spektakel, und Frau Marthe fragte
    Die Jungfer dort, wer ihr den Krug zerschlagen,
    Und die, die sprach, ihr wißt's, daß ich's gewesen.
    1280
    Mein Seel', sie hat so Unrecht nicht, ihr Herren.
    Den Krug, den sie zu Wasser trug, zerschlug ich,
    Und der Flickschuster hat im Kopf ein Loch. —

    ADAM

    Frau Marthe! Was entgegnet ihr der Rede?
    Sagt an!

    FRAU MARTHE

    1285
    Was ich der Red entgegene?
    Daß sie, Herr Richter, wie der Marder einbricht,
    Und Wahrheit wie ein gakelnd Huhn erwürgt.
    Was Recht liebt, sollte zu den Keulen greifen,
    Um dieses Ungethüm der Nacht zu tilgen.

    ADAM

    1290
    Da wird sie den Beweis uns führen müssen.

    FRAU MARTHE

    O ja, sehr gern. Hier ist mein Zeuge. — Rede!

    ADAM

    Die Tochter? Nein, Frau Marthe.

    WALTER

    Nein? Warum nicht?

    ADAM

    Als Zeuginn, gnäd'ger Herr? Steht im Gesetzbuch
    1295
    Nicht titulo, ist's quarto? oder quinto?
    Wenn Krüge oder sonst, was weiß ich?
    Von jungen Bengeln sind zerschlagen worden,
    So zeugen Töchter ihren Müttern nicht?

    WALTER

    In eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrthum
    1300
    Geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen;
    Mit jedem Schnitte gebt ihr mir von beidem.
    Die Jungfer zeugt noch nicht, sie deklarirt jetzt;
    Ob, und für wen, sie zeugen will und kann,
    Wird erst aus der Erklärung sich ergeben.

    ADAM

    1305
    Ja, deklariren. Gut. Titulo sexto.
    Doch was sie sagt, das glaubt man nicht.

    WALTER

    Tritt vor, mein junges Kind.

    ADAM

    He! Lis' —! — Erlaubt!
    Die Zunge wird sehr trocken mir — Margrethe!

    ACHTER AUFTRITT

    Eine MAGD tritt auf. Die VORIGEN.

    ADAM

    1310
    Ein Glas mit Wasser! —

    DIE MAGD

    Gleich!

    ADAM

    Kann ich euch gleichfalls —?

    WALTER

    Ich danke.

    ADAM

    Franz? oder Mos'ler? Was ihr wollt.

    WALTER

    verneigt sich; die Magd bringt Wasser und entfernt sich.

    NEUNTER AUFTRITT

    WALTER, ADAM, FRAU MARTHE u. s. w. ohne die MAGD.

    ADAM

    1315
    — Wenn ich freimüthig reden darf, Ihr Gnaden,
    Die Sache eignet gut sich zum Vergleich.

    WALTER

    Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter.
    Vernünft'ge Leute können sich vergleichen;
    Doch wie ihr den Vergleich schon wollt bewirken,
    1320
    Da noch durchaus die Sache nicht entworren,
    Das hätt' ich wohl von euch zu hören Lust.
    Wie denkt ihr's anzustellen, sagt mir an?
    Habt ihr ein Urtheil schon gefaßt?

    ADAM

    Mein Seel!
    1325
    Wenn ich, da das Gesetz im Stich mich läßt,
    Philosophie zu Hülfe nehmen soll,
    So war's — der Leberecht —

    WALTER

    Wer?

    ADAM

    Oder Ruprecht —

    WALTER

    1330
    Wer?

    ADAM

    Oder Lebrecht, der den Krug zerschlug.

    WALTER

    Wer also war's? Der Lebrecht oder Ruprecht?
    Ihr greift, ich seh, mit eurem Urtheil ein,
    Wie eine Hand in einen Sack voll Erbsen.

    ADAM

    1335
    Erlaubt!

    WALTER

    Schweigt, schweigt, ich bitt' euch.

    ADAM

    Wie ihr wollt.
    Auf meine Ehr, mir wär's vollkommen recht,
    Wenn sie es alle beid' gewesen wären.

    WALTER

    1340
    Fragt dort, so werdet ihr's erfahren.

    ADAM

    Sehr gern.
    Doch wenn ihr's heraus bekommt, bin ich ein Schuft.
    — Habt ihr das Protokoll da in Bereitschaft?

    LICHT

    Vollkommen.

    ADAM

    1345
    Gut.

    LICHT

    Und brech' ein eignes Blatt mir,
    Begierig, was darauf zu stehen kommt.

    ADAM

    Ein eignes Blatt? Auch gut.

    WALTER

    Sprich dort, mein Kind.

    ADAM

    1350
    Sprich, Evchen, hörst du, sprich jetzt, Jungfer Evchen!
    Gieb Gotte, hörst du, Herzchen, gieb, mein Seel,
    Ihm und der Welt, gieb ihm was von der Wahrheit.
    Denk, daß du hier vor Gottes Richtstuhl bist,
    Und daß du deinen Richter nicht mit Läugnen,
    1355
    Und Plappern, was zur Sache nicht gehört,
    Betrüben mußt. Ach, was! Du bist vernünftig.
    Ein Richter immer, weißt du, ist ein Richter,
    Und Einer braucht ihn heut, und Einer morgen.
    Sagst du, daß es der Lebrecht war: nun gut;
    1360
    Und sagst du, daß es Ruprecht war: auch gut!
    Sprich so, sprich so, ich bin kein ehrlicher Kerl,
    Es wird sich Alles, wie du's wünschest finden.
    Willst du mir hier von einem andern trätschen,
    Und dritten etwa, dumme Namen nennen:
    1365
    Sieh, Kind, nimm dich in Acht, ich sag' nichts weiter.
    In Huisum, hol's der Henker, glaubt dir's keiner,
    Und Keiner, Evchen, in den Niederlanden,
    Du weißt, die weißen Wände zeugen nicht,
    Der auch wird zu vertheidigen sich wissen:
    1370
    Und deinen Ruprecht holt die Schwerenoth!

    WALTER

    Wenn ihr doch eure Reden lassen wolltet.
    Geschwätz, gehauen nicht und nicht gestochen.

    ADAM

    Verstehen's Ew. Gnaden nicht?

    WALTER

    Macht fort!
    1375
    Ihr habt zulängst hier auf dem Stuhl gesprochen.

    ADAM

    Auf Ehr! Ich habe nicht studirt, Ew. Gnaden.
    Bin ich euch Herrn aus Utrecht nicht verständlich,
    Mit diesem Volk vielleicht verhält sich's anders:
    Die Jungfer weiß, ich wette, was ich will.

    FRAU MARTHE

    1380
    Was soll das? Dreist heraus jetzt mit der Sprache!

    EVE

    O liebste Mutter!

    FRAU MARTHE

    Du —! Ich rathe dir!

    RUPRECHT

    Mein Seel, 's ist schwer, Frau Marthe, dreist zu sprechen,
    Wenn das Gewissen an der Kehl' uns sitzt.

    ADAM

    1385
    Schweig' er jetzt, Nas'weis, mucks' er nicht.

    FRAU MARTHE

    Wer war's?

    EVE

    O Jesus!

    FRAU MARTHE

    Maulaffe, der! Der niederträchtige!
    O Jesus! Als ob sie eine Hure wäre.
    1390
    War's der Herr Jesus?

    ADAM

    Frau Marthe! Unvernunft!
    Was das für —! Laß sie die Jungfer doch gewähren!
    Das Kind einschrecken — Hure — Schaafsgesicht!
    So wird's uns nichts. Sie wird sich schon besinnen.

    RUPRECHT

    1395
    O ja, besinnen.

    ADAM

    Flaps dort, schweig er jetzt.

    RUPRECHT

    Der Flickschuster wird ihr schon einfallen.

    ADAM

    Der Satan! Ruft den Büttel! He! Hanfriede!

    RUPRECHT

    Nun, nun! Ich schweig', Herr Richter, laßt's nur sein.
    1400
    Sie wird euch schon auf meinen Nahmen kommen.

    FRAU MARTHE

    Hör du, mach mir hier kein Spektakel, sag' ich.
    Hör, neun und vierzig bin ich alt geworden
    In Ehren: funfzig möcht' ich gern erleben.
    Den dritten Februar ist mein Geburtstag;
    1405
    Heut ist der erste. Mach es kurz. Wer war's?

    ADAM

    Gut, meinethalben! Gut, Frau Marthe Rull!

    FRAU MARTHE

    Der Vater sprach, als er verschied: Hör', Marthe,
    Dem Mädel schaff mir einen wackern Mann;
    Und wird sie eine liederliche Metze,
    1410
    So gieb dem Todtengräber einen Groschen,
    Und laß mich wieder auf den Rücken legen:
    Mein Seel, ich glaub ich kehr' im Grab mich um.

    ADAM

    Nun, das ist auch nicht übel.

    FRAU MARTHE

    Willst du Vater
    1415
    Und Mutter jetzt, mein Evchen, nach dem vierten
    Gebot hoch ehren, gut, so sprich: in meine Kammer
    Ließ ich den Schuster, oder einen dritten,
    Hörst du? Der Bräut'gam aber war es nicht.

    RUPRECHT

    Sie jammert mich. Laßt doch den Krug, ich bitt' euch;
    1420
    Ich will'n nach Utrecht tragen. Solch' ein Krug —
    Ich wollt' ich hätt' ihn nur entzwei geschlagen.

    EVE

    Unedelmüth'ger, du! Pfui, schäme dich,
    Daß du nicht sagst, gut, ich zerschlug den Krug!
    Pfui, Ruprecht, pfui, o schäme dich, daß du
    1425
    Mir nicht in meiner That vertrauen kannst.
    Gab' ich die Hand dir nicht, und sagte, ja,
    Als du mich fragtest, Eve, willst du mich?
    Meinst du, daß du den Flickschuster nicht werth bist?
    Und hättest du durch's Schlüsselloch mich mit
    1430
    Dem Lebrecht aus dem Kruge trinken sehen,
    Du hättest denken sollen: Ev' ist brav,
    Es wird sich alles ihr zum Ruhme lösen,
    Und ist's im Leben nicht, so ist es jenseits,
    Und wenn wir auferstehn ist auch ein Tag.

    RUPRECHT

    1435
    Mein Seel, das dauert mir zu lange, Evchen.
    Was ich mit Händen greife, glaub' ich gern.

    EVE

    Gesetzt, es wär der Leberecht gewesen,
    Warum — des Todes will ich ewig sterben,
    Hätt' ich's dir Einzigem nicht gleich vertraut;
    1440
    Jedoch warum vor Nachbarn, Knecht und Mägden —
    Gesetzt, ich hätte Grund, es zu verbergen,
    Warum, o Ruprecht, sprich, warum nicht sollt' ich,
    Auf dein Vertraun hin sagen, daß du's warst?
    Warum nicht sollt' ich's? Warum sollt' ich's nicht?

    RUPRECHT

    1445
    Ei, so zum Henker, sag's, es ist mir Recht,
    Wenn du die Fiedel dir ersparen kannst.

    EVE

    O du Abscheulicher! Du Undankbarer!
    Werth, daß ich mir die Fiedel spare! Werth,
    Daß ich mit einem Wort zu Ehren mich,
    1450
    Und dich in ewiges Verderben bringe.

    WALTER

    Nun —? Und dies einz'ge Wort —? Halt uns nicht auf.
    Der Ruprecht also war es nicht?

    EVE

    Nein gnäd'ger Herr, weil ers denn selbst so will,
    Um seinetwillen nur verschwieg ich es:
    1455
    Den irdnen Krug zerschlug der Ruprecht nicht,
    Wenn er's euch selber läugnet, könnt ihr's glauben.

    FRAU MARTHE

    Eve! Der Ruprecht nicht?

    EVE

    Nein, Mutter, nein!
    Und wenn ich's gestern sagte, war's gelogen.

    FRAU MARTHE

    1460
    Hör, dir zerschlag' ich alle Knochen!
    Sie setzt den Krug nieder.

    EVE

    Thut, was ihr wollt.

    WALTER

    drohend.
    Frau Marthe!

    ADAM

    FRAU MARTHE

    War es der Lebrecht etwa? War's der Lebrecht?

    ADAM

    Sprich, Evchen, war's der Lebrecht nicht, mein Herzchen?

    EVE

    1465
    Er Unverschämter, er! Er Niederträcht'ger!
    Wie kann er sagen, daß es Lebrecht —

    WALTER

    Jungfer!
    Was untersteht sie sich? Ist das mir der
    Respekt, den sie dem Richter schuldig ist?

    EVE

    1470
    Ei, was! Der Richter dort! Werth, selbst vor dem
    Gericht, ein armer Sünder, dazustehn —
    — Er, der wohl besser weiß, wer es gewesen!
    sich zum Dorfrichter wendend:
    Hat er den Lebrecht in die Stadt nicht gestern
    1475
    Geschickt nach Utrecht, vor die Commission,
    Mit dem Attest, der die Rekruten aushebt?
    Wie kann er sagen, daß es Lebrecht war,
    Wenn er wohl weiß, daß der in Utrecht ist?

    ADAM

    Nun wer denn sonst? Wenn's Lebrecht nicht, zum Henker —
    1480
    Nicht Ruprecht ist, nicht Lebrecht ist — — Was machst du?

