1Frohsame Sängerin, slawische Sappho du,
Nicht nur mein Erdenteil kam dir als Erbe zu,
Nein, auch die Laute warst zu erben du berechtigt!
Zu solcher Hoffnung hast du selbst uns schon ermächtigt.
5Du schufest Lied um Lied, es schloss sich nie dein Mündchen,
Den ganzen lieben Tag sangst du so manches Stündchen,
So wie im grünen Busch die kleine Philomele
Die ganze Nacht durchsingt mit ihrer frohen Kehle.
Zu schnell bist du verstummt, es hat dich so geschwind
10Der schnöde Tod verscheucht, mein holdes Plauderkind!
Nie könnt mein Ohr sich satt an deinen Liedern hören,
Und dieses Wen’ge zahl ich jetzt mit reichen Zähren.
Selbst sterbend hast du nicht das Singen aufgegeben.
Die Mutter küsstest du und schiedest so vom Leben:
15„Ich werde, meine Mutter, dienen dir nicht mehr,
An deinem lieben Tische bleibt mein Platz nun leer;
Hier sind des Hauses Schlüssel, denn ich zieh hinaus.
Auf ewig scheid ich von der lieben Eltern Haus …”
Das war, und was gebeugt von Leid und Ungemach
20Der Vater nicht mehr denkt, das Letzte, was sie sprach.
Und als die Mutter nun vernahm den Scheidesang,
Das gute Herz, dass ihr’s da nicht vor Leid zersprang!