    RUPRECHT

    Mein Seel', Herr Richter Adam, laßt euch sagen,
    Hierin mag doch die Jungfer just nicht lügen,
    Dem Lebrecht bin ich selbst begegnet gestern,
    Als er nach Utrecht ging, früh war's Glock acht,
    1485
    Und wenn er auf ein Fuhrwerk sich nicht lud,
    Hat sich der Kerl, krummbeinig wie er ist,
    Glock zehn Uhr Nachts noch nicht zurück gehaspelt.
    Es kann ein dritter wohl gewesen sein.

    ADAM

    Ach, was! Krummbeinig! Schaafsgesicht! Der Kerl
    1490
    Geht seinen Stiefel, der, trotz Einem.
    Ich will von ungespaltnem Leibe sein,
    Wenn nicht ein Schäferhund von mäß'ger Größe
    Muß seinen Trab gehn, mit ihm fortzukommen.

    WALTER

    Erzähl' den Hergang uns.

    ADAM

    1495
    Verzeih'n Ew. Gnaden!
    Hierauf wird euch die Jungfer schwerlich dienen.

    WALTER

    Nicht dienen? Mir nicht dienen? Und warum nicht?

    ADAM

    Ein twatsches Kind. Ihr seht's. Gut, aber twatsch.
    Blutjung, gefirmelt kaum; das schämt sich noch,
    1500
    Wenn's einen Bart von weitem sieht. So'n Volk,
    Im Finstern leiden sie's, und wenn es Tag wird,
    So läugnen sie's vor ihrem Richter ab.

    WALTER

    Ihr seid sehr nachsichtsvoll, Herr Richter Adam,
    Sehr mild, in allem, was die Jungfer angeht.

    ADAM

    1505
    Die Wahrheit euch zu sagen, Herr Gerichtsrath,
    Ihr Vater war ein guter Freund von mir.
    Wollen Ew. Gnaden heute huldreich sein,
    So thun wir hier nicht mehr, als unsre Pflicht,
    Und lassen seine Tochter gehn.

    WALTER

    1510
    Ich spüre große Lust in mir, Herr Richter,
    Der Sache völlig auf den Grund zu kommen. —
    Sei dreist, mein Kind; sag, wer den Krug zerschlagen.
    Vor niemand stehst du, in dem Augenblick,
    Der einen Fehltritt nicht verzeihen könnte.

    EVE

    1515
    Mein lieber, würdiger und gnäd'ger Herr,
    Erlaßt mir, euch den Hergang zu erzählen.
    Von dieser Weig'rung denkt uneben nicht.
    Es ist des Himmels wunderbare Fügung,
    Die mir den Mund in dieser Sache schließt.
    1520
    Daß Ruprecht jenen Krug nicht traf, will ich
    Mit einem Eid, wenn ihr's verlangt,
    Auf heiligem Altar bekräftigen.
    Jedoch die gestrige Begebenheit,
    Mit jedem andern Zuge, ist mein eigen,
    1525
    Und nicht das ganze Garnstück kann die Mutter,
    Um eines einz'gen Fadens willen, fordern,
    Der, ihr gehörig, durch's Gewebe läuft.
    Ich kann hier, wer den Krug zerschlug, nicht melden,
    Geheimnisse, die nicht mein Eigenthum,
    1530
    Müßt' ich, dem Kruge völlig fremd, berühren.
    Früh oder spät, will ich's ihr anvertrauen,
    Doch hier das Tribunal ist nicht der Ort,
    Wo sie das Recht hat, mich darnach zu fragen.

    ADAM

    Nein, Rechtens nicht. Auf meine Ehre nicht.
    1535
    Die Jungfer weiß, wo unsre Zäume hängen.
    Wenn sie den Eid hier vor Gericht will schwören,
    So fällt der Mutter Klage weg:
    Dagegen ist nichts weiter einzuwenden.

    WALTER

    Was sagt zu der Erklärung sie, Frau Marthe?

    FRAU MARTHE

    1540
    Wenn ich gleich was Erkleckliches nicht aufbring',
    Gestrenger Herr, so glaubt, ich bitt' euch sehr,
    Daß mir der Schlag bloß jetzt die Zunge lähmte.
    Beispiele giebts, daß ein verlohrner Mensch,
    Um vor der Welt zu Ehren sich zu bringen,
    1545
    Den Meineid vor dem Richtstuhle wagt; doch daß
    Ein falscher Eid sich schwören kann, auf heil'gem
    Altar, um an den Pranger hinzukommen,
    Das heut erfährt die Welt zum erstenmal.
    Wär', daß ein Andrer, als der Ruprecht sich
    1550
    In ihre Kammer gestern schlich, gegründet,
    Wär's überall nur möglich, gnäd'ger Herr,
    Versteht mich wohl, — so säumt ich hier nicht länger.
    Den Stuhl setzt' ich, zur ersten Einrichtung,
    Ihr vor die Thür', und sagte, geh, mein Kind,
    1555
    Die Welt ist weit, da zahlst du keine Miethe,
    Und lange Haare hast du auch geerbt,
    Woran du dich, kommt Zeit, kommt Rath, kannst hängen.

    WALTER

    Ruhig, ruhig, Frau Marthe.

    FRAU MARTHE

    Da ich jedoch
    1560
    Hier den Beweis noch anders führen kann,
    Als bloß durch sie, die diesen Dienst mir weigert,
    Und überzeugt bin völlig, daß nur er
    Mir, und kein Anderer den Krug zerschlug,
    So bringt die Lust, es kurz hin abzuschwören,
    1565
    Mich noch auf einen schändlichen Verdacht.
    Die Nacht von gestern birgt ein anderes
    Verbrechen noch, als bloß die Krugverwüstung.
    Ich muß euch sagen, gnäd'ger Herr, daß Ruprecht
    Zur Conscription gehört, in wenig Tagen
    1570
    Soll er den Eid zur Fahn' in Utrecht schwören.
    Die jungen Landessöhne reißen aus.
    Gesetzt, er hätte gestern Nacht gesagt:
    Was meinst du, Evchen? Komm. Die Welt ist groß.
    Zu Kist' und Kasten hast du ja die Schlüssel —
    1575
    Und sie, sie hätt' ein wenig sich gesperrt:
    So hätte ohngefähr, da ich sie störte,
    — Bei ihm aus Rach', aus Liebe noch bei ihr —
    Der Rest, so wie geschehn, erfolgen können.

    RUPRECHT

    Das Rabenaas! Was das für Reden sind!
    1580
    Zu Kist' und Kasten —

    WALTER

    Still!

    EVE

    Er, austreten!

    WALTER

    Zur Sache hier. Vom Krug ist hier die Rede. —
    Beweis, Beweis, daß Ruprecht ihn zerbrach!

    FRAU MARTHE

    1585
    Gut, gnäd'ger Herr. Erst will ich hier beweisen,
    Daß Ruprecht mir den Krug zerschlug,
    Und dann will ich im Hause untersuchen. —
    Seht eine Zunge, die mir Zeugniß redet,
    Bring' ich für jedes Wort auf, das er sagte,
    1590
    Und hätt' in Reihen gleich sie aufgeführt,
    Wenn ich von fern geahndet nur, daß diese
    Die ihrige für mich nicht brauchen würde.
    Doch wenn ihr Frau Brigitte jetzo ruft,
    Die ihm die Muhm' ist, so genügt mir die,
    1595
    Weil die den Hauptpunkt just bestreiten wird.
    Denn die, die hat Glock halb auf eilf im Garten,
    Merkt wohl, bevor der Krug zertrümmert worden,
    Wortwechselnd mit der Ev' ihn schon getroffen;
    Und wie die Fabel, die er aufgestellt,
    1600
    Vom Kopf zu Fuß dadurch gespalten wird,
    Durch diese einz'ge Zung', ihr hohen Richter,
    Das überlaß' ich selbst euch einzusehn.

    RUPRECHT

    Wer hat mich —?

    VEIT

    Schwester Briggy?

    RUPRECHT

    1605
    Mich mit Ev'? Im Garten?

    FRAU MARTHE

    Ihn mit der Ev', im Garten, Glock halb eilf,
    Bevor er noch, wie er geschwätzt, um eilf
    Das Zimmer überrumpelnd eingesprengt:
    Im Wortgewechsel, kosend bald, bald zerrend,
    1610
    Als wollt' er sie zu etwas überreden.

    ADAM

    für sich.
    Verflucht! Der Teufel ist mir gut.

    WALTER

    Schafft diese Frau herbei.

    RUPRECHT

    Ihr Herrn, ich bitt' euch:
    Das ist kein wahres Wort, das ist nicht möglich.

    ADAM

    1615
    O wart, Hallunke! — He! Der Büttel! Hanfried! —
    Denn auf der Flucht zerschlagen sich die Krüge —
    — Herr Schreiber, geht, schafft Frau Brigitt' herbei!

    VEIT

    Hör, du verfluchter Schlingel, du, was machst du?
    Dir brech ich alle Knochen noch.

    RUPRECHT

    1620
    Weshalb auch?

    VEIT

    Warum verschwiegst du, daß du mit der Dirne
    Glock halb eilf im Garten schon scharwenzt?
    Warum verschwiegst du's?

    RUPRECHT

    Warum ich's verschwieg?
    1625
    Gott's Schlag und Donner, weil's nicht wahr ist, Vater!
    Wenn das die Muhme Briggy zeugt, so hängt mich.
    Und bei den Beinen sie meinthalb dazu.

    VEIT

    Wenn aber sie's bezeugt — nimm dich in Acht!
    Du und die saub're Jungfer Eve dort,
    1630
    Wie ihr auch vor Gericht euch stellt, ihr steckt
    Doch unter einer Decke noch. S' ist irgend
    Ein schändliches Geheimniß noch, von dem
    Sie weiß, und nur aus Schonung hier nichts sagt.

    RUPRECHT

    Geheimniß? Welches?

    VEIT

    1635
    Warum hast du eingepackt?
    He? Warum hast du gestern Abend eingepackt?

    RUPRECHT

    Die Sachen?

    VEIT

    Röcke, Hosen, ja, und Wäsche;
    Ein Bündel, wie's ein Reisender just auf
    1640
    Die Schultern wirft?

    RUPRECHT

    Weil ich nach Utrecht soll!
    Weil ich zum Regiment soll! Himmel-Donner —!
    Glaubt er, daß ich —?

    VEIT

    Nach Utrecht? Ja, nach Utrecht!
    1645
    Du hast geeilt, nach Utrecht hinzukommen!
    Vorgestern wußtest du noch nicht, ob du
    Den fünften oder sechsten Tag wirst reisen.

    WALTER

    Weiß er zur Sache was zu melden, Vater?

    VEIT

    — Gestrenger Herr, ich will noch nichts behaupten.
    1650
    Ich war daheim, als sich der Krug zerschlug,
    Und auch von einer andern Unternehmung
    Hab' ich, die Wahrheit zu gestehn, noch nichts,
    Wenn ich jedweden Umstand wohl erwäge,
    Das meinen Sohn verdächtig macht, bemerkt.
    1655
    Von seiner Unschuld völlig überzeugt,
    Kam ich hieher, nach abgemachtem Streit
    Sein ehelich Verlöbniß aufzulösen,
    Und ihm das Silberkettlein einzufordern,
    Zusamt dem Schaupfennig, den er der Jungfer
    1660
    Bei dem Verlöbniß vor'gen Herbst verehrt.
    Wenn jetzt von Flucht was, und Verrätherei
    An meinem grauen Haar zu Tage kommt,
    So ist mir das so neu, ihr Herrn, als euch:
    Doch dann der Teufel soll den Hals ihm brechen.

    WALTER

    1665
    Schafft Frau Brigitt' herbei, Herr Richter Adam.

    ADAM

    — Wird Ew. Gnaden diese Sache nicht
    Ermüden? Sie zieht sich in die Länge.
    Ew. Gnaden haben meine Kassen noch,
    Und die Registratur — Was ist die Glocke?

    LICHT

    1670
    Es schlug so eben halb.

    ADAM

    Auf eilf?

    LICHT

    Verzeiht, auf zwölfe.

    WALTER

    Gleichviel.

    ADAM

    Ich glaub', die Zeit ist, oder ihr verrückt.
    1675
    er sieht nach der Uhr.
    Ich bin kein ehrlicher Mann. — Ja, was befehlt ihr?

    WALTER

    Ich bin der Meinung —

    ADAM

    Abzuschließen? Gut —!

    WALTER

    Erlaubt! Ich bin der Meinung, fortzufahren.

    ADAM

    1680
    Ihr seid der Meinung — Auch gut. Sonst würd' ich
    Auf Ehre, morgen früh, Glock neun, die Sache,
    Zu euerer Zufriedenheit beend'igen.

    WALTER

    Ihr wißt um meinen Willen.

    ADAM

    Wie ihr befehlt.
    1685
    Herr Schreiber, schickt die Büttel ab; sie sollen
    Sogleich ins Amt die Frau Brigitte laden.

    WALTER

    Und nehmt euch — Zeit, die mir viel werth, zu sparen —
    Gefälligst selbst der Sach' ein wenig an.
    Licht ab.

    ZEHNTER AUFTRITT

    Die VORIGEN ohne LICHT. Späterhin Einige MÄGDE.

    ADAM

    aufstehend.
    Inzwischen könnte man, wenn's so gefällig,
    1690
    Vom Sitze sich ein wenig lüften —?

    WALTER

    Hm! O ja.
    Was ich sagen wollt' —

    ADAM

    Erlaubt ihr gleichfalls,
    Daß die Parthei'n, bis Frau Brigitt' erscheint —?

    WALTER

    1695
    Was? Die Parthei'n?

    ADAM

    Ja, vor die Thür, wenn ihr —

    WALTER

    für sich.
    Verwünscht!
    laut.
    Herr Richter Adam, wißt ihr was?
    1700
    Gebt ein Glas Wein mir in der Zwischenzeit.

    ADAM

    Von ganzem Herzen gern. He! Margarethe!
    Ihr macht mich glücklich, gnäd'ger Herr. — Margrethe!
    Die Magd tritt auf.

    DIE MAGD

    Hier.

    ADAM

    Was befehlt ihr! — Tretet ab, ihr Leute.
    1705
    Franz? — Auf den Vorsaal draußen. — Oder Rhein?

    WALTER

    Von unserm Rhein.

    ADAM

    Gut. — Bis ich rufe. Marsch!

    WALTER

    Wohin?

    ADAM

    Geh, vom Versiegelten, Margrethe! —
    1710
    Was? Auf den Flur bloß draußen. — Hier. — Der Schlüssel.

    WALTER

    Hm! Bleibt.

    ADAM

    Fort! Marsch, sag ich! — Geh, Margarethe!
    Und Butter, frisch gestampft, Käs' auch aus Limburg,
    Und von der fetten pommerschen Räuchergans.

    WALTER

    1715
    Halt! Einen Augenblick! Macht nicht so viel
    Umständ', ich bitt euch sehr, Herr Richter.

    ADAM

    Schert
    Zum Teufel euch, sag' ich! Thu, wie ich sagte.

    WALTER

    Schickt ihr die Leute fort, Herr Richter?

    ADAM

    1720
    Ew. Gnaden?

    WALTER

    Ob ihr —?

    ADAM

    Sie treten ab, wenn ihr erlaubt.
    Bloß ab, bis Frau Brigitt' erscheint.
    Wie, oder soll's nicht etwa —?

    WALTER

    1725
    Hm! Wie ihr wollt.
    Doch ob's der Mühe sich verlohnen wird?
    Meint ihr, daß es so lange Zeit wird währen,
    Bis man im Ort sie trifft?

    ADAM

    S' ist heute Holztag,
    1730
    Gestrenger Herr. Die Weiber größtentheils
    Sind in den Fichten, Sträucher einzusammeln.
    Es könnte leicht —

    RUPRECHT

    Die Muhme ist zu Hause.

    WALTER

    Zu Haus'. Laßt sein.

    RUPRECHT

    1735
    Die wird sogleich erscheinen.

    WALTER

    Die wird uns gleich erscheinen. Schafft den Wein.

    ADAM

    für sich.
    Verflucht!

    WALTER

    Macht fort. Doch nichts zum Imbiß, bitt ich,
    Als ein Stück trocknen Brodes nur, und Salz.

    ADAM

    für sich.
    1740
    Zwei Augenblicke mit der Dirn' allein —
    laut..
    Ach, trocknes Brod! Was! Salz! Geht doch.

    WALTER

    Gewiß.

    ADAM

    Ei, ein Stück Käs' aus Limburg — mindstens Käse —
    1745
    Macht erst geschickt die Zunge, Wein, zu schmekken.

    WALTER

    Gut. Ein Stück Käse denn, doch weiter nichts.

    ADAM

    So geh. Und weiß, von Damast, aufgedeckt.
    Schlecht alles zwar, doch recht.
    Die Magd ab.
    1750
    Das ist der Vortheil
    Von uns verrufnen hagestolzen Leuten,
    Daß wir, was Andre knapp und kummervoll,
    Mit Weib und Kindern täglich theilen müssen,
    Mit einem Freunde zur gelegnen Stunde,
    1755
    Vollauf genießen.

    WALTER

    Was ich sagen wollte —
    Wie kamt ihr doch zu eurer Wund', Herr Richter?
    Das ist ein böses Loch, fürwahr, im Kopf, das!

    ADAM

    — Ich fiel.

    WALTER

    1760
    Ihr fielt. Hm! So. Wann? Gestern Abend?

    ADAM

    Heut, Glock halb sechs, verzeiht, am Morgen, früh,
    Da ich so eben aus dem Bette stieg.

    WALTER

    Worüber?

    ADAM

    Über — gnäd'ger Herr Gerichtsrath,
    1765
    Die Wahrheit euch zu sagen, über mich.
    Ich schlug euch häuptlings an den Ofen nieder,
    Bis diese Stunde weiß ich nicht, warum?

    WALTER

    Von hinten?

    ADAM

    Wie? Von hinten —

    WALTER

    1770
    Oder vorn?
    Ihr habt zwo Wunden, vorne ein' und hinten.

    ADAM

    Von vorn und hinten. Margarethe!
    DIE BEIDEN MÄGDE mit Wein u. s. w. Sie decken auf, und gehen wieder ab.

    WALTER

    Wie?

    ADAM

    Erst so, dann so. Erst auf die Ofenkante,
    1775
    Die vorn die Stirn mir einstieß, und sodann
    Vom Ofen rückwärts auf den Boden wieder,
    Wo ich mir noch den Hinterkopf zerschlug.
    Er schenkt ein.
    Ist's Euch gefällig?

    WALTER

    nimmt das Glas.
    1780
    Hättet ihr ein Weib,
    So würd' ich wunderliche Dinge glauben,
    Herr Richter.

    ADAM

    Wie so?

    WALTER

    Ja, bei meiner Treu,
    1785
    So rings seh' ich zerkritzt euch und zerkratzt.

    ADAM

    lacht.
    Nein, Gott sei Dank! Fraunnägel sind es nicht.

    WALTER

    Glaub's. Auch ein Vortheil noch der Hagestolzen.

    ADAM

    fortlachend.
    Strauchwerk, für Seidenwürmer, das man trocknend
    Mir an dem Ofenwinkel aufgesetzt. —
    1790
    Auf euer Wohlergehn!
    Sie trinken.

    WALTER

    Und grad' auch heut
    Noch die Perücke seltsam einzubüßen!
    Die hätt' euch eure Wunden noch bedeckt.

    ADAM

    Ja, ja. Jedwedes Übel ist ein Zwilling. —
    1795
    Hier — von dem fetten jetzt — kann ich —?

    WALTER

    Ein Stückchen.
    Aus Limburg?

    ADAM

    Rect' aus Limburg, gnäd'ger Herr.

    WALTER

    — Wie Teufel aber, sagt mir, ging das zu?

    ADAM

    1800
    Was?

    WALTER

    Daß ihr die Perücke eingebüßt.

    ADAM

    Ja, seht. Ich sitz' und lese gestern Abend
    Ein Actenstück, und weil ich mir die Brille
    Verlegt, duck' ich so tief mich in den Streit,
    1805
    Daß bei der Kerze Flamme lichterloh
    Mir die Perücke angeht. Ich, ich denke,
    Feu'r fällt vom Himmel auf mein sündig Haupt,
    Und greife sie, und will sie von mir werfen;
    Doch eh ich noch das Nackenband gelößt,
    1810
    Brennt sie wie Sodom und Gomorrha schon.
    Kaum daß ich die drei Haare noch mir rette.

    WALTER

    Verwünscht! Und eure andre ist in der Stadt.

    ADAM

    Bei dem Perückenmacher. — Doch zur Sache.

    WALTER

    Nicht allzurasch, ich bitt', Herr Richter Adam.

    ADAM

    1815
    Ei, was! Die Stunde rollt. Ein Gläschen hier.
    er schenkt ein.

    WALTER

    Der Lebrecht — wenn der Kauz dort wahr gesprochen —
    Er auch hat einen bösen Fall gethan.

    ADAM

    Auf meine Ehr'
    er trinkt.

    WALTER

    Wenn hier die Sache,
    1820
    Wie ich fast fürchte, unentworren bleibt,
    So werdet ihr, in eurem Ort, den Thäter
    Leicht noch aus seiner Wund' entdecken können.
    er trinkt.
    Niersteiner?

    ADAM

    1825
    Was?

    WALTER

    Oder guter Oppenheimer?

    ADAM

    Nierstein. Sieh da! Auf Ehre! Ihr versteht's.
    Aus Nierstein, gnäd'ger Herr, als hätt' ich ihn geholt.

    WALTER

    Ich prüft' ihn, vor drei Jahren, an der Kelter.

    ADAM

    schenkt wieder ein.

    WALTER

    1830
    — Wie hoch ist euer Fenster — dort! Frau Marthe.

    FRAU MARTHE

    Mein Fenster?

    WALTER

    Das Fenster jener Kammer ja,
    Worin die Jungfer schläft?

    FRAU MARTHE

    Die Kammer zwar
    1835
    Ist nur vom ersten Stock, ein Keller drunter,
    Mehr als neun Fuß das Fenster nicht vom Boden;
    Jedoch die ganze, wohlerwogene
    Gelegenheit sehr ungeschickt zum Springen.
    Denn auf zwei Fuß steht von der Wand ein Weinstock,
    1840
    Der seine knot'gen Äste rankend hin
    Durch ein Spalier treibt, längs der ganzen Wand:
    Das Fenster selbst ist noch davon umstrickt.
    Es würd' ein Eber, ein gewaffneter,
    Müh mit den Fängern haben, durchzubrechen.

    ADAM

    1845
    Es hing auch keiner drin.
    er schenkt sich ein.

    WALTER

    Meint ihr?

    ADAM

    Ach, geht!
    er trinkt.

    WALTER

    zu Ruprecht.
    Wie traf er denn den Sünder? Auf den Kopf?

    ADAM

    Hier.

    WALTER

    1850
    Laßt.

    ADAM

    Gebt her.

    WALTER

    S' ist halb noch voll.

    ADAM

    Wills füllen.

    WALTER

    Ihr hört's.

    ADAM

    1855
    Ei, für die gute Zahl.

    WALTER

    Ich bitt' euch.

    ADAM

    Ach, was! Nach der Pythagoräer-Regel.
    er schenkt ihm ein.

    WALTER

    wieder zu Ruprecht.
    Wie oft traf er dem Sünder denn den Kopf?

    ADAM

    Eins ist der Herr; Zwei ist das finstre Chaos;
    1860
    Drei ist die Welt. Drei Gläser lob' ich mir.
    Im dritten trinkt man mit den Tropfen Sonnen,
    Und Firmamente mit den übrigen.

    WALTER

    Wie oftmals auf den Kopf traf er den Sünder?
    Er, Ruprecht, ihn dort frag' ich!

    ADAM

    1865
    Wird man's hören?
    Wie oft trafst du den Sündenbock? Na, heraus!
    Gott's Blitz, seht, weiß der Kerl wohl selbst, ob er —
    Vergaßt du's?

    RUPRECHT

    Mit der Klinke?

    ADAM

    1870
    Ja, was weiß ich.

    WALTER

    Vom Fenster, als er nach ihm herunter hieb?

    RUPRECHT

    Zweimal, ihr Herrn.

    ADAM

    Hallunke! das behielt er!
    er trinkt.

    WALTER

    Zweimal! Er konnt' ihn mit zwei solchen Hieben
    1875
    Erschlagen, weiß er —?

    RUPRECHT

    Hätt' ich ihn erschlagen,
    So hätt' ich ihn. Es wär mir grade recht.
    Läg' er hier vor mir, todt, so könnt' ich sagen,
    Der war's, ihr Herrn, ich hab euch nicht belogen.

    ADAM

    1880
    Ja, todt! Das glaub' ich. Aber so —
    er schenkt ein.

    WALTER

    Konnt' er ihn denn im dunkeln nicht erkennen?

    RUPRECHT

    Nicht einen Stich, gestrenger Herr. Wie sollt ich?

    ADAM

    Warum sperrt'st du nicht die Augen auf? — Stoßt an!

    RUPRECHT

    Die Augen auf! Ich hatt' sie aufgesperrt.
    1885
    Der Satan warf sie mir voll Sand.

    ADAM

    in den Bart.
    Voll Sand, ja!
    Warum sperrt'st du deine großen Augen auf.
    — Hier. Was wir lieben, gnäd'ger Herr! Stoßt an!

    WALTER

    — Was recht und gut und treu ist, Richter Adam!
    sie trinken.

    ADAM

    1890
    Nun denn, zum Schluß jetzt, wenns gefällig ist.
    er schenkt ein.

    WALTER

    Ihr seid zuweilen bei Frau Marthe wohl,
    Herr Richter Adam. Sagt mir doch,
    Wer, außer Ruprecht, geht dort aus und ein.

    ADAM

    Nicht allzuoft, gestrenger Herr, verzeiht.
    1895
    Wer aus und eingeht, kann ich euch nicht sagen.

    WALTER

    Wie? Solltet ihr die Wittwe nicht zuweilen
    Von eurem seel'gen Freund besuchen?

    ADAM

    Nein, in der That, sehr selten nur.

    WALTER

    Frau Marthe!
    1900
    Habt ihr's mit Richter Adam hier verdorben?
    Er sagt, er spräche nicht mehr bei euch ein?

    FRAU MARTHE

    Hm! Gnäd'ger Herr, verdorben? Das just nicht.
    Ich denk er nennt mein guter Freund sich noch.
    Doch daß ich oft in meinem Haus' ihn sähe,
    1905
    Das vom Herrn Vetter kann ich just nicht rühmen.
    Neun Wochen sind's, daß er's zuletzt betrat,
    Und auch nur da noch im Vorübergehn.

    WALTER

    Wie sagt ihr?

    FRAU MARTHE

    Was?

    WALTER

    1910
    Neun Wochen wären's —?

    FRAU MARTHE

    Neun,
    Ja — Donnerstag sind's zehn. Er bat sich Saamen
    Bei mir, von Nelken und Aurikeln aus.

    WALTER

    Und — Sontags — wenn er auf das Vorwerk geht —?

    FRAU MARTHE

    1915
    Ja, da — da gukt er mir in's Fenster wohl,
    Und saget guten Tag zu mir und meiner Tochter;
    Doch dann so geht er wieder seiner Wege.

    WALTER

    für sich.
    Hm! Sollt ich auch dem Manne wohl —
    er trinkt.
    1920
    Ich glaubte,
    Weil ihr die Jungfer Muhme dort zuweilen
    In eurer Wirthschaft braucht, so würdet ihr
    Zum Dank die Mutter dann und wann besuchen.

    ADAM

    Wie so, gestrenger Herr?

    WALTER

    1925
    Wie so? Ihr sagtet,
    Die Jungfer helfe euren Hühnern auf,
    Die euch im Hof erkranken. Hat sie nicht
    Noch heut in dieser Sach' euch Rath ertheilt?

    FRAU MARTHE

    Ja, allerdings, gestrenger Herr, das thut sie.
    1930
    Vorgestern schickt' er ihr ein krankes Perlhuhn
    Ins Haus, das schon den Tod im Leibe hatte.
    Vorm Jahr rettete sie ihm eins vom Pips,
    Und dies auch wird sie mit der Nudel heilen:
    Jedoch zum Dank ist er noch nicht erschienen.

    WALTER

    verwirrt.
    1935
    — Schenkt ein, Herr Richter Adam, seid so gut.
    Schenkt gleich mir ein. Wir wollen eins noch trinken.

    ADAM

    Zu eurem Dienst. Ihr macht mich glücklich. Hier.
    er schenkt ein.

    WALTER

    Auf euer Wohlergehn! — Der Richter Adam,
    Er wird früh oder spät schon kommen.

    FRAU MARTHE

    1940
    Meint ihr? Ich zweifle.
    Könnt' ich Niersteiner, solchen, wie ihr trinkt,
    Und wie mein seel'ger Mann, der Castellan,
    Wohl auch, von Zeit zu Zeit, im Keller hatte,
    Vorsetzen dem Herrn Vetter, wär's was anders:
    1945
    Doch so besitz' ich nichts, ich arme Wittwe,
    In meinem Hause, das ihn lockt.

    WALTER

    Um so viel besser.

    EILFTER AUFTRITT

    LICHT. FRAU BRIGITTE mit einer Perücke in der Hand. Die MÄGDE. Die VORIGEN.

    LICHT

    Hier, Frau Brigitte, herein.

    WALTER

    Ist das die Frau, Herr Schreiber Licht?

    LICHT

    1950
    Das ist die Frau Brigitte, Ew. Gnaden.

    WALTER

    Nun denn, so laßt die Sach' uns jetzt beschließen.
    Nehmt ab, ihr Mägde. Hier.
    Die Mägde mit Gläsern u. s. w. ab.

    ADAM

    während dessen.
    Nun, Evchen, höre,
    Dreh du mir deine Pille ordentlich,
    1955
    Wie sich's gehört, so sprech ich heute Abend
    Auf ein Gericht Karauschen bei euch ein.
    Dem Luder muß sie ganz jetzt durch die Gurgel,
    Ist sie zu groß, so mag's den Tod dran fressen.

    WALTER

    erblickt die Perücke.
    Was bringt uns Frau Brigitte dort für eine Perücke?

    LICHT

    1960
    Gnäd'ger Herr?

    WALTER

    Was jene Frau uns dort für eine
    Perücke bringt?

    LICHT

    Hm!

    WALTER

    Was?

    LICHT

    1965
    Verzeiht —

    WALTER

    Werd ich's erfahren?

    LICHT

    Wenn Ew. Gnaden gütigst
    Die Frau, durch den Herrn Richter fragen wollen,
    So wird, wem die Perücke angehört,
    1970
    Sich, und das Weitre, zweifl' ich nicht ergeben.

    WALTER

    — Ich will nicht wissen, wem sie angehört.
    Wie kam die Frau dazu? Wo fand sie sie?

    LICHT

    Die Frau fand die Perücke im Spalier
    Bei Frau Margrethe Rull. Sie hing gespießt,
    1975
    Gleich einem Nest, im Kreuzgeflecht des Weinstocks,
    Dicht unterm Fenster, wo die Jungfer schläft.

    FRAU MARTHE

    Was? Bei mir? Im Spalier?

    WALTER

    heimlich.
    Herr Richter Adam,
    Habt ihr mir etwas zu vertraun,
    1980
    So bitt' ich, um die Ehre des Gerichtes,
    Ihr seid so gut, und sagt mir's an.

    ADAM

    Ich euch —?

    WALTER

    Nicht? Habt ihr nicht —?

    ADAM

    Auf meine Ehre —
    er ergreift die Perücke.

    WALTER

    1985
    Hier die Perücke ist die eure nicht?

    ADAM

    Hier die Perück' ihr Herren, ist die meine!
    Das ist, Blitz-Element, die nemliche,
    Die ich dem Burschen vor acht Tagen gab,
    Nach Utrecht sie zum Meister Mehl zu bringen.

    WALTER

    1990
    Wem? Was?

    LICHT

    Dem Ruprecht?

    RUPRECHT

    Mir?

    ADAM

    Hab ich ihm, Schlingel,
    Als er nach Utrecht vor acht Tagen ging,
    1995
    Nicht die Perück' hier anvertraut, sie zum
    Friseur, daß er sie renoviere, hinzutragen?

    RUPRECHT

    Ob er —? Nun ja. Er gab mir —

    ADAM

    Warum hat er
    Nicht die Perück', Hallunke, abgegeben?
    2000
    Warum nicht hat er sie, wie ich befohlen,
    Beim Meister in der Werkstatt abgegeben?

    RUPRECHT

    Warum ich sie —? Gott's, Himmel-Donner — Schlag!
    Ich hab' sie in der Werkstatt abgegeben.
    Der Meister Mehl nahm sie —

    ADAM

    2005
    Sie abgegeben?
    Und jetzt hängt sie im Weinspalier bei Marthens?
    O wart, Canaille! So entkommst du nicht.
    Dahinter steckt mir von Verkappung was,
    Und Meuterei, was weiß ich? — Wollt ihr erlauben,
    2010
    Daß ich sogleich die Frau nur inquirire?

    WALTER

    Ihr hättet die Perücke —?

    ADAM

    Gnäd'ger Herr,
    Als jener Bursche dort, vergangnen Dienstag,
    Nach Utrecht fuhr mit seines Vaters Ochsen,
    2015
    Kam er in's Amt, und sprach, Herr Richter Adam,
    Habt ihr im Städtlein etwas zu bestellen?
    Mein Sohn, sag ich, wenn du so gut willt sein,
    So laß mir die Perück' hier auftoupiren —
    Nicht aber sagt' ich ihm, geh und bewahre
    2020
    Sie bei dir auf, verkappe dich darin,
    Und laß sie im Spalier bei Marthens hängen.

    FRAU BRIGITTE

    Ihr Herrn, der Ruprecht, mein' ich, halt zu Gnaden,
    Der war's wohl nicht. Denn da ich gestern nacht
    Hinaus auf's Vorwerk geh', zu meiner Muhme,
    2025
    Die schwer im Kindbett liegt, hört' ich die Jungfer
    Gedämpft, im Garten hinten jemand schelten:
    Wuth scheint und Furcht die Stimme ihr zu rauben.
    Pfui, schäm' er sich, er Niederträchtiger,
    Was macht er? Fort. Ich werd' die Mutter rufen;
    2030
    Als ob die Spanier im Lande wären.
    Drauf: Eve! durch den Zaun hin: Eve! ruf' ich.
    Was hast du? Was auch giebt's? — Und still wird es:
    Nun? Wirst du antworten? — Was wollt ihr, Muhme?
    Was hast du vor? frag' ich. — Was werd' ich haben.
    2035
    Ist es der Ruprecht? — „Ei so ja, der Ruprecht.
    Geht euren Weg doch nur.“ — So koch dir Thee.
    Das liebt sich, denk' ich, wie sich andre zanken.

    FRAU MARTHE

    Mithin —?

    RUPRECHT

    Mithin —?

    WALTER

    2040
    Schweigt! Laßt die Frau vollenden.

    FRAU BRIGITTE

    Da ich vom Vorwerk nun zurückekehre,
    Zur Zeit der Mitternacht etwa, und just,
    Im Lindengang, bei Marthens Garten bin,
    Huscht euch ein Kerl bei mir vorbei, kahlköpfig,
    2045
    Mit einem Pferdefuß, und hinter ihm
    Erstinkt's wie Dampf von Pech und Haar und Schwefel.
    Ich sprech' ein Gott sei bei uns aus, und drehe
    Entsetzensvoll mich um, und seh', mein Seel',
    Die Glatz ihr Herrn im Verschwinden noch,
    2050
    Wie faules Holz, den Lindengang durchleuchten.

    RUPRECHT

    Was! Himmel — Tausend —!

    FRAU MARTHE

    Ist sie toll, Frau Briggy?

    RUPRECHT

    Der Teufel, meint Sie, wär's —?

    LICHT

    Still! Still!

    FRAU BRIGITTE

    2055
    Mein Seel!
    Ich weiß, was ich gesehen und gerochen.

    WALTER

    ungeduldig.
    Frau, ob's der Teufel war, will ich nicht untersuchen,
    Ihn aber, ihn denunciirt man nicht.
    Kann sie von einem andern melden, gut:
    2060
    Doch mit dem Sünder da verschont sie uns.

    LICHT

    Wollen Ew. Gnaden sie vollenden lassen.

    WALTER

    Blödsinnig Volk, das!

    FRAU BRIGITTE

    Gut, wie ihr befehlt.
    Doch der Herr Schreiber Licht sind mir ein Zeuge.

    WALTER

    2065
    Wie? Ihr ein Zeuge?

    LICHT

    Gewissermaßen, ja.

    WALTER

    Fürwahr, ich weiß nicht —

    LICHT

    Bitte ganz submiß,
    Die Frau in dem Berichte nicht zu stören.
    2070
    Daß es der Teufel war, behaupt' ich nicht;
    Jedoch mit Pferdefuß, und kahler Glatze
    Und hinten Dampf, wenn ich nicht sehr mich irre,
    Hat's seine völl'ge Richtigkeit! — Fahrt fort!

    FRAU BRIGITTE

    Da ich nun mit Erstaunen heut vernehme,
    2075
    Was bei Frau Marthe Rull geschehn, und ich
    Den Krugzertrümmrer auszuspioniren,
    Der mir zu Nacht begegnet am Spalier,
    Den Platz, wo er gesprungen, untersuche,
    Find ich im Schnee, ihr Herrn, euch eine Spur —
    2080
    Was find ich euch für eine Spur im Schnee?
    Rechts fein und scharf und nett gekantet immer,
    Ein ordentlicher Menschenfuß,
    Und links unförmig grobhin eingetölpelt
    Ein ungeheurer klotz'ger Pferdefuß.

    WALTER

    ärgerlich.
    2085
    Geschwätz, wahnsinniges, verdammenswürd'ges —!

    VEIT

    Es ist nicht möglich, Frau!

    FRAU BRIGITTE

    Bei meiner Treu!
    Erst am Spalier, da, wo der Sprung geschehen,
    Seht, einen weiten, schneezerwühlten Kreis,
    2090
    Als ob sich eine Sau darin gewälzt;
    Und Menschenfuß und Pferdefuß von hier,
    Und Menschenfuß und Pferdefuß, und Menschenfuß und Pferdefuß,
    Quer durch den Garten, bis in alle Welt.

    ADAM

    Verflucht! — hat sich der Schelm vielleicht erlaubt,
    2095
    Verkappt des Teufels Art —?

    RUPRECHT

    Was! Ich!

    LICHT

    Schweigt! Schweigt!

    FRAU BRIGITTE

    Wer einen Dachs sucht, und die Fährt' entdeckt,
    Der Waidmann, triumphirt nicht so, als ich.
    2100
    Herr Schreiber Licht, sag' ich, denn eben seh' ich,
    Von Euch geschickt, den Würd'gen zu mir treten,
    Herr Schreiber Licht, spart Eure Session,
    Den Krugzertrümmerer judicirt ihr nicht,
    Der sitzt nicht schlechter euch, als in der Hölle:
    2105
    Hier ist die Spur die er gegangen ist.

    WALTER

    So habt ihr selbst euch überzeugt?

    LICHT

    Ew. Gnaden,
    Mit dieser Spur hat's völl'ge Richtigkeit.

    WALTER

    Ein Pferdefuß?

    LICHT

    2110
    Fuß eines Menschen, bitte,
    Doch praeter propter wie ein Pferdehuf.

    ADAM

    Mein Seel, ihr Herrn, die Sache scheint mir ernsthaft.
    Man hat viel beißend abgefaßte Schriften,
    Die, daß ein Gott sei, nicht gestehen wollen;
    2115
    Jedoch den Teufel hat, soviel ich weiß,
    Kein Atheist noch bündig wegbewiesen.
    Der Fall, der vorliegt, scheint besonderer
    Erörtrung werth. Ich trage darauf an,
    Bevor wir ein Conclusum fassen,
    2120
    Im Haag bei der Synode anzufragen,
    Ob das Gericht befugt sei, anzunehmen,
    Daß Belzebub den Krug zerbrochen hat.

    WALTER

    Ein Antrag, wie ich ihn von euch erwartet.
    Was wohl meint ihr, Herr Schreiber?

    LICHT

    2125
    Ew. Gnaden werden
    Nicht die Synode brauchen, um zu urtheil'n.
    Vollendet — mit Erlaubniß! — den Bericht,
    Ihr Frau Brigitte, dort; so wird der Fall
    Aus der Verbindung, hoff' ich, klar constiren.

    FRAU BRIGITTE

    2130
    Hierauf: Herr Schreiber Licht, sag' ich, laßt uns
    Die Spur ein wenig doch verfolgen, sehn,
    Wohin der Teufel wohl entwischt mag sein.
    Gut, sagt er, Frau Brigitt', ein guter Einfall;
    Vielleicht gehn wir uns nicht weit um,
    2135
    Wenn wir zum Herrn Dorfrichter Adam gehn.

    WALTER

    Nun? Und jetzt fand sich —?

    FRAU BRIGITTE

    Zuerst jetzt finden wir
    Jenseits des Gartens, in dem Lindengange,
    Den Platz, wo Schwefeldämpfe von sich lassend,
    2140
    Der Teufel bei mir angeprellt: ein Kreis,
    Wie scheu ein Hund etwa zur Seite weicht,
    Wenn sich die Katze prustend vor ihm setzt.

    WALTER

    Drauf weiter?

    FRAU BRIGITTE

    Nicht weit davon jetzt steht ein Denkmal seiner,
    2145
    An einem Baum, daß ich davor erschrecke.

    WALTER

    Ein Denkmal? Wie?

    FRAU BRIGITTE

    Wie? ja, da werdet ihr —

    ADAM

    für sich.
    Verflucht mein Unterleib.

    LICHT

    Vorüber, bitte,
    2150
    Vorüber hier, ich bitte, Frau Brigitte.

    WALTER

    Wohin die Spur euch führte, will ich wissen!

    FRAU BRIGITTE

    Wohin? Mein Treu, den nächsten Weg zu euch,
    Just wie Herr Schreiber Licht gesagt.

    WALTER

    Zu uns? Hierher?

    FRAU BRIGITTE

    2155
    Vom Lindengange, ja,
    Auf's Schulzenfeld, den Karpfenteich entlang,
    Den Steg, quer über'n Gottesacker dann,
    Hier, sag' ich, her, zum Herrn Dorfrichter Adam.

    WALTER

    Zum Herrn Dorfrichter Adam?

    ADAM

    2160
    Hier zu mir?

    FRAU BRIGITTE

    Zu euch, ja.

    RUPRECHT

    Wird doch der Teufel nicht
    In dem Gerichtshof wohnen?

    FRAU BRIGITTE

    Mein Treu, ich weiß nicht,
    2165
    Ob er in diesem Hause wohnt; doch hier,
    Ich bin nicht ehrlich, ist er abgestiegen:
    Die Spur geht hinten ein bis an die Schwelle.

    ADAM

    Sollt' er vielleicht hier durchpassirt —?

    FRAU BRIGITTE

    Ja, oder durchpassirt. Kann sein. Auch das.
    2170
    Die Spur vornaus —

    WALTER

    War eine Spur vornaus?

    LICHT

    Vornaus, verzeihn Ew. Gnaden, keine Spur.

    FRAU BRIGITTE

    Ja, vornaus war der Weg zertreten.

    ADAM

    Zertreten. Durchpassirt. Ich bin ein Schuft.
    2175
    Der Kerl, paßt auf, hat den Gesetzen hier
    Was angehängt. Ich will nicht ehrlich sein,
    Wenn es nicht stinkt in der Registratur.
    Wenn meine Rechnungen, wie ich nicht zweifle,
    Verwirrt befunden werden sollten,
    2180
    Auf meine Ehr', ich stehe für nichts ein.

    WALTER

    Ich auch nicht.
    für sich.
    Hm! Ich weiß nicht, war's der Linke,
    War es der Rechte? Seiner Füße Einer —
    2185
    Herr Richter! Eure Dose! — Seid so gefällig.

    ADAM

    Die Dose?

    WALTER

    Die Dose. Gebt! hier!

    ADAM

    zuLicht.
    Bringt dem Herrn Gerichtsrath.

    WALTER

    Wozu die Umständ'? Einen Schritt gebraucht's.

    ADAM

    2190
    Es ist schon abgemacht. Gebt Sr. Gnaden.

    WALTER

    Ich hätt euch was ins Ohr gesagt.

    ADAM

    Vielleicht, daß wir nachher Gelegenheit —

    WALTER

    Auch gut.
    nachdem sich Licht wieder gesetzt.
    2195
    Sagt doch, ihr Herrn, ist jemand hier im Orte,
    Der mißgeschaffne Füße hat?

    LICHT

    Hm! Allerdings ist jemand hier in Huisum —

    WALTER

    So? Wer?

    LICHT

    Wollen Ew. Gnaden den Herrn Richter fragen —

    WALTER

    2200
    Den Herrn Richter Adam?

    ADAM

    Ich weiß von nichts.
    Zehn Jahre bin ich hier im Amt zu Huisum,
    So viel ich weiß, ist Alles grad gewachsen.

    WALTER

    zu Licht.
    Nun? Wen hier meint ihr?

    FRAU MARTHE

    2205
    Laß er doch seine Füße draußen!
    Was steckt er unter'n Tisch verstört sie hin,
    Daß man fast meint, er wär die Spur gegangen.

    WALTER

    Wer? Der Herr Richter Adam?

    ADAM

    Ich? Die Spur?
    2210
    Bin ich der Teufel? Ist das ein Pferdefuß?
    er zeigt seinen linken Fuß.

    WALTER

    Auf meine Ehr'. Der Fuß ist gut.
    heimlich
    Macht jetzt mit der Session sogleich ein Ende.

    ADAM

    Ein Fuß, wenn den der Teufel hätt',
    2215
    So könnt' er auf die Bälle gehn und tanzen.

    FRAU MARTHE

    Das sag' ich auch. Wo wird der Herr Dorfrichter —

    ADAM

    Ach, was! Ich!

    WALTER

    Macht', sag' ich, gleich ein Ende.

    FRAU BRIGITTE

    Den einz'gen Skrupel nur, ihr würd'gen Herrn,
    2220
    Macht, dünkt mich, dieser feierliche Schmuck!

    ADAM

    Was für ein feierlicher —?

    FRAU BRIGITTE

    Hier, die Perücke!
    Wer sah den Teufel je in solcher Tracht?
    Ein Bau, gethürmter, strotzender von Talg,
    2225
    Als eines Domdechanten auf der Kanzel!

    ADAM

    Wir wissen hier zu Land nur unvollkommen,
    Was in der Hölle Mod' ist, Frau Brigitte!
    Man sagt, gewöhnlich trägt er eignes Haar.
    Doch auf der Erde, bin ich überzeugt,
    2230
    Wirft er in die Perücke sich, um sich
    Den Honoratioren beizumischen.

    WALTER

    Nichtswürd'ger! Werth, vor allem Volk ihn schmachvoll
    Vom Tribunal zu jagen! Was euch schützt,
    Ist einzig nur die Ehre des Gerichts.
    2235
    Schließt eure Session!

    ADAM

    Ich will nicht hoffen —

    WALTER

    Ihr hofft jetzt nichts. Ihr zieht euch aus der Sache.

    ADAM

    Glaubt ihr, ich hätte, ich, der Richter, gestern,
    Im Weinstock die Perücke eingebüßt?

    WALTER

    2240
    Behüte Gott! Die eur' ist ja im Feuer,
    Wie Sodom und Gomorrha, aufgegangen.

    LICHT

    Vielmehr — vergebt mir, gnäd'ger Herr! die Katze
    Hat gestern in die seinige gejungt.

    ADAM

    Ihr Herrn, wenn hier der Anschein mich verdammt:
    2245
    Ihr übereilt euch nicht, bitt' ich. Es gilt
    Mir Ehre oder Prostitution.
    Solang die Jungfer schweigt, begreif' ich nicht,
    Mit welchem Recht ihr mich beschuldiget.
    Hier auf dem Richterstuhl von Huisum sitz' ich,
    2250
    Und lege die Perücke auf den Tisch:
    Den, der behauptet, daß sie mein gehört,
    Fordr' ich vor's Oberlandgericht in Utrecht.

    LICHT

    Hm! Die Perücke paßt euch doch, mein Seel,
    Als wär auf euren Scheiteln sie gewachsen.
    er setzt sie ihm auf.

    ADAM

    2255
    Verläumdung!

    LICHT

    Nicht?

    ADAM

    Als Mantel um die Schultern
    Mir noch zu weit, wie viel mehr um den Kopf.
    er besieht sich im Spiegel.

    RUPRECHT

    Ei, solch ein Donnerwetter-Kerl!

    WALTER

    2260
    Still, er!

    FRAU MARTHE

    Ei, solch ein Blitz verfluchter Richter, das!

    WALTER

    Noch einmal, wollt ihr gleich, soll ich die Sache enden?

    ADAM

    Ja, was befehlt ihr?

    RUPRECHT

    zu Eve.
    Eve, sprich, ist er's?

    WALTER

    2265
    Was untersteht der Unverschämte sich?

    VEIT

    Schweig du, sag' ich.

    ADAM

    Wart, Bestie! Dich fass' ich.

    RUPRECHT

    Ei, du Blitz-Pferdefuß!

    WALTER

    Heda! der Büttel!

    VEIT

    2270
    Halt's Maul, sag' ich.

    RUPRECHT

    Wart! Heute reich' ich dich.
    Heut' streust du keinen Sand mir in die Augen.

    WALTER

    Habt ihr nicht so viel Witz, Herr Richter —?

    ADAM

    Ja, wenn Ew. Gnaden
    2275
    Erlauben, fäll ich jetzo die Sentenz.

    WALTER

    Gut. Thut das. Fällt sie.

    ADAM

    Die Sache jetzt constirt,
    Und Ruprecht dort, der Racker, ist der Thäter.

    WALTER

    Auch gut das. Weiter.

    ADAM

    2280
    Den Hals erkenn ich
    Ins Eisen ihm, und weil er ungebührlich
    Sich gegen seinen Richter hat betragen,
    Schmeiß ich ihn ins vergitterte Gefängniß.
    Wie lange, werd ich noch bestimmen.

    EVE

    2285
    Den Ruprecht —?

    RUPRECHT

    In's Gefängniß mich?

    EVE

    In's Eisen?

    WALTER

    Spart eure Sorgen Kinder. — Seid ihr fertig?

    ADAM

    Den Krug meinthalb mag er ersetzen, oder nicht.

    WALTER

    2290
    Gut denn. Geschlossen ist die Session.
    Und Ruprecht appellirt an die Instanz zu Utrecht.

    EVE

    Er soll, er, erst nach Utrecht appelliren?

    RUPRECHT

    Was? Ich —?

    WALTER

    Zum Henker, ja! Und bis dahin —

    EVE

    2295
    Und bis dahin —?

    RUPRECHT

    In das Gefängniß gehn?

    EVE

    Den Hals in's Eisen stecken? Seid ihr auch Richter?
    Er dort, der Unverschämte, der dort sitzt,
    Er selber war's —

    WALTER

    2300
    Du hörst's, zum Teufel! Schweig!
    Ihm bis dahin krümmt sich kein Haar —

    EVE

    Auf, Ruprecht!
    Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!

    RUPRECHT

    Ei, wart, du!

    FRAU MARTHE

    2305
    Er?

    FRAU BRIGITTE

    Der dort?

    EVE

    Er, ja! Auf Ruprecht!
    Er war bei deiner Eve gestern!
    Auf! Fass' ihn! Schmeiß ihn jetzo, wie du willst.

    WALTER

    steht auf.
    2310
    Halt dort! Wer hier Unordnungen —

    EVE

    Gleichviel!
    Das Eisen ist verdient, geh Ruprecht!
    Geh schmeiß ihn von dem Tribunal herunter.

    ADAM

    Verzeiht, ihr Herrn.
    läuft weg.

    EVE

    2315
    Hier! Auf!

    RUPRECHT

    Halt' ihn!

    EVE

    Geschwind!

    ADAM

    Was?

    RUPRECHT

    Blitz-Hinketeufel!

    EVE

    2320
    Hast du ihn?

    RUPRECHT

    Gotts Schlag und Wetter!
    Es ist sein Mantel bloß!

    WALTER

    Fort! Ruft den Büttel!

    RUPRECHT

    schlägt den Mantel.
    Ratz! Das ist Eins. Und Ratz! Und Ratz! Noch Eins.
    2325
    Und noch Eins! In Ermangelung des Buckels.

    WALTER

    Er ungezogner Mensch! — Schafft hier mir Ordnung!
    — An ihm, wenn er sogleich nicht ruhig ist,
    Ihm wird der Spruch vom Eisen heut noch wahr.

    VEIT

    Sei ruhig, du vertrackter Schlingel!

    ZWÖLFTER AUFTRITT

    Die VORIGEN, ohne ADAM — Sie begeben sich alle in den Vordergrund der Bühne.

    RUPRECHT

    2330
    Ei, Evchen!
    Wie hab' ich heute schändlich dich beleidigt!
    Ei Gott's Blitz, alle Wetter; und wie gestern!
    Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut!
    Wirst du dein Lebtag mir vergeben können?

    EVE

    wirft sich dem Gerichtsrath zu Füßen.
    2335
    Herr! Wenn ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren!

    WALTER

    Verloren? Warum das?

    RUPRECHT

    Herr Gott! Was giebt's?

    EVE

    Errettet Ruprecht von der Conscription!
    Denn diese Conscription — der Richter Adam
    2340
    Hat mir's als ein Geheimniß anvertraut,
    Geht nach Ostindien; und von dort, ihr wißt,
    Kehrt von drei Männern Einer nur zurück!

    WALTER

    Was! Nach Ostindien! Bist du bei Sinnen?

    EVE

    Nach Bantam, gnäd'ger Herr; verläugnet's nicht!
    2345
    Hier ist der Brief, die stille heimliche
    Instruction, die Landmiliz betreffend,
    Die die Regierung jüngst deshalb erließ:
    Ihr seht, ich bin von Allem unterrichtet.

    WALTER

    nimmt den Brief und lies't ihn.
    O unerhört, arglistiger Betrug! —
    2350
    Der Brief ist falsch!

    EVE

    Falsch?

    WALTER

    Falsch, so wahr ich lebe!
    Herr Schreiber Licht, sagt selbst, ist das die Ordre,
    Die man aus Utrecht jüngst an euch erließ?

    LICHT

    2355
    Die Ordre! Was! Der Sünder, der! Ein Wisch,
    Den er mit eignen Händen aufgesetzt! —
    Die Truppen, die man anwarb, sind bestimmt
    Zum Dienst im Landesinneren; kein Mensch
    Denkt dran, sie nach Ostindien zu schicken!

    EVE

    2360
    Nein, nimmermehr, ihr Herrn?

    WALTER

    Bei meiner Ehre!
    Und zum Beweise meines Worts: den Ruprecht,
    Wärs so, wie du mir sagst: ich kauf' ihn frei!

    EVE

    steht auf.
    O Himmel! Wie belog der Böswicht mich!
    2365
    Denn mit der schrecklichen Besorgniß eben
    Quält er mein Herz, und kam, zur Zeit der Nacht,
    Mir ein Attest für Ruprecht aufzudringen;
    Bewies, wie ein erlognes Krankheitszeugniß,
    Von allem Kriegsdienst ihn befreien könnte;
    2370
    Erklärte und versicherte und schlich,
    Um es mir auszufert'gen, in mein Zimmer:
    So Schändliches, ihr Herren, von mir fordernd,
    Daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen!

    FRAU BRIGITTE

    Ei, der nichtswürdig-schändliche Betrüger!

    RUPRECHT

    2375
    Laß, laß den Pferdehuf, mein süßes Kind!
    Sieh, hätt' ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert,
    Ich wär' so eifersüchtig just, als jetzt!
    sie küssen sich.

    VEIT

    Das sag' ich auch! Küßt und versöhnt und liebt euch;
    Und Pfingsten, wenn ihr wollt, mag Hochzeit sein!

    LICHT

    am Fenster.
    2380
    Seht, wie der Richter Adam, bitt' ich euch,
    Berg auf, Berg ab, als flöh er Rad und Galgen,
    Das aufgepflügte Winterfeld durchstampft!

    WALTER

    Was? Ist das Richter Adam?

    LICHT

    Allerdings!

    MEHRERE

    2385
    Jetzt kommt er auf die Straße. Seht! seht!
    Wie die Perücke ihm den Rücken peitscht!

    WALTER

    Geschwind, Herr Schreiber, fort! Holt ihn zurück!
    Daß er nicht Übel rettend ärger mache.
    Von seinem Amt zwar ist er suspendirt,
    2390
    Und euch bestell' ich, bis auf weitere
    Verfügung, hier im Ort es zu verwalten;
    Doch sind die Cassen richtig, wie ich hoffe,
    Zur Desertion ihn zwingen will ich nicht.
    Fort! Thut mir den Gefallen, holt ihn wieder!

    LETZTER AUFTRITT

    Die VORIGEN ohne LICHT.

    FRAU MARTHE

    2395
    Sagt doch, gestrenger Herr, wo find' ich auch
    Den Sitz in Utrecht der Regierung?

    WALTER

    Weshalb, Frau Marthe?

    FRAU MARTHE

    empfindlich.
    Hm! Weshalb? Ich weiß nicht —
    Soll hier dem Kruge nicht sein Recht geschehn?

    WALTER

    2400
    Verzeiht mir! Allerdings. Am großen Markt,
    Und Dienstag ist und Freitag Session.

    FRAU MARTHE

    Gut! Auf die Woche stell' ich dort mich ein.
    Alle ab.
    Ende.

    VARIANT

    ZWÖLFTER AUFTRITT

    Die Vorigen ohne Adam. — Sie bewegen sich alle in den Vordergrund der Bühne.

    RUPRECHT

    Ei, Evchen!
    Wie hab' ich heute schändlich dich beleidigt!
    2405
    Ei, Gott's Blitz, alle Wetter, und wie gestern!
    Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens-Braut!
    Wirst du dein Lebtag mir vergeben können?

    EVE

    Geh, laß mich sein.

    RUPRECHT

    Ei, ich verfluchter Schlingel!
    2410
    Könnt' ich die Hände brauchen, mich zu prügeln.
    Nimm, weißt du was? hör: thu mir den Gefallen,
    Dein Pätschchen, hol's der Henker, nimm's und ball's,
    Und schlage tüchtig Eins mir hinters Ohr.
    Willst du's mir thun? Mein Seel, ich bin nicht ruhig.

    EVE

    2415
    Du hör'st. Ich will nichts von dir wissen.

    RUPRECHT

    Ei, solch ein Tölpel!
    Der Lebrecht denk' ich, Schaafsgesicht, und geh.
    Mich beim Dorfrichter ehrlich zu beklagen,
    Und er, vor dem ich klage, ist es selbst:
    2420
    Den Hals noch judicirt er mir in's Eisen.

    WALTER

    Wenn sich die Jungfer gestern gleich der Mutter
    Eröffnet hätte züchtiglich, so hätte
    Sie dem Gerichte Schand' erspart, und sich
    Zweideut'ge Meinungen von ihrer Ehre.

    RUPRECHT

    2425
    Sie schämte sich. Verzeiht ihr, gnäd'ger Herr!
    Es war ihr Richter doch, sie mußt' ihn schonen. —
    Komm nur jetzt fort zu Haus'. Es wird sich finden.

    EVE

    Ja, schämen!

    RUPRECHT

    Gut. So war's was Anderes.
    2430
    Behalts für dich, was brauchen wir's zu wissen.
    Du wirst's schon auf der Flieder-Bank mir Eins,
    Wenn von dem Thurm die Vesper geht, erzählen.
    Komm, sei nur gut.

    WALTER

    Was wir's zu wissen brauchen?
    2435
    So denk' ich nicht. Wenn Jungfer Eve will,
    Daß wir an ihre Unschuld glauben sollen:
    So wird sie, wie der Krug zerbrochen worden,
    Umständlich nach dem Hergang uns berichten.
    Ein Wort keck hingeworfen, macht den Richter
    2440
    In meinem Aug' der Sünd noch gar nicht schuldig.

    RUPRECHT

    Nun denn, so faß' ein Herz! Du bist ja schuldlos.
    Sag's, was er dir gewollt, der Pferdefuß.
    Sieh, hätt' ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert,
    Ich wär' so eifersüchtig just, als jetzt.

    EVE

    2445
    Was hilft's, daß ich jetzt schuldlos mich erzähle?
    Unglücklich sind wir beid' auf immerdar.

    RUPRECHT

    Unglücklich, wir?

    WALTER

    Warum ihr unglücklich?

    RUPRECHT

    Was gilt's, da ist die Conscription im Spiele.

    EVE

    wirft sich Waltern zu Füßen.
    2450
    Herr, wenn ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren!

    WALTER

    Wenn ich nicht —?

    RUPRECHT

    Ewiger Gott!

    WALTER

    Steh auf, mein Kind.

    EVE

    Nicht eher, Herr, als bis ihr eure Züge,
    2455
    Die menschlichen, die euch vom Antlitz strahlen,
    Wahr macht durch eine That der Menschlichkeit.

    WALTER

    Mein liebenswerthes Kind! Wenn du mir deine
    Unschuldigen bewährst, wie ich nicht zweifle,
    Bewähr' ich auch dir meine menschlichen.
    2460
    Steh auf!

    EVE

    Ja, Herr, das werd ich.

    WALTER

    Gut. So sprich.

    EVE

    Ihr wißt, daß ein Edict jüngst ist erschienen,
    Das von je hundert Söhnen jeden Orts
    2465
    Zehn für dies Frühjahr zu den Waffen ruft,
    Der rüstigsten. Denn der Hispanier
    Versöhnt sich mit dem Niederländer nicht,
    Und die Tyrannenruthe will er wieder
    Sich, die zerbrochene, zusammenbinden.
    2470
    Kriegshaufen sieht man ziehn auf allen Wegen,
    Die Flotten rings, die er uns zugesendet,
    Von unsrer Staaten Küsten abzuhalten,
    Und die Miliz steht auf, die Thor' inzwischen
    In den verlaßnen Städten zu besetzen.

    WALTER

    2475
    So ist es.

    EVE

    Ja, so heißt's, ich weiß.

    WALTER

    Nun? Weiter?

    EVE

    Wir eben sitzen, Mutter, Vater, Ruprecht
    Und ich, an dem Camin, und halten Rath,
    2480
    Ob Pfingsten sich, ob Pfingsten übers Jahr,
    Die Hochzeit feiern soll: als plötzlich jetzt
    Die Commission, die die Rekruten aushebt,
    In's Zimmer tritt, und Ruprecht aufnotirt,
    Und unsern frohen Streit mit schneidendem
    2485
    Machtspruch, just da er sich zu Pfingsten neigte,
    Für, Gott weiß, welches Pfingstfest nun? — entscheidet.

    WALTER

    Mein Kind —

    EVE

    Gut, gut.

    WALTER

    Das allgemeine Loos.

    EVE

    2490
    Ich weiß.

    WALTER

    Dem kann sich Ruprecht gar nicht weigern.

    RUPRECHT

    Ich denk' auch nicht daran.

    EVE

    Er denkt nicht dran,
    Gestrenger Herr, und Gott behüte mich,
    2495
    Daß ich in seiner Sinnesart ihn störte.
    Wohl uns, daß wir was Heil'ges, jeglicher,
    Wir freien Niederländer, in der Brust,
    Des Streites wert bewahren: so gebe jeder denn
    Die Brust auch her, es zu vertheidigen.
    2500
    Müßt' er dem Feind' im Treffen selbst begegnen,
    Ich spräche noch, zieh hin, und Gott mit dir:
    Was werd' ich jetzt ihn weigern, da er nur
    Die Wälle, die geebneten, in Utrecht,
    Vor Knaben soll, und ihren Spielen schützen.
    2505
    Inzwischen, lieber Herr, ihr zürnt mir nicht —
    Wenn ich die Mai'n in unserm Garten rings
    Dem Pfingstfest röthlich seh' entgegen knospen,
    So kann ich mich der Thränen nicht enthalten:
    Denk' ich doch sonst, und thue, wie ich soll.

    WALTER

    2510
    Verhüt' auch Gott, daß ich darum dir zürne.
    Sprich weiter.

    EVE

    Nun schickt die Mutter gestern
    Mich in gleichgültigem Geschäft in's Amt,
    Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete,
    2515
    „Gott grüß dich, Evchen! Ei, warum so traurig?”
    Spricht er. „Das Köpfchen hängt dir ja wie'n Maienglöckchen!
    Ich glaubte fast, du weißt, daß es dir steht.
    Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!” — Je nun freilich,
    Der Ruprecht, sag' ich; wenn der Mensch was liebt,
    2520
    Muß er schon auch auf Erden etwas leiden.
    Drauf er: „du armes Ding! Hm! Was wohl gäbst du,
    Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite? ”
    Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet?
    Ei nun, dafür mögt' ich euch schon was geben.
    2525
    Wie fingt ihr das wohl an? — „Du Närrchen”, sagt er,
    Der Physikus, der kann, und ich kann schreiben,
    Verborgne Leibesschäden sieht man nicht,
    Und bringt der Ruprecht ein Attest darüber
    Zur Commission, so giebt die ihm den Abschied:
    2530
    Das ist ein Handel, wie um eine Semmel.” —
    So, sag ich. — „Ja” — So, so! Nun, laßt's nur sein,
    Herr Dorfrichter, sprech' ich. Daß Gott der Herr
    Gerad' den Ruprecht mir zur Lust erschaffen,
    Mag ich nicht vor der Commission verläugnen.
    2535
    Des Herzens' innerliche Schäden sieht er,
    Und ihn irrt kein Attest vom Physikus.

    WALTER

    Recht! Brav!

    EVE

    „Gut”, spricht er. „Wie du willst. So mag
    Er seiner Wege gehn. Doch was ich sagen wollte —
    2540
    Die hundert Gulden, die er kürzlich erbte,
    Läßt du dir doch, bevor er geht, verschreiben?” —
    Die hundert Gulden, frag' ich? Ei, warum?
    Was hat's mir für Gefahr auch mit den Gulden?
    Wird er denn weiter, als nach Utrecht gehn? —
    2545
    „Ob er dir weiter als nach Utrecht geht?
    Ja, du gerechter Gott, spricht er, was weiß ich,
    Wohin der jetzo geht. Folgt er einmal der Trommel
    Die Trommel folgt dem Fähndrich, der dem Hauptmann,
    Der Hauptmann folgt dem Obersten, der folgt
    2550
    Dem General, und der folgt den vereinten Staaten wieder,
    Und die vereinten Staaten, hol's der Henker,
    Die ziehen in Gedanken weit herum.
    Die lassen trommeln, daß die Felle platzen.”

    WALTER

    Der Schändliche.

    EVE

    2555
    Bewahr mich Gott, sprech' ich,
    Ihr habt, als ihr den Ruprecht aufnotirt,
    Ja die Bestimmung deutlich ihm verkündigt.
    „Ja! Die Bestimmung!” spricht er: „Speck für Mäuse!
    Wenn sie die Landmiliz in Utrecht haben,
    2560
    So klappt die Falle hinten schnappend zu.
    Laß du die hundert Gulden dir verschreiben.” —
    Ist das gewiß, frag' ich, Herr Richter Adam?
    Will man zum Kriegsdienst förmlich sie gebrauchen?
    „Ob man zum Kriegsdienst sie gebrauchen will?” —
    2565
    „Willst du Geheimniß, unverbrüchliches,
    Mir angeloben gegen jedermann?”
    Ei, Herr Gott, sprech' ich, was auch giebt's, Herr Richter!
    Was sieht er so bedenklich? Sag' er's heraus.

    WALTER

    Nun? Nun? Was wird das werden?

    EVE

    2570
    Was das wird werden?
    Herr, jetzo sagt er mir, was ihr wohl wißt,
    Daß die Miliz sich einschifft nach Batavia,
    Den eingebornen Kön'gen dort, von Bantam,
    Von Java, Jakarta, was weiß ich? Raub
    2575
    Zum Heil der Haager Krämer abzujagen.

    WALTER

    Was? nach Batavia?

    RUPRECHT

    Ich, nach Asien?

    WALTER

    Davon weiß ich kein Wort.

    EVE

    Gestrenger Herr,
    2580
    Ich weiß, ihr seid verbunden, so zu reden.

    WALTER

    Auf meine Pflicht!

    EVE

    Gut, gut. Auf eure Pflicht.
    Und die ist, uns, was wahr ist, zu verbergen.

    WALTER

    Du hörst's. Wenn ich —

    EVE

    2585
    Ich sah den Brief, verzeiht, den ihr
    Aus Utrecht an die Ämter habt erlassen.

    WALTER

    Welch einen Brief?

    EVE

    Den Brief, Herr, die geheime
    Instruktion, die Landmiliz betreffend,
    2590
    Und ihre Stellung aus den Dörfern rings.

    WALTER

    Den hast du?

    EVE

    Herr, den sah ich.

    WALTER

    Und darin?

    EVE

    Stand, daß die Landmiliz, im Wahn, sie sei
    2595
    Zum innern Friedensdienste nur bestimmt,
    Soll hingehalten werden bis zum März:
    Im März dann schiffe sie nach Asien ein.

    WALTER

    Das in dem Brief selbst hättest du gelesen?

    EVE

    Ich nicht. Ich las es nicht. Ich kann nicht lesen.
    2600
    Doch er, der Richter, las den Brief mir vor.

    WALTER

    So. Er, der Richter.

    EVE

    Ja. Und Wort vor Wort.

    WALTER

    Gut, gut. Nun weiter.

    EVE

    Gott im Himmel, ruf' ich,
    2605
    Das junge Volk, das blüh'nde, nach Batavia!
    Das Eiland, das entsetzliche, wovon
    Jedweden Schiffes Mannschaft, das ihm naht,
    Die eine Hälfte stets die andere begräbt.
    Das ist ja keine offen ehrliche
    2610
    Conscription, das ist Betrug, Herr Richter,
    Gestohlen ist dem Land' die schöne Jugend,
    Um Pfeffer und Muskaten einzuhandeln.
    List gegen List jetzt, schaff' er das Attest
    Für Ruprecht mir, und alles geb ich ihm
    2615
    Zum Dank, was er nur redlich fordern kann.

    WALTER

    Das machtest du nicht gut.

    EVE

    List gegen List.

    WALTER

    Drauf er?

    EVE

    „Das wird sich finden”, spricht er, „Evchen,
    2620
    Vom Dank nachher, jetzt gilt es das Attest.
    Wann soll der Ruprecht gehn?” — In diesen Tagen.
    „Gut,” spricht er, „gut. Es trifft sich eben günstig.
    Denn heut noch kommt der Physikus in's Amt;
    Da kann ich gleich mein Heil mit ihm versuchen.
    2625
    Wie lange bleibt der Garten bei dir offen?”
    Bei mir der Garten, frag' ich? — „Ja, der Garten.”
    Bis gegen zehn, sag' ich. Warum, Herr Richter?
    „Vielleicht kann ich den Schein dir heut noch bringen.” —
    Er mir den Schein! Ei, wohin denkt er auch?
    2630
    Ich werd' den Schein mir morgen früh schon holen. —
    „Auch gut”, spricht er. „Gleichviel. So holst du ihn.
    Glock halb auf neun früh Morgens bin ich auf.”

    WALTER

    Nun?

    EVE

    Nun — geh' ich zur Mutter heim, und harre,
    2635
    Den Kummer, den verschwiegnen, in der Brust,
    In meiner Klause, durch den Tag, und harre,
    Bis zehn zu Nacht auf Ruprecht, der nicht kömmt.
    Und geh verstimmt Glock zehn die Trepp' hinab,
    Die Gartenthür zu schließen, und erblicke,
    2640
    Da ich sie öffn', im Dunkeln fernhin wen,
    Der schleichend von den Linden her mir naht.
    Und sage: Ruprecht! — „Evchen”, heisert es. —
    Wer ist da? frag ich. — „St! Wer wird es sein?” —
    Ist er's, Herr Richter? — „Ja, der alte Adam” —

    RUPRECHT

    2645
    Gott's Blitz!

    EVE

    Er selbst —

    RUPRECHT

    Gott's Donnerwetter!

    EVE

    Ist's,
    Und kommt, und scherzt, und kneipt mir in die Backen,
    2650
    Und fragt, ob Mutter schon zu Bette sei.

    RUPRECHT

    Seht, den Hallunken!

    EVE

    Drauf ich: Ei, was Herr Richter,
    Was will er auch so spät zu Nacht bei mir?
    „Je, Närrchen”, spricht er — Dreist heraus, sag' ich;
    2655
    Was hat er hier Glock zehn bei mir zu suchen?
    „Was ich Glock zehn bei dir zu suchen habe?” —
    Ich sag', laß er die Hand mir weg! Was will er? —
    „Ich glaube wohl, du bist verrückt,” spricht er.
    „Warst du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir,
    2660
    Und wolltest ein Attest für Ruprecht haben?”
    Ob ich? — Nun ja. — „Nun gut. Das bring ich dir.”
    Ich sagt's ihm ja, daß ich's mir holen wollte. —
    „Bei meiner Treu! Die ist nicht recht gescheut.
    Ich muß Glock fünf Uhr morgen früh verreisen,
    2665
    Und ungewiß, wann ich zurücke kehre,
    Liefr' ich den Schein noch heut ihr in die Hände;
    Und sie, nichts fehlt, sie zeigt die Thüre mir;
    Sie will den Schein sich morgen bei mir holen.” —
    Wenn er verreisen will Glock fünf Uhr morgen —
    2670
    Davon ja wußt' er heut noch nichts Glock eilf?
    „Ich sag's”, spricht er, „die ist nicht recht bei Troste.
    Glock zwölf bekam ich heut die Ordre erst.” —
    Das ist was Anderes, das wußt' ich nicht.
    „Du hörst es ja,” spricht er. — Gut, gut, Herr Richter.
    2675
    So dank' ich herzlich ihm für seine Mühe.
    Verzeih er mir. Wo hat er das Attest?

    WALTER

    Wißt ihr was von der Ordre?

    LICHT

    Nicht ein Wort.
    Vielmehr bekam er kürzlich noch die Ordre,
    2680
    Sich nicht von seinem Amte zu entfernen.
    Auch habt ihr heut zu Haus' ihn angetroffen.

    WALTER

    Nun?

    EVE

    Wenn er log, ihr Herrn, konnt ich's nicht prüfen.
    Ich mußte seinem Wort vertraun.

    WALTER

    2685
    Ganz recht.
    Du konntest es nicht prüfen. Weiter nur.
    Wo ist der Schein, sprachst du?

    EVE

    „Hier,” sagt er, „Evchen;”
    Und zieht ihn vor. „Doch höre,” fährt er fort,
    2690
    „Du mußt, so wahr ich lebe, mir vorher
    Noch sagen, wie der Ruprecht zubenams't?
    Heißt er nicht Ruprecht Gimpel?” — Wer? Der Ruprecht?
    „Ja. Oder Simpel? Simpel oder Gimpel.”
    Ach, Gimpel! Simpel! Tümpel heißt der Ruprecht.
    2695
    „Gott's Blitz, ja,” spricht er; „Tümpel! Ruprecht Tümpel!
    Hab ich, Gott tödt mich, mit dem Wetternamen
    Auf meiner Zunge nicht Versteck gespielt!” —
    Ich sag', Herr Richter Adam, weiß er nicht —?
    „Der Teufel soll mich holen, nein!” spricht er. —
    2700
    Steht denn der Nam' hier im Attest noch nicht?
    „Ob er in dem Attest —?” — Ja, hier im Scheine.
    „Ich weiß nicht, wie du heute bist”, spricht er.
    „Du hörst's, ich sucht' und fand ihn nicht, als ich
    Heut nachmittag bei mir den Schein hier mit
    2705
    Dem Physikus zusammen fabricirte.”
    Das ist ja aber dann kein Schein, sprech' ich.
    Das ist, nehm er's mir übel nicht, ein Wisch, das!
    Ich brauch' ein ordentlich Attest, Herr Richter. —
    „Die ist, mein Seel, heut,” spricht er, „ganz von Sinnen.
    2710
    Der Schein ist fertig, ge- und unterschrieben,
    Datirt, besiegelt auch, und in der Mitte
    Ein Platz, so groß just, wie ein Tümpel, offen;
    Den füll ich jetzt mit Dinte aus, so ist's
    Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchst.” —
    2715
    Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter,
    Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfüllen? —
    „Gott's Menschenkind auch, unvernünftiges!”
    Spricht er; „du hast ja in der Kammer Licht,
    Und Dint und Feder führ' ich in der Tasche.
    2720
    Fort! Zwei Minuten braucht's, so ist's geschehn.

    RUPRECHT

    Ei, solch ein blitz-verfluchter Kerl!

    WALTER

    Und darauf gingst du mit ihm in die Kammer?

    EVE

    Ich sag: Herr Dorfrichter, was das auch für
    Anstalten sind! Ich werde jetzt mit ihm,
    2725
    Da Mutter schläft, in meine Kammer gehn.
    Daraus wird nichts, das konnt' er sich wohl denken.
    „Gut”, spricht er, „wie du willst. Ich bins zufrieden.
    So bleibt die Sach' bis auf ein andermal.
    In Tagner drei bis acht bin ich zurück.” —
    2730
    Herr Gott, sag' ich, er in acht Tagen erst!
    Und in drei Tagen geht der Ruprecht schon —

    WALTER

    Nun, Evchen, kurz —

    EVE

    Kurz, gnäd'ger Herr —

    WALTER

    Du gingst —

    EVE

    2735
    Ich ging. Ich führt' ihn in die Kammer ein.

    FRAU MARTHE

    Ei, Eve! Eve!

    EVE

    Zürnt nicht!

    WALTER

    Nun jetzt — weiter?

    EVE

    Da wir jetzt in der Stube sind — zehnmal
    2740
    Verwünscht' ich's schon, eh wir sie noch erreicht —
    Und ich die Thür behutsam zugedrückt,
    Legt er Attest und Dint' und Feder auf den Tisch,
    Und rückt den Stuhl herbei sich, wie zum Schreiben.
    Ich denke, setzen wird er sich: doch er,
    2745
    Er geht und schiebt den Riegel vor die Thüre,
    Und räuspert sich, und lüftet sich die Weste,
    Und nimmt sich die Perücke förmlich ab,
    Und hängt, weil der Perückenstock ihm fehlt,
    Sie auf den Krug dort, den zum Scheuern ich
    2750
    Bei mir auf's Wandgesimse hingestellt.
    Und da ich frag', was dies auch mir bedeute?
    Läßt er am Tisch jetzt auf den Stuhl sich nieder,
    Und faßt mich so, bei beiden Händen, seht,
    Und sieht mich an.

    FRAU MARTHE

    2755
    Und sieht —?

    RUPRECHT

    Und sieht dich an —?

    EVE

    Zwei abgemessene Minuten starr mich an.

    FRAU MARTHE

    Und spricht —?

    RUPRECHT

    Spricht nichts —?

    EVE

    2760
    Er, Niederträcht'ger, sag' ich,
    Da er jetzt spricht; was denkt er auch von mir?
    Und stoß' ihm, vor die Brust daß er euch taumelt —
    Und: Jesus Christus! ruf ich: Ruprecht kömmt!
    — Denn an der Thür ihn draußen hör' ich donnern.

    RUPRECHT

    2765
    Ei, sieh! da kam ich recht.

    EVE

    „Verflucht!” spricht er,
    „Ich bin verrathen!” — und springt, den Schein ergreifend,
    Und Dint' und Feder, zu dem Fenster hin.
    „Du!” sagt er jetzt, „sei klug!” — und öffnet es.
    2770
    „Den Schein holst du dir morgen bei mir ab.
    Sagst du ein Wort, so nehm ich ihn, und reiß' ihn,
    Und mit ihm deines Lebens Glück, entzwei.”

    RUPRECHT

    Die Bestie!

    EVE

    Und tappt sich auf die Hütsche,
    2775
    Und auf den Stuhl, und steigt auf's Fensterbrett,
    Und untersucht, ob er wohl springen mag.
    Und wendet sich, und beugt sich zum Gesimse,
    Wo die Perück' hängt, die er noch vergaß.
    Und greift und reißt vom Kruge sie, und reißt
    2780
    Von dem Gesims den Krug herab:
    Der stürzt; er springt; und Ruprecht kracht ins Zimmer.

    RUPRECHT

    Gott's Schlag und Wetter!

    EVE

    Jetzt will, ich jetzt will reden,
    Gott der Allwissende bezeugt es mir!
    2785
    Doch dieser — schnaubend fliegt er euch durch's Zimmer,
    Und stößt —

    RUPRECHT

    Verflucht!

    EVE

    Mir vor die Brust —

    RUPRECHT

    Mein Evchen!

    EVE

    2790
    Ich taumle sinnlos nach dem Bette hin.

    VEIT

    Verdammter Hitzkopf, du!

    EVE

    Jetzt steh' ich noch,
    Goldgrün, wie Flammen rings, umspielt es mich,
    Und wank', und halt' am Bette mich; da stürzt
    2795
    Der von dem Fenster schmetternd schon herab;
    Ich denk', er steht im Leben nicht mehr auf.
    Ich ruf: Heiland der Welt! und spring' und neige
    Mich über ihn, und nehm' ihn in die Arme,
    Und sage: Ruprecht! Lieber Mensch! Was fehlt dir?
    2800
    Doch er —

    RUPRECHT

    Fluch mir!

    EVE

    Er wüthet —

    RUPRECHT

    Traf ich dich?

    EVE

    Ich weiche mit Entsetzen aus.

    FRAU MARTHE

    2805
    Der Grobian!

    RUPRECHT

    Daß mir der Fuß erlahmte!

    FRAU MARTHE

    Nach ihr zu stoßen!

    EVE

    Jetzt erscheint die Mutter,
    Und stutzt, und hebt die Lamp' und fällt ergrimmt,
    2810
    Da sie den Krug in Scherben sieht, den Ruprecht
    Als den unzweifelhaften Thäter an.
    Er, wutvoll steht er, sprachlos da, will sich
    Vertheidigen: doch Nachbar Ralf fällt ihn,
    Vom Schein getäuscht, und Nachbar Hinz ihn an,
    2815
    Und Muhme Sus' und Lies' und Frau Brigitte,
    Die das Geräusch zusammt herbeigezogen,
    Sie Alle, taub, sie schmähen ihn und schimpfen,
    Und sehen großen Auges auf mich ein,
    Da er mit Flüchen, schäumenden, betheuert,
    2820
    Daß nicht er, daß ein Andrer das Geschirr,
    Der eben nur entwichen sei, zerschlagen.

    RUPRECHT

    Verwünscht! Daß ich nicht schwieg! Ein Anderer!
    Mein liebes Evchen!

    EVE

    Die Mutter stellt sich vor mich,
    2825
    Blaß, ihre Lippe zuckt, sie stemmt die Arme.
    „Ists,” fragt sie, „ists ein Anderer gewesen?”
    Und: Joseph, sag' ich, und Maria, Mutter;
    Was denkt ihr auch? — „Und was noch fragt ihr sie,”
    Schreit Muhme Sus' und Liese: „Ruprecht war's!”
    2830
    Und alle schrein: „Der Schändliche! Der Lügner!”
    Und ich — ich schwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß,
    Doch log ich anders nicht, ich schwör's, als schweigend.

    RUPRECHT

    Mein Seel, sie sprach kein Wort, das muß ich sagen.

    FRAU MARTHE

    Sie sprach nicht, nein, sie nickte mit dem Kopf bloß,
    2835
    Wenn man sie, obs der Ruprecht war, befragte.

    RUPRECHT

    Ja, nicken. Gut.

    EVE

    Ich nickte? Mutter!

    RUPRECHT

    Nicht?
    Auch gut.

    EVE

    2840
    Wann hätt' ich —?

    FRAU MARTHE

    Nun? Du hättest nicht,
    Als Muhme Suse vor dir stand, und fragte:
    Nicht, Evchen, Ruprecht war es? ja genickt?

    EVE

    Wie? Mutter? Wirklich? Nickt' ich? Seht —

    RUPRECHT

    2845
    Beim Schnauben,
    Beim Schnauben, Evchen! Laß die Sache gut sein.
    Du hieltst das Tuch, und schneutztest heftig drein;
    Mein Seel, es schien, als ob du'n bissel nicktest.

    EVE

    verwirrt.
    Es muß unmerklich nur gewesen sein.

    FRAU MARTHE

    2850
    Es war zum Merken just genug.

    WALTER

    Zum Schluß jetzt —?

    EVE

    Nun war auch heut am Morgen noch mein erster
    Gedanke, Ruprecht alles zu vertraun.
    Denn weiß er nur der Lüge wahren Grund,
    2855
    Was gilt's, denk ich, so lügt er selbst noch mit,
    Und sagt, nun ja, den irdnen Krug zerschlug ich;
    Und dann so kriegt' ich auch wohl noch den Schein.
    Doch Mutter, da ich in das Zimmer trete,
    Die hält den Krug schon wieder, und befiehlt,
    2860
    Sogleich zum Vater Tümpel ihr zu folgen;
    Dort fordert sie den Ruprecht vor Gericht.
    Vergebens, daß ich um Gehör ihn bitte,
    Wenn ich ihm nah, so schmäht und schimpft er mich,
    Und wendet sich, und will nichts von mir wissen.

    RUPRECHT

    2865
    Vergieb mir.

    WALTER

    Nun laß dir sagen, liebes Kind,
    Wie zu so viel, stets tadelnswerthen, Schritten —
    — Ich sage tadelnswerth, wenn sie auch gleich
    Verzeihlich sind — dich ein gemeiner, grober
    2870
    Betrug verführt.

    EVE

    So? Wirklich?

    WALTER

    Die Miliz
    Wird nach Batavia nicht eingeschifft:
    Sie bleibt, bleibt in der That bei uns, in Holland.

    EVE

    2875
    Gut, gut, gut. Denn der Richter log; nicht wahr?
    So oft: und also log er gestern mir.
    Der Brief, den ich gesehen, war verfälscht;
    Er las mir's aus dem Stegreif nur so vor.

    WALTER

    Ja, ich versichr' es dich.

    EVE

    2880
    O gnäd'ger Herr! —
    O Gott! Wie könnt ihr mir das thun? O sagt —

    WALTER

    Herr Schreiber Licht! Wie lautete der Brief?
    Ihr müßt ihn kennen.

    LICHT

    Ganz unverfänglich.
    2885
    Wie's überall bekannt ist. Die Miliz
    Bleibt in dem Land, 's ist eine Landmiliz.

    EVE

    O Ruprecht! O mein Leben! Nun ist's aus.

    RUPRECHT

    Evchen! Hast du dich wohl auch überzeugt?
    Besinne dich!

    EVE

    2890
    Ob ich —? Du wirst's erfahren.

    RUPRECHT

    Stand's wirklich so —?

    EVE

    Du hörst es, Alles, Alles;
    Auch dies, daß sie uns täuschen sollen, Freund.

    WALTER

    Wenn ich mein Wort dir gebe —

    EVE

    2895
    O gnäd'ger Herr!

    RUPRECHT

    Wahr ist's, es war das erstemal wohl nicht —

    EVE

    Schweig! S' ist umsonst —

    WALTER

    Das erstemal wär's nicht?

    RUPRECHT

    Vor sieben Jahren soll was Ähnliches
    2900
    Im Land geschehen sein —

    WALTER

    Wenn die Regierung
    Ihn hinterginge, wär's das erstemal.
    So oft sie Truppen noch nach Asien schickte,
    Hat sie's den Truppen noch gewagt zu sagen.
    2905
    Er geht —

    EVE

    Du gehst. Komm.

    WALTER

    Wo er hinbeordert;
    In Utrecht wird er merken, daß er bleibt.

    EVE

    Du gehst nach Utrecht. Komm. Da wirst du's merken.
    2910
    Komm, folg'. Es sind die letzten Abschiedsstunden,
    Die die Regierung uns zum Weinen läßt;
    Die wird der Herr uns nicht verbittern wollen.

    WALTER

    Sieh da! So arm dein Busen an Vertrauen?

    EVE

    O Gott! Gott! Daß ich jetzt nicht schwieg.

    WALTER

    2915
    Dir glaubt' ich Wort vor Wort, was du mir sagtest;
    Ich fürchte fast, daß ich mich übereilt.

    EVE

    Ich glaub' euch ja, ihr hört's, so wie ihr's meint.
    Komm fort.

    WALTER

    Bleib. Mein Versprechen will ich lösen.
    2920
    Du hast mir deines Angesichtes Züge
    Bewährt, ich will die meinen dir bewähren;
    Müßt ich auf andere Art dir den Beweis
    Auch führen, als du mir. Nimm diesen Beutel.

    EVE

    Ich soll —

    WALTER

    2925
    Den Beutel hier mit zwanzig Gulden!
    Mit so viel Geld kaufst du den Ruprecht los.

    EVE

    Wie? Damit —?

    WALTER

    Ja, befreist du ganz vom Dienst ihn.
    Doch so. Schifft die Miliz nach Asien ein,
    2930
    So ist der Beutel ein Geschenk, ist dein.
    Bleibt sie im Land', wie ich's vorher dir sagte,
    So trägst du deines bösen Mißtrauns Strafe,
    Und zahlst, wie billig, Beutel, samt Intressen,
    Vom Hundert vier, terminlich mir zurück.

    EVE

    2935
    Wie, gnäd'ger Herr? Wenn die —

    WALTER

    Die Sach ist klar.

    EVE

    Wenn die Miliz nach Asien sich einschifft,
    So ist der Beutel ein Geschenk, ist mein.
    Bleibt sie im Land, wie ihrs vorher mir sagtet,
    2940
    So soll ich bösen Mißtrauns Straf' erdulden,
    Und Beutel, samt, wie billig, Interessen —
    Sie sieht Ruprecht an.

    RUPRECHT

    Pfui! S' ist nicht wahr! Es ist kein wahres Wort!

    WALTER

    Was ist nicht wahr?

    EVE

    Da nehmt ihn! Nehmt ihn! Nehmt ihn!

    WALTER

    2945
    Wie?

    EVE

    Nehmt, ich bitt' euch, gnäd'ger Herr, nehmt, nehmt ihn!

    WALTER

    Den Beutel?

    EVE

    O Herr Gott!

    WALTER

    Das Geld? Warum das?
    2950
    Vollwichtig neugeprägte Gulden sind's.
    Sieh her, das Antlitz hier des Spanierkönigs:
    Meinst du, daß dich der König wird betrügen?

    EVE

    O lieber, guter, edler Herr, verzeiht mir.
    — O der verwünschte Richter!

    RUPRECHT

    2955
    Ei, der Schurke!

    WALTER

    So glaubst du jetzt, daß ich dir Wahrheit gab?

    EVE

    Ob ihr mir Wahrheit gabt? O scharfgeprägte,
    Und Gottes leuchtend Antlitz drauf. O Himmel!
    Daß ich nicht solche Münze mehr erkenne!

    WALTER

    2960
    Hör', jetzt geb' ich dir einen Kuß. Darf ich?

    RUPRECHT

    Und einen tüchtigen. So. Das ist brav.

    WALTER

    Du also gehst nach Utrecht?

    RUPRECHT

    Nach Utrecht geh' ich,
    Und steh ein Jahrlang auf den Wällen Schildwach,
    2965
    Und wenn ich das gethan, u. s. w…. ist Eve mein!

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